Es gibt Zahlen, die erschrecken. Laut der Statec-Studie „Travail et Cohésion sociale“ ist das bereits hohe Armutsrisiko in Luxemburg noch einmal von 18,5 auf 19,7 Prozent gestiegen. Das heißt fast jeder fünfte Einwohner ist von Armut bedroht und verfügt über weniger als 60 Prozent des sogenannten Median-Einkommens, das der Durchschnitt der Einkommen in Luxemburg ist.
Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich und das in einer Phase, wo die Wirtschaft mit jährlichen Wachstumsraten um die drei Prozent wächst.
So sehr sich die Regierung gerne feiern lässt für das Wirtschaftswachstum, so sehr zieht sie sich zurück, wenn die Sprache darauf kommt, dass sich die soziale Situation in unserem Land verschlechtert.
Und das eben nicht in Krisenzeiten, sondern in einer Zeit der Hochkonjunktur!
Das Fazit lautet, dass die Dreierkoalition ein sehr unterentwickeltes soziales Gespür hat. Das kennzeichnet ihr Handeln seit dem Beginn der Legislaturperiode als sie mit dem Sparpaket vor allem die einkommensschwächeren und mittleren Haushalte belastete (das im krassen Gegenteil zu allen beim Antritt der Regierung gemachten Versprechen, dass mit Rot, Blau und Grün der Staat zuerst bei sich selbst sparen würde).
Das kennzeichnet ihr Gebaren heute, wenn es um das System der Stock Options geht, die zu einem gewaltigen Steuerprivileg für Großverdiener geworden sind.
Statt grundlegend ein System zu reformieren, das seinem ursprünglichen Zweck nicht mehr gerecht wird, wird rumgedoktert und auf Zeit gespielt. Die nun vom Finanzminister vorgeschlagene Anhebung des Steuersatzes bei den Stock Options ändert nichts daran, dass weiter zwischen der steuerlichen Behandlung von Großverdienern und Otto-Normal-Bürgern Welten liegen.
Endgültig geht die soziale Glaubwürdigkeit der Regierung aber flöten, wenn weiter unten auf der Einkommensleiter nichts mehr von der Großzügigkeit übrig bleibt welche die Regierung oben walten lässt!
So wurden vor einem Jahr die Vorschläge der CSV für eine verstärkte steuerliche Entlastung von einkommensschwächeren Haushalten und Familien sowie der Mindestlohnbezieher von den Mehrheitsparteien abgeblockt. Gegen den Widerstand der CSV wurden kinderreiche Familien im Rahmen einer „Reform“ der Familienleistungen schlechter gestellt sowie die Mutterschafts- und Erziehungszulagen abgeschafft.
Die unmittelbare Folge ist, dass sich das Phänomen der Working Poor, also jener Arbeitnehmer, die trotz einer festen Arbeit finanzielle Schwierigkeiten haben, verfestigt und es für immer mehr Familien quasi unmöglich wird, ein akzeptables Leben zu führen.
Die Regierung erweist sich großzügig im Penthouse aber bestimmt nicht in den Erdgeschosswohnungen.
Dabei müsste die Regierung gewährleisten, dass alle ihren fairen und gerechten Beitrag zu einem funktionsfähigen Staat und Gemeinwesen leisten. Es ist ja schließlich nicht nur die eigene Leistung die über den persönlichen Erfolg entscheidet. Ob Penthouse oder Erdgeschoss, jeder braucht einen Staat, der einen verlässlichen Rechtsrahmen setzt, der Bildung und Ausbildung garantiert, Infrastrukturen schafft und soziale Sicherheit gewährleistet.
Jeder muss dazu seinen Beitrag leisten. Das ist kein Sozialneid, sondern das Grundprinzip einer sozial gerechten Gesellschaft. Dafür die Voraussetzungen zu schaffen, das ist die Aufgabe der Politik.
Ganz offenbar sehen die Regierung und die drei Mehrheitsfraktionen das aber anders.
Marc Spautz
Parteipräsident und Abgeordneter