“Das Hohelied auf die Nationalstaaten muss abklingen, wenn Europa die Krise überwinden und den Heerscharen seiner Armen, Arbeitslosen und Ausgeschlossenen eine Perspektive eröffnen will. Die Nationalstaaten schaffen es nicht alleine.” CSV Europaabgeordnete Frank Engel reagiert in einer Pressemitteilung auf Jose Barrosos Rede im Europäischen Parlament am Mittwoch.
In seiner Rede zur Lage der Union hat Kommissionspräsident Barroso einen Ausdruck bemüht, dessen Autorenschaft er der geneigten Zuhörerschaft jedoch geflissentlich unterschlug. Er will für die Europäische Union eine Entwicklung zur “Föderation der Nationalstaaten”. Dieser Begriff wurde in den achtziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts geprägt – vom damaligen Kommissionspräsidenten Jacques Delors.
Die Europäische Kommission des Jahres 2012 ist demnach in ihrer politischen Ambition soweit zurückgefallen, wie Griechenland wirtschaftlich in der aktuellen Rezession. Das ist mehr als bedauerlich: es ist bezeichnend für den Zustand der politischen Eliten unseres Kontinents.
Was sollte in Europa denn anders föderiert werden, als Nationalstaaten? Europa besteht nun einmal aus Nationalstaaten, und es sind die Unfähigkeit und der Unwille der Nationalstaaten, Europa endlich mit einer global relevanten Souveränität auszustatten, die die europäische Krise verlängern und vertiefen.
Das Hohelied auf die Nationalstaaten muss abklingen, wenn Europa die Krise überwinden und den Heerscharen seiner Armen, Arbeitslosen und Ausgeschlossenen eine Perspektive eröffnen will. Die Nationalstaaten schaffen es nicht alleine. Sie müssen als letzte Instanz politischer Entscheidungsfindung überwunden werden. Die Nationen selbst sind nicht das Problem: die Begrenzung staatlicher Souveränität auf den nationalen Rahmen ist das Problem.
Viele Nationen in Europa haben keinen Staat. Sie wären in einer europäischen Föderation ebenso gut aufgehoben, wie in jenen Staaten, zu denen sie jetzt gehören – sehr wahrscheinlich besser. Dies bringen Schotten, Katalanen und andere inzwischen laut zum Ausdruck.
Europa muss sich weiter entwickeln. Weiter, als es Jacques Delors vor 25 Jahren anvisierte, und weiter, als Jose Manuel Barroso es heute tut. Die Märkte, deren Spekulation gegen unsere Währung wir beklagen, wollen keinen europäischen Sparverein. Sie wollen wissen, ob Europa definitiv zusammenwächst und gemeinsam in der Welt um seine Zukunft zu kämpfen bereit ist. Wenn das endlich begriffen wird, können wir die Krise bezwingen. Im anderen Fall wird sie uns besiegen.
“Barroso vs Delors: “Föderation der Nationalstaaten” – Kommission ist in der Ambition soweit zurückgefallen, wie Griechenland in der Rezession“