Loosst den “Modulaire” net sëtzen!

Resolution zum CSJ-Süden-Bezirkskongress vom 25.11.2000

Im Rahmen der CSJ-Kampagne “Mir loosse kee sëtzen!” beschäftigte sich die CSJ-Süden mit der Situation im Régime préparatoire / Enseignement modulaire. Aus der Diskussion mit Fachleuten, betroffenen Eltern, Lehrkräften und Politikern ist offensichtlich geworden, dass ein großer Handlungsbedarf in diesem Bereich besteht. Die CSJ-Süden fordert deshalb alle politisch Verantwortlichen auf, die Schüler im “Ens.modulaire” nicht abzuschreiben, sondern verstärkt Anstrengungen zu unternehmen, damit sie als gleichberechtigte Mitglieder an unserer Gesellschaft teilnehmen können. Im Rahmen der bevorstehenden Orientierungsdebatte im Parlament zur Bildungspolitik darf das “enseignement modulaire” nicht vergessen werden: wir dulden kein Stiefkind in unserem Bildungssystem

I. Die Philosophie stimmt, aber die Ausführung der Idee nicht

Was ist das Régime Préparatoire

Das Régime Préparatoire wurde im Jahre 1994 geschaffen, um Schülern mit Lernschwierigkeiten eine Auffangstruktur zu bieten, die nach ihren Bedürfnissen ausgerichtet ist. Die Schüler werden in den Hauptfächern Deutsch, Französisch, Mathematik in sogenannten “Modules” unterrichtet, wobei die Einstufung ihrem jeweiligen Wissensstand entspricht. Vorteile sind: 1. dass alle Schüler in einem “Module” über das gleiche Bildungsniveau verfügen; 2. dass die Lehrer sich konzentriert in dem jeweiligen Module den Problemen der Schüler widmen können 3. dass die Schüler den Lehrstoff “häppchenweise” unterrichtet bekommen und deshalb eine Überforderung des Schülers ausgeschlossen ist 4. dass die Schüler motiviert sind oder werden, weil sie schulische Erfolgserlebnisse im Schulalltag erleben.

Im Deutschen und im Französischen gibt es 9 “Modules”, in der Mathematik 13 “Modules”. Am Ende eines jeden Trimesters werden die Fortschritte des Schülers in den Hauptfächern geprüft. Besteht er den Test mit mind. 60 %, steigt er in ein höheres “Module”; ansonsten bleibt er im “Module” bis er den Test bestanden hat. Geschichte, Biologie, Erdkunde, Chemie, Physik und Kunsterziehung werden wie üblich unterrichtet; es gibt hier keine Aufteilung in “Modules”. Die Schüler erhalten auch Werkunterricht, wo sie sich u. a. in Metall- und Holzarbeiten erproben können.

Ziel des Régime Préparatoire ist es, die Schüler auf eine handwerkliche Lehre vorzubereiten. Dadurch soll ihnen u.a. der Übergang ins Berufsleben erleichtert werden, bzw. überhaupt erst ermöglicht werden

Die Herkunft der Schüler ist sehr unterschiedlich. Die Schülerpopulation ist sehr heterogen. Zum einen weist sie einen hohen Anteil an Ausländerkindern auf, zum anderen kommen die Schüler nicht nur aus dem 6.

Schuljahr, sondern aus den unteren Primärschulklassen, manche sogar aus dem 3. Schuljahr. Zudem dient der “Modulaire” als “Accueil”-Struktur für neu in Luxemburg einzuschulende jugendliche Ausländerkinder. Diese Verschiedenheit der Schulpopulation zeigt bereits die notwendige Multi-Funktionalität des Régime Préparatoire.

II. Probleme und Lösungsvorschläg

1. Aufwertung des Régime Préparatoire durch eine bessere Eingliederung: Keine Zwei-Klassen Schulgebäude. Manche Eltern und Kinder empfinden es fast als Strafe ins Ens. modulaire orientiert zu werden. Eine Marketingkampagne kann helfen dieses schlechte Image aufzupolieren. Aber dies wird nicht ausreichen, wenn keine strukturellen und infrastrukturellen Änderungen vorgenommen werden. Einige Gebäude sind in einem so desolaten Zustand, dass ein optimaler Unterricht nicht gewährleistet werden kann. Die meisten Régime Préparatoire befinden sich nicht in demselben Gebäude wie die technische Sekundarschule, der sie angegliedert sind (siehe LTE, LTMA, LTNB im Süden), obwohl das Ens. modulaire in die technische Sekundarschulen integriert sein soll. Die CSJ Süden vertritt die Auffassung, dass, wenn Régime Préparatoire und die anderen Klassen des technischen Sekundarunterrichts sich in einem Schulgebäude befinden würden, die Integration nicht nur auf dem Papier stattfände. Zudem ist das Neben- und Miteinander in einigen Lyzeen (LNW, LCD-Annexe Mersch) gängige Praxis, die sich bewährt hat. Das Image des Régime Préparatoire würde eine Aufwertung erfahren und die Gefahr einer “Ghettoisierung” wäre gebannt

Die räumliche Distanz zu den technischen Sekundarschulen, an die sie angegliedert sind, verhindert, dass die Schüle (a) motiviert sind sich schulisch zu verbessern; (b) sie sind kommunikativ abgeschnitten von ihren Schulfreunden (c) gemeinsame Kurse oder Schulaktivitäten sind gar nicht erst möglich. 2. Qualifiziertes Personal: die besten Lehrer zu den schwächsten Schülern

Ein Grossteil der Lehrkräfte im Régime Préparatoire sind Chargés de cours und Chargés d’éducation, die eine gute Arbeit leisten, die aber leider keine komplette pädagogische Ausbildung besitzen. Damit mehr qualifiziertes Lehrpersonal sich für den Modularunterricht entscheidet, sollen die Studenten des ISERP z.B.

durch ein 4. Jahr auf das Unterrichten in einem Régime Préparatoire vorbereitet werden Die meisten Absolventen des ISERP ziehen eine Grundschulklasse dem Unterrichten in einem Régime Préparatoire vor, da im Ens. primaire bessere Arbeitsbedingungen herrschen. Das negative Image der Vorbereitungsklassen trägt ebenfalls dazu bei, dass sich wenige Absolventen des ISERP für eine Karriere im Régime Préparatoire entscheiden. Die Lehrkräfte, die schon jetzt im Régime Préparatoire arbeiten, sollen vor allem durch Weiterbildungskurse in Sozialpädagogik, Sonderpädagogik geschult werden, weil vor allem in diesem Bereich ein Nachholbedarf besteht. Die Lehrer im Régime Préparatoire sind nicht nur Wissensvermittler, sondern müssen auch verstärkt die Rolle des Erziehers übernehmen, d. h. aber nicht, dass man den Eltern die Verantwortung für ihre Kinder abnehmen soll, sondern dass Lehrer und Eltern zusammenarbeiten. Neben den Primärschullehrern und den Chargés d’éducation soll aber auch auf andere qualifizierte Lehrkräfte zurückgegriffen werden: Lehrer aus dem technischen und klassischen Sekundarunterricht, sowie Sonderschullehrer und Sonderpädagogen

3. Die Erfahrung der letzten 6 Jahre zeigt, dass Schulprogramme überdacht werden müssen

Es fehlt an angepasstem Lehrmaterial. Es handelt sich bei den Schülern des Régime Préparatoire um lernschwache Schüler, die aber möglicherweise über sehr gute manuelle Fähigkeiten verfügen. Das Lernmaterial soll und muss praxisorientiert sein, um diesen Schülern den Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern. Der Kontakt zur Berufswelt soll erweitert werden u.a. durch den Ausbau des “Schnupperpraktikums” und Betriebsbesichtungen. Durch längere und häufigere Praktika könnte ihr handwerkliches Können gefördert werden. Hauptschwerpunkt ihrer Ausbildung wäre das Praktische; schulischer Misserfolg wäre seltener

Die Begrenzung der Schülerzahl in den “Modules” und in den Klassen soll eingehalten werden. Die Lehrer können sich dann intensiver um die Probleme ihrer Schüler kümmern. Der Klassenlehrer sollte im Modularunterricht die Mehrzahl der Fächer unterrichten, so könnte er zu einer Bezugsperson für den Schüler werden. Momentan kommt es oft vor, dass der Klassenlehrer nur einmal in der Woche für eine Stunde “seine” Klasse betreut. In einem solchen Fall ist es schwer von einer Bezugsperson zu sprechen

4. Die verschiedenen Schulpartner des “Modulaire” besser vernetze

Die CSJ Süden begrüsst es, dass man verstärkt Sozialarbeiter und Diplom-Erzieher in den Sekundarschulen einstellt, die die Arbeit des SPOS (Service de Psychologie et d’Orientation Scolaire) unterstützen sollen. Die Aufgabe des SPOS besteht vorwiegend darin, sich um die emotionale Seite des Schülers zu kümmern, die eine immer wichtigere Rolle bei der Entwicklung der Jugendlichen spielt. Viele Schüler des Régime Préparatoire kommen aus sozial- und finanzschwachen Familien. Sie sind wenig selbstbewusst, haben oft jahrelang schulischen Misserfolg erlebt. Es sind nicht nur lernschwache Schüler im Régime Préparatoire , sondern einige von ihnen sind auch verhaltensgestört. Diese Jugendliche brauchen besonders unsere Aufmerksamkeit; wir müssen ihnen den Einstieg ins Berufs- und Erwachsenenleben erleichtern

Viele Schüler haben nicht erst seit dem Eintritt in die Sekundarschule Schwierigkeiten; viele Probleme treten schon während der Grundschule auf. Die CSJ Süden vertritt die Auffassung, dass man von Anfang an auf diese Probleme eingehen soll, um so den frühen schulischen Misserfolg zu vermeiden. Die CSJ-Süden fordert mit Nachdruck eine stärkere Vernetzung und regelmäßigeren Informationsaustausch zwischen den Primärschulen und Lyzeen sowie allen Beteiligten: Lehrer, Eltern, psycho-pädagogosiche Beratungsdienste der Schule, Primärschullehrer, Leiter der classes d’accueil, Service de guidance-Dienst, Sozial-Assistenten. Immer wieder wird betont, wie wichtig die Früherkennung und vor allem auch die weitere Betreuung sei. Deshalb ist es unerlässlich, dass dieser Informations- und Meinungsaustausch zwischen allen Schulpartnern rascher von sich geht und vor allem in Notsituationen funktioniert. Vorstellbar wäre in den kommunalen und staatlichen Schulen ein “Schülerdossier” einzuführen. Die Schüler im Ens. Modulaire dürfen nicht abgeschrieben werden. Es ist ein Anspruch an unsere Gesellschaft und unser Bildungssystem gerade den Schwächsten Chancen zu bieten und den Weg in die Gesellschaft nicht von vorneherein zu verbauen. Lassen wir sie nicht sitzen

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