Die Politik tut sich schwer damit, wirksame Rezepte gegen die Politikverdrossenheit zu finden. Die Zahl der Bürger wächst, die beklagen, dass die Politik nicht wirksam handelt, dass Politiker sich zusehends von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernen und daran scheitern, Probleme zu lösen.
Hier ist es wichtig, Abhilfe zu leisten und wieder ein positives Bild der Politik zu vermitteln. Es gilt, dass wir uns gemeinsam um die Revitalisierung einer breiten politischen Debatte bemühen. In dieser Debatte müssen wir die Europapolitik, nationale Politik und Kommunalpolitik zur Sprache bringen. Wir müssen verdeutlichen, dass es sich nicht um voneinander getrennte politische Sphären handelt, sondern alle Politikebenen sich überschneiden und gegenseitig beeinflussen.
Ein Beispiel hierfür ist die Klimapolitik: Das Klimaschutz-Abkommen von Paris wurde von der Europäischen Union im Namen aller Mitgliedsstaaten ausgehandelt. Die Politik in den einzelnen Staaten setzt den Rahmen für Klimaschutzmaßnahmen auf nationaler Ebene. Die Politik auf kommunaler Ebene handelt vor Ort mit konkreten Projekten.
Die Revitalisierung der politischen Debatte stellt die Politik und besonders politische Parteien vor die Herausforderung, deutlich zu machen, wer an welcher Stelle was bewegt und bewirken kann. Wir müssen wieder ein positiveres Bild von Politik präsentieren, in dem erkennbar wird, wie konkrete politische Arbeit auf Sachfragen die Lebenswirklichkeit der Menschen zum Besseren ändert. Die Voraussetzung dafür ist, dass die politisch Handelnden auf die Bürger zugehen, ihnen zuhören und sich mit ihren Problemen auseinandersetzen. In diesem Sinne ist Politik in erster Linie das beharrliche Arbeiten auf Sachdossiers und nicht die Präsenz auf Generalversammlungen und Volksfesten.
Die größte Gefahr für jede Demokratie ist, dass ein wachsender Teil der Bevölkerung überhaupt keine Erwartungen mehr an die Politik hat, weil er davon ausgeht, dass die Politik ihm sowieso nicht bei seinen Problemen hilft. Eine solche Entwicklung hat das Potenzial für eine soziale und politische Radikalisierung, die Wasser auf die Mühlen von populistischen Parteien ist.
Auch Politiker sind nur Menschen und machen Fehler. Es ist aber falsch, daraus zu verallgemeinern, dass Politik insgesamt ein Übel ist und allen Politikern pauschal zu unterstellen, dass ihnen persönliche Interessen wichtiger wären als das Allgemeinwohl.
Und um gerade mit diesem falschen Eindruck aufzuräumen, müssen wir uns darum bemühen, engagierte Bürgerinnen und Bürger zur aktiven politischen Mitarbeit zu bewegen. Auch mit Blick auf die Gemeinderatswahlen in einem Jahr.
Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dafür Personen aus allen Schichten anzusprechen. Alle sozialen Milieus, Altersgruppen, Luxemburger und Nicht-Luxemburger, Frauen und Männer müssen mit fachlich und sozial kompetenten Vertretern an der politischen Entscheidungsfindung teilnehmen. Das ist das Kernstück einer lebendigen Demokratie und die wichtigste Voraussetzung für die Revitalisierung der politischen Debatte.
Parteien und Politiker können auf eine feste Akzeptanz in der Bevölkerung nur zählen, wenn sich alle Bürger, unabhängig von ihrem „Background“ in den Parteien und Politikern wiedererkennen.
Der Zulauf, den populistische Parteien in einer Reihe von Ländern haben, hat eben auch damit zu tun, dass sich ganze soziale Gruppen mit ihren Anliegen und Sorgen nicht mehr in den etablierten Parteien vertreten fühlen.
Auch das politische System in Luxemburg ist gegen diesen besorgniserregenden Trend nicht immun. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ihn umzukehren. Besonders aber ist es die gemeinsame Aufgabe aller Politiker und Parteien, die an kompromissfähigen Problemlösungen im Interesse der Menschen interessiert sind.
Marc Spautz
Abgeordneter und CSV-Parteipräsident
Quelle: “d’Lëtzebuerger Land” (07/10/2016)