Europäische Union – Die Energieversorgung im Mittelpunkt

Teil 1

Europäische Union – Die Energieversorgung im Mittelpunkt

Prof. Dr. – Ing. Marcel Oberweis

Energieversorgung und Klimaveränderungen

Der anthropogene Treibhauseffekt und die damit verbundenen Klimaveränderungen stehen seit Jahrzehnten im Mittelpunkt der europäischen Energie- und Umweltpolitik. Die Erkenntnis, dass die Treibhausgase, hervorgerufen durch die Verbrennung der fossilen Energieträger, die Temperatur der Atmosphäre erwärmen, ist bekannt.

Erste Hinweise auf die negativen Auswirkungen wurden bereits vor über 100 Jahre seitens der Wissensschaft geliefert. Der schwedische Wissenschaftler Svante Arrhenius Im Jahr 1896 berechnete, dass die Verdopplung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu einer Temperaturerhöhung um einige Grad Celsius führen würde. Negative Auswirkungen auf die Ökosysteme und die Lebensressourcen wären die Konsequenz und die Existenz des Menschen auf der Erde wäre ebenfalls in Frage gestellt. Das Wohlergehen der Menschen und der Schutz der Biodiversität durch die nachhaltige Entwicklung fordern deshalb weltweite Aufmerksamkeit.

Wie bereits angedeutet, schultern die fossilen Energieträger die Hauptlast der Energieversorgung, den jüngsten Informationen zufolge etwa 80 Prozent. 14 Millionen Tonnen Erdöl, 8,5 Milliarden m3 Erdgas und 14 Millionen Tonnen Kohle werden täglich dem Erdboden entrissen und mit einem ungenügenden Nutzungsrad verfeuert. Durch ihre Verbrennung werden zig Milliarden t Treibhausgase pro Jahr in die Atmosphäre eingebracht. Im Gefolge kommt es zu Verwerfungen im Klimahaushalt der Erdatmosphäre. Weltweit stiegen die Treibhausgasemissionen auf einen neuen Rekordwert von 31,6 Milliarden Tonnen im Jahr 2012.

Die Menschen in den Industrieländern haben über zwei Jahrhunderte zuerst mit der Kohle, alsdann mit dem Erdöl und dem Erdgas, die Lebensressourcen Wasser, Luft und Boden auf das Ärgste strapaziert. Die Europäische Union ist sich ihrer Bringschuld bewusst und hat diesbezüglich umfangreiche Umweltschutzprogramme in die Wege geleitet.

Laut den rezenten Informationen könnte sich, wenn die weltweite „business as usual-Energiepolitik“ weiter verfolgt wird, die mittlere Temperatur der Atmosphäre um 3,5 Grad C bis gegen Ende des 21. Jahrhunderts erhöhen. Im Gefolge würde sich der Meeresspiegel um 1 m und mehr erhöhen, riesige Überschwemmungen in den Küstenregionen und den tiefer liegenden Gebieten wären die Folgen. Mehr als ein Drittel Menschen, welche längs den Küsten wohnen, wären von diesen Klimakatastrophen betroffen.

Die aktuelle Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre ist die höchste seit 800.000 Jahren. Es wird vermutet, dass durch die menschlichen Aktivitäten 560 Milliarden Tonnen CO2 seit dem jähr 1750 in die Atmosphäre eingebracht wurden, d.h. die Konzentration hat sich um 40  Prozente gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter erhöht. Die Geschwindigkeit des Anstiegs der Konzentration der Treibhausgase im 20. Jahrhundert war mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die höchste der vergangen 22.000 Jahre. Die direkte Folge dieses Wandels stellt die Erhöhung des Meeresspiegels dar. Wird die Treibhausgasemission nicht gestoppt, dann muss mit einer Erderwärmung von 3,7 bis 4,8 Grad C im Jahr 2100 gerechnet werden. Wer die Kosten für die Anpassung und die Konsequenzen tragen soll, steht heute wohl nicht zur Debatte – dies wird einfach ausgeklammert, es werden auf jeden Fall unsere Nachkommen sein.

Laut den Berichten der Weltklimakonferenz hat sich die Durchschnittstemperatur an der Erdoberfläche zwischen den Jahren 1880 bis 2012 um 0,85 °C erhöht. Es ist wahrscheinlich, dass auf der Nordhalbkugel der Zeitraum von 1983 bis 2013 die wärmste 30-Jahresperiode der letzten 1.400 Jahre war. Am stärksten haben sich die Schichten nahe der Wasseroberfläche der Ozeane erwärmet. In den oberen 7 m stieg die Temperatur von 1971 bis 2010 um durchschnittlich 0,11 °C pro Jahrzehnt an. Die oberen 700 m der Ozeane erwärmten sich zwischen 1971 und 2010. Der Meeresspiegel dürfte sich laut den Wissenschaftlern bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um 1 m erhöhen, nach dem Jahr 2100 wird dieser Anstieg weitergehen und im schlimmsten Fall könnte eine Erhöhung um 3 m eintreten.

Das anerkannte Ziel, die globale Erwärmung auf 2 Grad C gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, rückt somit in weite Ferne, obschon eindringlich gewarnt wird, die Treibhausgasemissionen in den kommenden Jahren in einem verstärkten Maß zu reduzieren. Damit das angepeilte Umweltziel erreicht werden kann, müssen gemäß dem IPCC die CO2-Emissionen um jährlich 4 Prozent zwischen den Jahren 2020 bis 2050 verringert werden.

Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass die Grenze 2 Grad C bedingt, dass nicht mehr als 565 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre bis zum Jahr 2050 eingebracht werden dürfen. Wenn jedoch mittlerweile etwa jährlich 33 Gigatonnen CO2 und mehr eingebracht werden, dann werden wir die Grenze bereits im Jahr 2030 überschreiten. Bedenkt man, dass die Energiewirtschaft über fossile Energien (Kohle, Erdöl und Erdgas) verfügt, welche mit 2500 Gigatonnen angegeben werden und die Industrieländer und aufstrebenden Schwellenländer ihren Energiehunger nicht verringern werden, dann wird sich das Weltklima gegen Ende des Jahrhunderts sehr stark verschlechtern.

Um dieses Szenario zu verhindern, bedarf es beherzter Schritte seitens der Politik und der Gesellschaft, alle Entscheidungsträger müssen in diesen wichtigen Prozess eingebunden werden. Es müssen vor allem die Subventionen resp. die Steuererleichterungen in Höhe von Hunderten Milliarden $ für den Verbrauch von fossilen Energieträgern gestrichen werden, ebenso müssen sich alle Wirtschaftsbereiche am Umweltschutz beteiligen z. B. durch die Internalisierung der externen Kosten. Den Unterlagen der Vereinten Nationen kann entnommen werden, dass die 3.000 größten Unternehmen der Welt der Natur Schäden in Höhe von 2.000 Milliarden Euro zufügen.

Der Direktor der Weltbank, Jim Young Kim, hat eindringlich mit der Aussage: „Eine 4 Grad C wärmere Welt kann und muss verhindert werden, die Erwärmung muss auf unter 2 Grad C gedrückt werden.“ Es wird somit das zentrale Thema der kommenden Jahrzehnte sein, die Wirtschaft so zu gestalten, dass wohl Wachstum ermöglicht wird, aber die Umwelt immer weniger belastet wird.

Deshalb kann nicht oft genug hervorgehoben werden: „Klimaschutz ist nicht nur eine Herausforderung, sondern eine Chance zu einer nachhaltigen Lebensqualität. Es ist eine Gemeinschaftsaufgabe.“ Eine engagierte Klimaschutzpolitik unterstützt den Aufbruch zu einem neuen Horizont, sie stärkt die Wirtschaft, belebt die Ausbildung und liefert die nötigen Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung.

Erste Fortschritte lassen sich bereits vermelden, denn das Verhältnis zwischen dem emittierten CO2 und der weltweiten Wirtschaftsleistung, die CO2-Intensität, halbierte sich während den letzten 50 Jahren, dies Dank der Entwicklung von Energiespartechnologien, vor allem in der Europäischen Union. So kann diese mit Stolz vermelden, dass ihre jährlichen  Treibhausgasemissionen nur noch weniger als 11 Prozent an der weltweiten Emissionsmenge betragen.

Nunmehr möchte die Europäische Union einen weiteren Schritt vorankommen, es werden mutige Entscheidungen verlangt. Sie möchte die Emissionen von Treibhausgasen um 40 – 50 Prozente unter diejenige des Jahres 1990 verringern und zusätzlich den Anteil der erneuerbaren Energien auf mindestens 27 Prozente anheben, zusätzlich weitreichende Energieeffizienzmaßnahmen ergreifen. Die restlichen 73 Prozente werden dann immer noch durch die Kohle, das Erdgas und die Kernkraft abgedeckt. Trotzdem muss dafür Sorge getragen werden, dass die Energieversorgung im Sinne des nachhaltigen Wachstums sicher und preiswert an die Verbraucher gestaltet werden kann. Laut Eurostat wies Luxemburg einen Anteil von erneuerbaren Energien im Energieverbrauch von nur 3,1 Prozente im Jahr 2012 auf.

Die Sicherstellung des wettbewerbsorientierten, nachhaltigen und sicheren Energiesystems stellt den Grundpfeiler der Energie- und Umweltpolitik bis zum Jahr 2030 dar. Es heißt nunmehr  die Fahrpläne mit Blick auf das Jahr 2050 anfertigen, wird doch eine Verringerung der Treibhausgasemissionen um 80 – 95 Prozente unter die Marke des Jahres 1990 angepeilt.

In einem rezenten Interview warnte die EU-Kommissarin für Umwelt, Connie Hedegard, dass die Europäische Union ihre Führerposition bezüglich dem Einsatz der Umwelttechnologien ins Hintertreffen gegenüber China und Indien kommen könnte:„Wir sollten uns nicht in die Tasche lügen. Noch hat die Europäische Union einen fairen Anteil an den entsprechenden Märkten. Dafür gibt es aber keine Garantie. Denn die nachhaltige Politik schadet der EU-Wettbewerbsfähigkeit nicht, sondern stärke sie.“

„Das gefährliche Experiment der Überhitzung der Atmosphäre muss vermieden werden, deshalb muss die Weltgemeinschaft jetzt handeln – es bedarf keiner weiteren Konferenzen und Appelle.“ Zum besseren Verständnis sollen noch der Klimaschutz (die Mitigation) und die Klimaanpassung (die Adaption) als wichtige Instrumente der Energie- und Umweltstrategie vorgestellt werden. Unter der Mitigation versteht man alle vom IPCC angeführten Maßnahmen, welche zur Verminderung der Treibhausgasemissionen führen u.a. die Erhöhung der Energieeffizienz und die Förderung der erneuerbaren Energieträger. Die Adaption umfasst diejenigen Maßnahmen, welche dazu dienen, die Auswirkungen auf die Ökosysteme gegenüber den aktuellen und den zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels zu verringern.

Mit Mut die angepeilten Ziele verfolgen

Die Europäische Union hat sich außerdem mit ihrer Strategie „Europa 2020“ für ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum entschieden, dies vor dem Hintergrund, dass das Ende der fossilen Energieträger absehbar ist und die neuen Förderstätten nur mit hohen finanziellen Investitionen aufgesucht werden. Es sei zusätzlich vermerkt, dass der EU-Energieverbrauch ein Fünftel des Weltenergieverbrauchs darstellt und die Rechnung für den Import an Erdgas und Erdöl auf etwa 540 Milliarden Euro im Jahr 2013 angestiegen ist. Wenn hier keine Remedur erfolgt, dann könnte sich ihre Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas auf nahezu 90 Prozent bis zum Jahr 2030 erhöhen und diese finanziellen Mittel fehlen dann für andere wichtige Aufgabenfelder.

Bedingt durch den Emissionshandel, mittels welchem die emittierte Tonne CO2 verrechnet wird, wird sich die EU immer stärker zu einer karbonfreien Gesellschaft entwickeln. Dies führt mittel- bis langfristig zu einer verringerten Abhängigkeit und öffnet den Weg für die Nutzung der erneuerbaren Energien. Dies führt zu einem Mehrwert in den Regionen und schafft die dringend benötigten Arbeitsplätze. Laut der rezenten Studie des „Energy Watch Group“ werden die fossilen Brennstoffe schneller vom Markt „verschwinden“, als bislang von den Experten angenommen worden war. Auch das Ausbeuten des Schiefergases vor allem in den USA durch das „Fracking“ kann diesen Trend nicht ändern. Es wurde ebenfalls untersucht, wann der Zeitpunkt des „peak-oil“ eintreten wird.

Den Experten zufolge tritt das Fördermaximum für alle fossilen Energien zusammengenommen bereits vor dem Jahr 2020 ein und die weltweite Erdölförderung wird sich um rund 40 Prozent bis zum Jahr 2030 gegenüber dem Jahr 2012 verringern. Die Wissenschaftler und Parlamentarier, die an dieser Studie arbeiteten, unterstützen deshalb die deutliche Erhöhung der Energieeffizienz und den forcierten Ausbau der Nutzung der erneuerbaren Energien.

In diesem Zusammenhang sollte auch auf den „World Energy Outlook 2013“ hingewiesen werden, laut welchem die Internationale Energieagentur einen Anstieg der weltweiten Energienachfrage zwischen den Jahren 2011 und 2030 um 33 Prozente voraussagt. Beim Erdöl wies sich die Nachfrage um 27 Prozente, beim Erdgas um 46 Prozente und bei der Kohle um 17 Prozente erhöhen. Als Hoffnungsschimmer darf die Meldung verstanden werden, dass die Hälfte der neu zu errichtenden Erzeugungsanlagen für elektrische Energie entfallen  auf die erneuerbaren Energien.

Die Europäische Union setzt vermehrt auf die erneuerbaren Energien

Die EU-Energiestrategie verlangt von allen Partnern den zügigen Ausbau des Energiebinnenmarkts. Konkret sollen deshalb die Anteile der fossilen und nuklearen Energieträger beständig verringert und der Anteil der erneuerbaren Energieträger konstant erhöht werden. Die Nutzung der Windenergie sowohl auf dem Land als im Küstenbereich, der Biomasse, der Solarenergie, der Wasserkraft, der Geothermie sowie der Wellenenergie steht auf der „to do – Liste“.

Der geforderte europäische Energiebinnenenergiemarkt kann jedoch nur aufgebaut werden, wenn jedes EU-Mitgliedsland seine Potenziale hinsichtlich der Effizienz und der Nutzung der erneuerbaren Energien ermittelt und die nötigen Maßnahmen unternimmt. Es möge vermerkt werden, dass die Europäische Investitionsbank etwa 7 Milliarden  Euro in die europäischen Windenergieparks und 2,3 Milliarden Euro in die Solaranlagen während der Zeitspanne 2008 bis 2011 investiert hat.

Die Energieexperten weisen darauf hin, dass sich die elektrische Leistung der europäischen Windenergieparks bis zum Jahr 2020 vervierfachen und die der Photovoltaikanlagen verzwölffachen wird. Der Energiebinnenmarkt verlangt demzufolge den Austausch von elektrischer Energie innerhalb der europäischen Grenzen. Leider ist die Netzübertragungsinfrastruktur vielfach noch mangelhaft – teilweise nicht vorhanden, sodass hier hohe Investitionen in den Bau von Transportfreileitungen und von Kuppelstellen zwischen den einzelnen Staaten getätigt werden müssen.

Es ist gewusst, dass die Nutzung der Windenergie, der Biomasse und der Solarenergie hohe Anfangsinvestitionen bedingen, während der Betriebsphase tendieren die Brennstoffkosten jedoch gegen Null, sie sind demzufolge sehr kostengünstig im Energieversorgungsmix. Wenn die energiepolitischen Ziele der EU-Strategie erreicht werden sollen, dann kann dies nur geschehen, indem systemübergreifend gedacht und gehandelt wird. Die Erzeugung elektrischer Energie und deren Verbrauch vor Ort muss stärker synchronisiert werden, die Telekommunikationsmittel und die Informatik werden die reelle und die virtuelle Welt verbinden.

Möchte man die hohen Mengen elektrischer Energie, erzeugt in den offshore-Windenergieparks im Küstenbereich und den Solaranlagen auf dem Festland, zu den Verbraucherschwerpunkten leiten, dann bedarf es neuer Hochspannungs-Gleichstromfreileitungen (HGÜ) und Hochspannungs-Drehstromleitungen (HDÜ), deren Streckenlänge sich auf mehrere Tausend km im Gebiet der Europäischen Union beziffert.

Die auf breiter Front eingeleitete intelligente Energiewende ist mehr als sie Addition von einzelnen dezentralen Maßnahmen. Nur durch das kybernetische Denken, Planen und Handeln werden wir die bezahlbare, sichere und umweltschonende Energieversorgung aufbauen, dies gemäß den Forderungen der Strategie „Horizont 2020“. Die Energieeffizienz ist mittlerweise stehendes Wissen und die unterschiedlichen Subventionen spornen seit einigen Jahren, den Staat, die Gemeinden, die Industriebetriebe, die Klein- und Mittelunternehmen sowie die Haushalte an, sich hier einzubringen.

Die hier geforderte Reduktion der Treibhausgasemissionen zu erreichen, bedarf es der gezielten vernetzten Unterstützung sowohl auf der technischen als auch der finanziellen Ebenen. Vor allem brauchen wir motivierte Menschen, die sich in diesen Prozess einklinken möchten, steht doch die Weltgemeinschaft vor großen Herausforderungen.

Im 2. Teil steht die breite Nutzung der erneuerbaren Energien im Mittelpunkt

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