Es fehlt das Soziale

Bei ihrem Antritt führte die Regierung die soziale Selektivität als eines ihrer höchsten Prinzipien an, macht aber eine Familien- und Kinderpolitik ohne sozialen Plan. Dieser Meinung ist jedenfalls die größte Oppositionspartei, die heute auf einer Pressekonferenz zur Reform des Elternurlaubs Stellung bezieht.

“Die Familienpolitik der aktuellen Regierung ist sozial unausgewogen. Das rezenteste Beispiel, und in diesen Tagen hochaktuell, ist die Schulanfangszulage. Die Vereinheitlichung der Beiträge und der Verzicht, sie pro Kind anzuheben, hat für die Familien ab zwei Kindern negative finanzielle Folgen.

Das ist das letzte Beispiel einer ganzen Reihe von Sparmaßnahmen auf Kosten der Familien. Die Kürzung der Schulanfangszulage erfolgte im Rahmen der ,Reform’ der Familienzulagen, die Ende Juni im Parlament gegen den entschiedenen Widerstand der CSV von Rot, Blau und Grün durchgepeitscht wurde. Diese ,Reform’ hat vor allem auch die Staffelung des Kindergeldes je nach Anzahl der Kinder in einem Haushalt abgeschafft. Für kinderreiche Familien stellt das eine massive Benachteiligung dar. Die Regierung argumentierte mit ausländischen Studien, doch das ist nichts anderes, als Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Luxemburg hat eine besondere Situation, die für kinderreiche Familien höhere Lebenskosten bedeutet. Gerade deshalb gehören diese Familien verstärkt unterstützt. Nicht von ungefähr hat ein Sozialverband wie die Caritas die Vereinheitlichung des Kindergeldes abgelehnt.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die neuen, seit Anfang des Monats geltenden Bestimmungen bei den Chèques-service auswirken werden. Erstmalig können auch Grenzgänger von den Schecks profitieren. Keine befriedigende Antwort gab es auf die von der CSV aufgeworfene Frage, wie in den ausländischen Betreuungseinrichtungen, die sich gegebenenfalls zu den luxemburgischen Bedingungen zertifizieren lassen, überprüft wird, dass sie diese auch tatsächlich einhalten.

Auch bei den Chèques-service fährt die Regierung (und insbesondere der liberale Minister für Bildung, Kinder und Jugend) einen Zickzackkurs. Ursprünglich sollte ab der Rentrée 2016 ein neuer Berechnungsmodus gelten. Doch kurzfristig warf die Regierung ihre eigenen Planungen über den Haufen und verschob die bereits fest vorgesehenen Änderungen um ein Jahr. Professionalismus sieht anders aus.

Auf dem Instanzenweg ist die Reform des Elternurlaubs. Auch wenn die CSV das Prinzip von mehr Flexibilität begrüßt, lehnt sie das Gesetzesprojekt in seiner aktuellen Form ab. Die CSV hat Alternativvorschläge, die sie heute in einer Pressekonferenz vorstellen wird.

In der Familienpolitik kann es keinen Status quo geben. Dafür ändern sich in der heutigen Zeit zu sehr die Familienmodelle. Die CSV tritt für Reformen ein. Aber diese müssen auch das Kriterium der sozialen Selektivität erfüllen und verstärkt Hilfestellung für Familien bieten, die in besonders schwierigen Situationen sind.

Die Regierung macht das genaue Gegenteil. Welchem Plan die Familien- und Kinderpolitik der Regierung folgt, wissen wir nicht. Aber sicher ist: Es ist eine Familien- und Kinderpolitik ohne sozialen Plan.

Das ist schon mehr als erstaunlich bei einer Regierung, die bei ihrem Antritt soziale Selektivität als eines ihrer höchsten Prinzipien anführte.”

Marc Spautz
CSV-Präsident

Quelle: Lëtzebuerger Journal (12/09/2016)