Möchte man die Zukunft erfolgreich gestalten, dann bedarf es einer konkreten und durchdachten Strategie. Die Aussage des griechischen Politikers Perikles aus Athen (500-429 v.Chr.) „Es kommt nicht darauf an, die Zukunft voraussagen, sondern darauf, auf die Zukunft vorbereitet zu sein.“ beschreibt dies vortrefflich.
Anlässlich des diesjährigen Wirtschaftsgipfels in Davos (CH) hat dessen Gründer Klaus Schwab darauf hingewiesen, dass die Weltwirtschaft an der Schwelle zur vierten Industriellen Revolution steht. Diese technische Revolution wird die Art, wie wir leben und arbeiten und miteinander kommunizieren grundlegend verändern. Die Komplexität und die Reichweite dieser industriellen Revolution werden die drei vorhergehenden um eine noch nie erlebte Erfahrung übertreffen. Sie ist geprägt durch die Vernetzung der Informations- und Kommunikationstechniktechnologien, der sogenannten „Cyber-Physical-Systems“. Des Weiteren zeichnet sie sich vor allem durch die Schnelligkeit, Reichweite und systemische Wirkungen aus – die Entwicklung verläuft nicht mehr linear wie bisher, sondern exponentiell.
Klaus Schwab schreibt in seinem Werk „Die Vierte Industrielle Revolution“1), dass der Unterschied zwischen der vierten Industriellen Revolution und den Vorgängerinnen vor allem in der engen Verzahnung von heutigen und zukünftigen Technologien besteht. Die hervorgerufenen Wechselwirkungen verknüpfen die physischen, digitalen und biologischen Sphären – sprich die reale Welt und die virtuelle Welt verschmelzen.
Ein Blick auf die bisherigen drei Industriellen Revolutionen
Die erste Industrielle Revolution ist mit dem Jahr 1769 fest verankert. Die Entwicklung der Niederdruck-Dampfmaschine und die im Gefolge aufkommenden wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen haben der damaligen Agrargesellschaft ihren Stempel aufgedrückt. Die verstärkte Nutzung der Kohle führte zur Bereitstellung der Dampfkraft und lieferte den Menschen eine neue Energiequelle. Als es dem englischen Ingenieur James Watt (1736-1819) nach vielen Versuchen gelang, seine Dampfmaschine zur Verrichtung von technischer Arbeit zu verwirklichen, stand erstmals eine zuverlässige und leistungsfähige Antriebsmaschine zur Verfügung. Die Wattsche Dampfmaschine stellte den Beginn der industriellen Revolution dar und beflügelte den Übergang vom Manufaktur- zum Fabriksystem. Mit George Stephenson (1781-1848) wurde der Traum verwirklicht, die Dampfmaschine auf die Gleise zu bringen. Die Eisenbahnstrecke zwischen Stockton und Darlington wurde am 27. September 1825 eröffnet und der „Siegeszug des eisernen Dampfrosses“ begann unverzüglich. Das anbrechende Industriezeitalter rief einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel hervor
Die zweite Industrielle Revolution begann mit der Einführung der individuellen Mobilität durch das Automobil ab dem Jahr 1870. Mit der Entdeckung des Erdöls trat neben die Kohle ein zweites Standbein in den Dienst der Industriegesellschaft. Die ersten Automobile fuhren auf den Straßen und erhöhten die Mobilität zuerst der oberen Gesellschaften um anschließend die breite Masse zu begeistern. Die Wirtschaft in Europa sowie in den Vereinigten Staaten von Amerika wiesen immer neue Erfolge auf, die Massenproduktion von Gütern für den alltäglichen Gebrauch erhöhte die Lebensqualität der Menschen in den Industrieländern zusehends. Im Jahr 1866 entdeckte Werner von Siemens das dynamoelektrische Prinzip, welches die praktische Anwendung der Elektrizität ermöglichte. Die von ihm entwickelte Dynamomaschine wandelte die mechanische Energie in elektrische Energie um. Der Grundstein für die Energieverteilung und die vielfältigen Anwendungen der Elektrotechnik war gelegt. Die Einführung der Kunststoffe, der Elektrizität und deren Übertragung von den Kraftwerken hin zu den Verbrauchern waren Kernelemente dieses technologischen Wandels, weitere Anwendungen waren das Telefon und die Telegraphie. Als letzte große Erfindung wird die Erfindung des Flugzeugs durch die Brüder Wright zu Beginn des 20. Jahrhunderts bezeichnet.
Die dritte Industrielle Revolution ist u.a. durch die Erfindungen der elektronischen Bauteile: Diode und Transistor gekennzeichnet. Diese beflügelten die Entwicklung des Radios und später des Fernsehens. Man kann diese Epoche mit dem Beginn der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts festlegen. Ein weiteres Element jener bahnbrechenden Zeit war die Entwicklung des ersten programmgesteuerten, elektrischen Relaisrechners durch Konrad Zuse im Jahr 1941. Der Raketenantrieb beflügelte die Indienststellung der Flugzeuge mit Turbinenantrieb an Stelle der Kolbenexplosionsmotoren, die Distanzen zwischen Städten und Kontinenten schrumpften.
Mit der Einführung des Mikroprozessors Intel i4004 (4bit) im November 1971 wurde das Tor zur Entwicklung der Automatisierung aufgestoßen. Diese Prozessoren erlaubten die unterschiedlichsten Fertigungsprozesse u.a. die Elektronik, die Raumfahrt und die Elektronische Datenverarbeitung. Der erste Mikrorechner (Computer), der Kenback-1, verfügte über 256 Byte Speicher, drei Programmregister und 5 Adressierungsarten. Eine entscheidende Wende ereignete sich durch die Entwicklung des „Apple 1“ im Jahr 1976 durch Steve Jobs und Steve Wozniak, vor allem für den Privatgebrauch. Als weitere Bausteine seien die Biotechnologie, die Wiederverwertung von Abfallstoffen in der Kreislaufwirtschaft sowie die Verarbeitung der nachwachsenden Rohstoffe zitiert.
Mit dem Abheben von Trägerraketen wurden nicht nur Satelliten in das All geschossen, sondern auch Menschen – zuerst in eine Umlaufbahn um die Erde gehievt und später auf den Mond gebracht. Dazu gesellten sich die unterschiedlichen Technologien zur Nutzung der erneuerbaren Energien: die Photovoltaïkzellen, die thermischen Solarkollektoren, die Windenergieanlagen größerer Leistung und die Wärmepumpen.
Die vierte Industrielle Revolution wird den Planeten nachhaltig verändern
Die Menschheit steht zu Beginn des neuen Jahrhunderts vor einer Fülle von Problemen u.a. die Energiefrage, der Biodiversitätsverlust, die Ernährungslage, die Verstädterung, der Trinkwassermangel und die Gesundheitsprobleme. Wohl hat der technische Fortschritt einigen Hunderten Millionen Menschen einen unglaublichen Wohlstand beschert – diese haben jedoch in kurzer Zeit die in Jahrmillionen entstandenen fossilen Energieträger mit einem geringen Nutzungsgrad verbrannt und hinterlassen den zukünftigen Generationen eine schwere Hypothek. Nur die Entkopplung des Ressourcenverbrauchs vom Wirtschaftswachstum mit Blick auf eine erhöhte Lebensqualität führt zu einem „anderen“ Wachstumspfad.
Die Entwicklung neuer Technologien und Systeme muss die Zukunft fest im Blick haben u.a. die Informations- & Kommunikationstechnologien, die Bekämpfung des Klimawandels, die intelligente dezentrale erneuerbare Energieversorgung, die nachhaltige Verkehrsführung, die Nanotechnologie, die Biotechnologie, die allumfassende Verwertung von Stoffen durch die Kreislaufwirtschaft. Als weitere Arbeitsfelder möchte ich die Datenübertragung per Lichtwellenleiter und den Bau von intelligenten Gebäuden, die Parabolrinnen-Solarkraftwerke im MW-Bereich, die offshore-Windenergieparks mit Leistungswerten bis zu Hunderten MW, die Biomedizin und die Nanoelektronik sowie die Biomasseanlagen der 2. Generation anführen.
Der wohl wichtigste Pfeiler der vierten Industriellen Revolution stellt die Digitalisierung der Prozesse dar. Die bisherige klassische Produktionshierarchie mit ihrer zentralen Steuerung verlagert sich hin zur dezentralen Selbstorganisation. Die Systeme werden sich selbst überwachen und falls nötig regelnd eingreifen. Die intelligenten Produktionsstätten weisen neben der höheren Produktivität auch eine erhöhte Energie- & Ressourceneffizienz auf. Mittels der verteilten Intelligenz werden das Monitoring verbessert und die Entscheidungsprozesse autonomer, um so die Unternehmen in nahezu Echtzeit zu optimieren.
Schlussgedanken
Es wäre deshalb wünschenswert, wenn sich in Luxemburg weitreichende Forschungs- & Innovationsvorhaben in den Bereichen: Logistik, Satellitenkommunikation, Energieeffizienz, Biodiversität und Biotechnologie unter der Bezeichnung „Intelligente Industrie 4.0“ aufbauen würden, wohlwissend, dass die ersten Schritte bereits unternommen wurden.
Die Erfolgsstory hin zur vierten Industriellen Revolution kann aber nur dann gelingen, wenn genügend wissbegierige junge Menschen diesen Weg mitbeschreiten, die das „Neue“ mit viel Engagement als Herausforderung sehen. Leider fehlen uns diese jungen Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker und Handwerker, um das kühne Unterfangen mit Erfolg anzugehen. Ohne deren kreative Köpfe werden wird wohl nur staunen, mit welcher Vehemenz und welchem Tatendrang die anderen „global player“ sich immer größere Stücke aus dem Weltwirtschaftskuchen herausschneiden.
Mit Verlaub möchte ich jedoch mein Erstaunen zum Ausdruck bringen und mit mir viele Bürger, die sich fragen, wieso unser Land mehr als 200 Millionen Euro für das Projekt „Space Mining“ ausgibt – im Übrigen kein Thema der Rifkin-Studie zur dritten Industriellen Revolution!? Es gibt auf dem Planeten noch viele unentdeckte Ressourcen u.a. auf dem Meeresgrund, welche darauf harren, gehoben zu werden. Persönlich bin ich der Meinung, diese Finanzmittel sollen entweder hierzulande in den Bau von 450 Sozialwohnungen für die Mindestbemittelten unserer Gesellschaft investiert oder für einen menschenwürdigen Abbau der Seltenen Erden in Afrika investiert werden.
Als letzten Gedanken würde ich gerne hinzufügen, dass alle Anstrengungen darauf abzielen müssen, die Technologien und Prozesse der vierten Industriellen Revolution mit Effizienz einzusetzen, dies mit dem hehren Ziel, die weltweite Armut und die Diskriminierung breiter Massen zu verringern sowie die Umwelt weniger zu belasten.
Wenn wir hier Erfolge einfahren dann dürften wir den Weg zu einer gerechten und sicheren Zukunft innerhalb der vierten Industriellen Revolution gemeinsam gehen.
Prof. Dr.-Ing. Marcel Oberweis
Literaturhinweise:
- Klaus Schwab – Die Vierte Industrielle Revolution Juni 2016 ISBN 978-3-570-55345-9