Politik kann anstrengend sein. Für die Akteure ebenso wie für die Wähler. Ständig muss man sich mit ernsthaften Problemen auseinandersetzen, und wenn man sie schon nicht lösen kann – oder einem nicht wirklich an Lösungen gelegen ist – dann müssen zumindest komplizierte Reden über sie gehalten werden.
Tatsächlich muten die aktuellen Umstände nicht wirklich freundlich an. Der Sommer ist brütend heiß, der Klimawandel macht vor Luxemburg nicht halt. Unbescholtene Bürger werden zu Nationalfeiertag zu Gefährdern der Staatssicherheit erklärt, damit sie von den offiziellen Feierlichkeiten ausgeschlossen werden können. Die Mieten scheinen letztes Jahr einen Anstieg im zweistelligen Prozentbereich erfahren zu haben. Das Land wächst sich zu Tode – neu zugezogene Einwohner und Grenzgänger erhöhen unsere Tagesbevölkerung um rund 20.000 Menschen pro Jahr. Wenn’s gut läuft – und das soll es doch, oder?
Das ist leider alles Ernst. Ernst gemeint und ernst zu nehmen. Aber man soll die Menschen eben nicht mit negativer Berichterstattung überstrapazieren. Deshalb ist beim Filmfonds – der wieder einmal einige Millionen an Steuergeldern mehr erhalten soll – alles in Ordnung, von Veruntreuung von Geldern oder einem Buchhaltungsgebahren, das man in Westeuropa für ausgestorben hielt, kann keine Rede sein. Deshalb gibt es Sommerunterhaltung an jeder Ecke. Von Stadtstränden bis zu Straßenanimation und Konzerten auf jedem öffentlichen Platz, auf den mehr als zwei Biertische passen, wird alles angeboten. Hauptsache, man amüsiert sich.
Wem das dann alles noch nicht reicht, wird auch an brisanten Neuigkeiten einiges geboten. So zum Beispiel erfuhr die interessierte Weltöffentlichkeit kürzlich, dass eine bekannte schwedische Jugendliche – Schülerin ist sie gerade nicht mehr, weil man nach der Pflichtschulzeit eigentlich wirklich genug weiß – sich mit einem besonderen Segelboot auf den Weg in die Vereinigten Staaten machen wird. Dort wird sie wohl einem geneigten Publikum erzählen, man solle doch jetzt bitte wirklich Panik kriegen. Auf dem Weg dorthin wird sie bei ihrer epischen Atlantikquerung begleitet. Nicht nur von ihrem Vater, was bei Minderjährigen nicht unnatürlich ist, wenn sie sich Tausende Kilometer von der nächsten Küste entfernt aufhalten, sondern eben von einer Filmcrew, die den spannendsten Ausflug über den Atlantik seit dem von Christoph Kolumbus dokumentieren werden. Über dem Segelboot werden wahrscheinlich wundersame Transatlantikdrohnen mit Elektroantrieb den Törn übertragen.
Wenn das alles im Endeffekt dazu beiträgt, dass die Kohlendioxidemissionen fallen und die Welt sich vor der Klimakatastrophe retten kann, umso besser. Vielleicht hätten es ein paar Steuern und Abgaben auch getan. Vielleicht könnte man ja auch – oder gerade? – in Luxemburg endlich eine ökologische Steuerreform in Angriff nehmen, und wenn man schon dabei ist, auch die völlig aus allen Rudern gelaufene Immobilienspekulation gleich mitbehandeln. Das ist aber alles wenig spektakulär und riskiert auch noch, Wähler zu vergrätzen.
Dann doch lieber Greta über den Atlantik begleiten. Besser, man denkt über die eigentlichen Probleme und deren Lösungen nicht so viel nach. Und irgendeine Band wird wohl bei einem der unzähligen Musikfestivals der Saison trällern: Let me entertain you.
Frank Engel, CSV-Nationalpräsident
@ Lëtzebuerger Land, 02.08.2019