Im Gespräch mit dem LW erklärt der Parteimanager, wieso es schwierig ist, den öffentlichen Haushalt zu sanieren und was er in der Partei bis zu den Wahlen 2014 bewirken will.
Herr Zeimet, im Staatshaushalt fehlen im kommenden Jahr 1,3 Milliarden Euro, die öffentliche Schuld soll auf 25 Prozent des BIP steigen. Ist das die „vorsichtige, umsichtige und nachhaltige Finanzpolitik“, die die CSV in ihrem Wahlprogramm versprochen hatte?
Die CSV hat vor den Wahlen 2009 klar gemacht, dass fünf schwierige Jahre auf das Land zukommen; sie hat klar gemacht, dass die antizyklische Budgetpolitik in den ersten Jahren der Legislaturperiode fortgesetzt werden soll, dass aber zu einem gewissen Zeitpunkt die so genannte Exit-Strategie in die Wege geleitet werden müsse, um im Jahr 2014 ausgeglichene öffentliche Finanzen vorzuweisen. Dazu steht die CSV nach wie vor. Wir werden den Weg in den Schuldenstaat nicht mitgehen.
Das Koalitionsprogramm von 2009 stand unter einem allgemeinen Finanzierungsvorbehalt. Wenn Schwarz-Rot dieser Vorgabe nun nicht gerecht wird, was soll dann die Daseinsberechtigung der Koalition bis 2014 sein?
Erstens ist diese Legislaturperiode noch nicht vorbei. Es wäre demnach verfrüht, den Abgesang auf die Koalition anzustimmen. Zweitens sind die öffentlichen Finanzen beileibe nicht die einzige Daseinsberechtigung dieser Koalition, die sich 2009 nicht nur deswegen zur Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit entschlossen hatte, weil zwei andere Parteien – die DP und Déi Gréng – zu Koalitionsverhandlung gar nicht erst bereitstanden. Das Klima zwischen CSV und LSAP stimmt einfach, und es ist ja auch nicht so, als ob in dieser Legislaturperiode gar keine Reformen in die Wege geleitet wurden. Ich verweise nur auf die Gesundheitsreform, die anstehende Rentenreform oder auch die Schulreformen.
Stichwort Reformen. Die CSJ hat sich in dieser Woche auf einer Pressekonferenz darüber beschwert, dass es der Koalition an Mut fehle, um Reformen durchzusetzen. Eine berechtigte Kritik?
Es wäre ja auch langweilig, wenn die Jugend nicht kritisch wäre. Dass die CSJ ihren eigenen Standpunkt vertritt, ist ihr gutes Recht. Und ich stimme ihr zu, wenn sie von den Politikern Mut einfordert, denn Mut ist die wichtigste Tugend eines Politikers. Der CSJ-Vorsitzende kann seinen Mut ja dann beweisen, wenn die von ihm kritisierten Reformen im Parlament zur Abstimmung stehen.
Zur Abstimmung wird dann auch der Etatentwurf 2013 stehen, über den der CSV-Präsident nicht gerade begeistert zu sein scheint. War die Partei nicht in die Haushaltsplanung der Regierung eingebunden?
Da die Regierung zu einem guten Teil aus CSV-Ministern besteht, war die CSV natürlich an den Arbeiten am Etatentwurf beteiligt. Und weil sowohl der Staats- wie auch der Finanzminister aus unseren Reihen stammen, kann man nun wirklich nicht sagen, dass wir nicht eingebunden gewesen wären. Es ist aber auch so, dass der Parteipräsident innerhalb der Koalition darauf achten muss, dass die CSV sich mit der Haushaltsvorlage identifizieren und die Fraktion unter der Leitung von Marc Spautz dieser Vorlage auch zustimmen kann. Weil die CSV ja der Meinung ist, dass das öffentliche Defizit bis 2014 getilgt werden müsste und man nun den Eindruck haben könnte, dass die Regierung sich von diesem Ziel entfernt, ist es nur verständlich, wenn die Partei an diesem Punkt Bedenken anmeldet. Mit Sicherheit hätte man das Ganze besser im Vorfeld klären können.
Wie soll man sich das Zusammenspiel zwischen Partei, Regierung und Fraktion vorstellen? Ist es für einen Generalsekretär nicht von Nachteil, wenn er nicht Mitglied des Parlaments oder der Regierung ist, wenn er also nicht dem „inner circle“ der politischen Entscheidungsträger angehört?
Den Begriff „inner circle“ weise ich zurück, so etwas gibt es in der CSV nicht. Ein Generalsekretär hat genügend zu tun, er muss nicht immer und überall dabei sein. Das Verhältnis zwischen den Verantwortlichen der verschiedenen Parteiorgane ist kollegial, wir arbeiten ja auf der gleichen Grundlage, dem Wahl- und dem Grundsatzprogramm. Ansonsten ist es wie überall, wo Menschen zusammen sind: Es menschelt schon manchmal, mit den Einen kommt man besser zurecht als mit den Anderen.
Und die Hauptaufgabe des Generalsekretärs besteht darin, die kommenden Wahlen vorzubereiten?
Die Hauptaufgabe besteht darin, das Parteileben zu organisieren, das sich nicht nur auf die Wahlzeiten beschränkt, sondern auch in den Phasen dazwischen stattfindet. Darüberhinaus bemühe ich mich auch darum, dass jedes Parteimitglied sich zu Wort melden und seine Ideen einbringen kann; und dann gehört natürlich auch die Wahlkampagne zu meinen Aufgaben, die aber erst in zwei Jahren ansteht und auf die wir uns mit einem internen Arbeitsprogramm vorbereiten. Meine Rolle ist also nicht ganz mit derjenigen eines CDU- oder CSU-Generalsekretärs zu vergleichen, die eher als Parteisprecher wahrgenommen werden, weil die Parteivorsitzenden ja gleichzeitig auch Regierungschefs sind und daher nicht immer im Namen der Partei sprechen können. Dafür haben wir unseren Parteipräsidenten Michel Wolter.
Sie haben die Vorbereitung der Wahlen 2014 genannt. Welche Gründe sollen die Wähler haben, der CSV erneut ihr Vertrauen auszusprechen? „De séchere Wee“ bei den öffentlichen Finanzen wäre kein so guter Wahlspruch.
Dass Wahlen sich allein an der Bilanz der zurückliegenden Jahre entscheiden, kommt sehr selten vor. Man muss den Menschen eine Perspektive für die Zukunft bieten, ihnen Lust auf das machen, was da kommt. Die CSV kann mit Jean-Claude Juncker auf einen sicheren Wert aufbauen; ich bin überzeugt, dass sich unsere Bilanz auch zeigen lassen wird; und dann sind wir dabei, ein Zukunftsprojekt auszuarbeiten, das den Wählern Lust auf weitere fünf Jahre mit der CSV machen wird.
Neben dem Wahl- gibt es ja auch noch das Grundsatzprogramm „Jidder eenzelnen zielt“, das die CSV vor fast genau zehn Jahren verabschiedet hat. Darin geht viel die Rede über Solidarität und soziale Gerechtigkeit. Sind diese Werte in Zeiten noch aktuell, wo fast alle Regierungen ihre Sozialausgaben zusammenstreichen?
Die CSV hat für den 7. Dezember eine Feierstunde zum zehnjährigen Bestehen des Grundsatzprogramms geplant, bei der wir wahrscheinlich Norbert Blüm als Ehrengast begrüßen werden. Wir wollen diesen Anlass nutzen, um uns darauf zu besinnen, wofür wir einstehen, und uns die Frage stellen, ob das Grundsatzprogramm die Antworten auf all die Fragen enthält, die sich heute stellen – mit Sicherheit nicht, weil in den letzten zehn Jahren viel geschehen ist. Das heißt aber nicht, dass die CSV sich ein neues Grundsatzprogramm verpassen wird, vielmehr wollen wir auf der Grundlage unserer Werte neue Antworten formulieren auf die Fragen unserer Zeit. Zum Beispiel was der Begriff „soziale Marktwirtschaft“ in Zeiten endlos scheinender Wirtschaftskrisen eigentlich noch bedeutet, wie dieses System in Zukunft zu gewichten ist, oder was gerecht oder ungerecht ist. Nicht gerecht ist es meiner Meinung nach, wenn wir das Geld weiter mit der Gießkanne verteilen. Natürlich kann man der Politik vorhalten, genau das in den letzten Jahren getan zu haben, und es stimmt auch, dass in guten Zeiten das Geld leichter floss. Wir befinden uns aber nicht mehr in der Vorkrisenzeit, in der die Steuereinnahmen nur so sprudelten. Luxemburg als Insel der Glückseligen – dieses Land gibt es längst nicht mehr. Weil diese Zeiten vorbei sind, müssen wir uns auf eine andere Art der Politikgestaltung besinnen. Diese lässt sich nicht von oben herab verordnen, man muss seine Ansichten schon mit der breiten Bevölkerung diskutieren. Wenn wir aber von unserem Standpunkt überzeugt sind, dann wird es uns auch gelingen, die Bürger mit auf diesen Weg zu ziehen. Davon bin ich überzeugt.
Sie haben sich in einem Beitrag für die Zeitschrift „Forum“ kritisch mit dem zügellosen Finanzsystem auseinander gesetzt, das auch fünf Jahre nach Ausbruch der Krise noch nicht gezähmt ist. Fehlt es am nötigen politischen Willen, zum Beispiel auch beim luxemburgischen Finanzminister?
Es ist ja nicht so, dass der luxemburgische Finanzminister das System in Eigenregie abändern könnte, auch wenn er der schlimmste Kommunist wäre. Da müssen schon andere Kräfte überzeugt werden. Ich denke nicht, dass wir mit der Neuordnung des Finanzsystems am Ende sind. Und ich denke auch nicht, dass Luxemburg sich diesen Reformen verschließen soll, bloß weil es seinen Finanzplatz schützen will. Das heißt aber nicht, dass wir leichtfertig alles mitmachen sollen, was anderen als Ideen so vorschwebt.
Wie schwer fällt es einer christlich-sozialen Partei, das Verhältnis zwischen den Glaubensgemeinschaften und dem Staat in neue Bahnen zu lenken?
Die CSV hat ein unverkrampftes Verhältnis zu allen Glaubensgemeinschaften, solange sie sich zu unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen. Dass die katholische Kirche in der Frage der Beziehungen zwischen Staat und Kirche ihren eigenen Standpunkt vertritt und ausspricht, ist ihr gutes Recht. Dass sie in dieser Frage Druck auf die CSV ausübt, habe ich nicht festgestellt. Immerhin war es ja ein CSV-Minister, der den Expertenbericht veranlasst hat. Die CSV wird sich dieser Debatte jedenfalls nicht verschließen.
Quelle: Luxemburger Wort, 4. Oktober 2012, Joelle Merges