„Es geht um unsere Gesundheit“

Mensch und Umwelt schützen: Erna Hennicot-Schoepges setzt sich im Europaparlament für einen Kompromiss bei der Modernisierung des Pestizid-Zulassungsverfahrens ein. Die EVP-Schattenberichterstatterin fordert verantwortungsvollen Umgang mit Pestiziden

Pestizide (Pflanzenschutzmittel) finden in der Landwirtschaft breite Anwendung. Seit 1991 regelt eine europäische Richtlinie den Marktzugang für diese chemischen Stoffe. Um den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung zu tragen, arbeitet die EU zurzeit eine Neufassung des Textes aus. Für die EVP ist im Europaparlament die CSV-Abgeordnete Erna Hennicot-Schoepges Schattenberichterstatterin. Das „Luxemburger Wort“ unterhielt sich mit Hennicot-Schoepges über Gesundheitsgefahren und Industrieinteressen.

Warum regelt die EU die Zulassung von Pestiziden?

Pflanzenschutzmittel sind Gifte. Wie auch Pharmazeutika müssen sie auf ihre Wirksamkeit und Sicherheit getestet werden, bevor eine Zulassung erteilt wird.

Sind Pestizide unverzichtbar?

Wir können auf Pestizide nicht verzichten. Doch während sich in einigen EU-Ländern der Verbrauch in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat, haben andere erfolgreich quantitative und qualitative Mengenreduktionen erreicht.

Mit welcher Wirkung?

Die Belastung für Mensch und Umwelt hat abgenommen. Landwirte, aber auch Gemeinden, Eisenbahnen und Straßenämter haben niedrigere Ausgaben. Das überträgt sich auch auf Folgekosten, etwa bei der Aufbereitung von Grundwasser zu Trinkwasser.

Wieso muss die Richtlinie von 1991 modernisiert werden?

Die Verfügbarkeit von Pestiziden für Landwirte soll weiter verbessert werden, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie soll gleichzeitig erhalten bleiben. Dabei wollen wir ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt erreichen.

Die Zulassung erfolgt nicht mehr auf nationaler Ebene. Ist das gut für Luxemburg?

Die Zulassung in Zonen mit gegenseitiger Anerkennung für die Produktzulassung bewährt sich besonders dort, wo nationale Grenzen innerhalb einer Zone aufeinandertreffen, also auch auf den Weinbaugebieten entlang der Mosel.

Welche Gesundheitsrisiken bestehen für Landwirte?

Parkinson, Alzheimer und verschiedene Krebserkrankungen bei Landwirten als Folge von Kontakt mit Pestiziden sind wissenschaftlich belegt.

Und für die Umwelt?

Das gegen einen Maisschädling eingesetzte Pestizid Clothianidin gelangte mit dem Wind auf Blütenpollen und tötete in Deutschland, Frankreich und Italien Bienen.

Wie sieht die Zukunft aus?

Die Landwirtschaft sollte mehr Bereitschaft zur Veränderung zeigen, etwa in den Bereichen Rotation und Einsatz von biologischen Bekämpfungsmitteln.

Gibt es Ersatzstoffe für Pestizide?

Der Gebrauch von Pheromonen, Raubnützlingen und parasit-spezifischer Viren und Bakterien könnte den Einsatz konventioneller Pestizide um ein Drittel reduzieren.

Wie lautet vor der zweiten Lesung Ihre Kompromissformel?

Wir können nicht auf Anhieb alle neurotoxischen Stoffe verbieten, weil somit 85 Prozent aller Insektizide verschwinden würden. Gleichzeitig sollten krebserregende, fortpflanzungsschädigende, mutagene Stoffe oder auch Stoffe mit hormonalen Wirkungen generell nicht mehr als Pestizide zugelassen werden. 

Quelle: Luxemburger Wort, 22. 9. 2008 INTERVIEW: JAKUB ADAMOWICZ