Vor rund einer Woche nahm der Conseil national des finances publiques, CNFD, die Finanz- und Haushaltspolitik der Regierung kritisch unter die Lupe.
Das unabhängige Kontrollorgan kritisierte besonders, dass die Regierung ihre eigene budgetäre Zielvorgabe nach unten revidiert. Anstatt bis 2018 einen Haushaltsüberschuss von +0,5 Prozent erreichen zu wollen, senkt sie nun ihr Haushaltsziel auf -0,5 Prozent. Damit verzichtet die Regierung auf eines der wichtigsten Ziele, das sich die Dreierkoalition bei Regierungsantritt auf die Fahnen geschrieben hatte und das auch unmissverständlich im Koalitionsvertrag festgehalten ist: “atteindre d’ici la fin de la période de législature un solde structurel des finances publiques d’au moins +0,5% du PIB.“
Begründet wurde diese Zielvorgabe im Koalitionsvertrag mit dem Verweis auf die Volatilität der Einnahmen und dem Bestreben, Defizite zu vermeiden, welche die nachhaltige Ausrichtung der öffentlichen Finanzen beschädigen.
Nun hat die Regierung einen radikalen haushaltspolitischen Kurswechsel vorgenommen, dem, laut CNFD, eine „aggressive Hypothese“ zugrunde liegt: Es ist einerseits die Vorwegnahme eines Bevölkerungswachstums auf 1,2 Millionen Einwohner sowie andererseits einer Verschuldung die sich an der Maastricht-Grenze von 60 Prozent orientiert.
Die Folgen einer solchen demographischen Dynamik blendet die Regierung dabei aus: Schulen- und Sozialinfrastrukturen, die praktisch verdoppelt werden müssen, ein Wohnungsbau der sich vor noch größeren Herausforderungen sieht als bereits heute, Verkehrsinfrastrukturen, die weiter ausgebaut werden müssen, nicht nur wegen der sich verdoppelnden einheimischen Bevölkerung, sondern auch wegen der weiter ansteigenden Zahl von Grenzgängern. Ein alternatives Szenario zu dieser „aggressiven Hypothese“ schlägt die Regierung nicht vor.
Anstatt die positive Konjunktur (mit einem Wirtschaftswachstum von 4,8 Prozent im vergangenen Jahr) zu nutzen, für Schulden- und Defizitabbau, lassen Rot, Blau und Grün die Schuldenlast weiter ansteigen. Laut Stabilitäts- und Wachstumsprogramm steigt der Schuldenstand von 11,2 Milliarden Euro in 2015 auf 16 Milliarden Euro bis 2020.
Nun verweist die Regierung regelmassig auf ihre Vorgängerinnen, die ebenfalls mit einer steigenden Schuldenlast konfrontiert waren. Doch dieses Argument hinkt auf beiden Beinen: Die Regierungszeit von CSV und LSAP war geprägt von der schwersten Wirtschaftskrise seit der großen Depression in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Das Schnüren von Anti-Krisen-Paketen, die Stabilisierung der Kaufkraft und Stützung von Banken musste mit Haushaltsmitteln gestützt werden und war eine Notwendigkeit, um die dauerhafte Verfestigung der Wirtschaftskrise und soziale Verwerfungen zu verhindern.
Die Opposition trug diese Politik mit, ebenso wie die Handelskammer und deren Direktor Pierre Gramegna, der die „antizyklischen und voluntaristischen Unterstützungsmassnahmen“ im Haushaltsentwurf für 2009 in höchsten Tönen lobte.
Doch gleichzeitig war den damals Verantwortlichen klar, dass die krisenbedingte Defizitausweitung nicht zum Normalfall werden dürfe und der Defizit- und Schuldenabbau in Zeiten der Hochkonjunktur gezielt angepackt werden muss.
Rot, Blau und Grün ignorieren dieses haushaltspolitische Gebot völlig. Ihr Ziel besteht darin, bei den Wahlen 2018 den völligen Schiffbruch zu vermeiden, und um dieses Minimalziel zu erreichen, ziehen Rot, Blau und Grün die Spendierhosen an. Sie verzichten, allen hehren Sprüchen zum Trotz, auf die Konsolidierung der Staatsfinanzen (den sprichwörtlichen „Apel fir den Duuscht“).
Verantwortungsbewusstes politisches Handeln sieht anders aus.
Marc Spautz,
Abgeordneter, CSV-Parteipräsident
Quelle: Lëtzebuerger Land (01/07/2016)