Die CSV hat neue Wege zur Meinungsbildung und Entscheidungsfindung definiert. Sie ermöglichen eine partizipative Diskussionskultur innerhalb der Volkspartei und bilden das Kernstück der Satzungsreform, die am 5. Dezember vom Kongress verabschiedet wurde.
Der neue Ansatz kommt ein erstes Mal zum Tragen, wenn es um die Überarbeitung unseres Grundsatzprogrammes geht. Der kommende Kongress im März soll ein neues Grundsatzprogramm beschließen. Die CSV will sich weiterhin als Volkspartei der „sozialen Mitte“ und als Europapartei definieren, heißt es einschränkend in der Resolution des Kongresses von Grevenmacher. Dabei soll das christliche Menschenbild als Leitfaden gelten. Auf dem christlichen Bild vom Menschen und den davon abgeleiteten Prinzipien Personalität, Solidarität und Subsidiarität gründet unsere christlich-soziale Politik. So trifft es sich gut, dass unser „Aggiornamento“ des Grundsatzprogramms mit dem 125. Jahrestag der Veröffentlichung von „Rerum Novarum“, der „Mutter aller Sozialenzykliken“ der katholischen Kirche, zusammenfällt. Mit „Rerum Novarum“ legte Papst Leo XIII. den Grundstein für die katholische Soziallehre und das Fundament für die spätere christliche Demokratie.
Das Grundsatzprogramm der CSV hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt und schöpfte nicht mehr ausschließlich aus katholischen Inspirationsquellen. Dennoch muss eine christlich-soziale Partei hellhörig werden, wenn aus Rom neue Impulse der Soziallehre ausgesendet werden.
Neue Impulse
Mit seiner Umwelt-Enzyklika „Laudato Si`” erregte Papst Franziskus Interesse über die katholische Gemeinschaft hinaus. Im Vorfeld der COP21-Konferenz in Paris sorgten seine klaren Aussagen zum Klimawandel für Aufmerksamkeit oder Verärgerung. Wie seine Vorgänger stellt er den Menschen in den Mittelpunkt seiner Überlegungen und ruft zu einer neuen Definition des Fortschritts auf. Franziskus plädiert für eine integrale oder „ganzheitliche Ökologie”. „Entscheidend ist es, ganzheitliche Lösungen zu suchen, welche die Wechselwirkungen der Natursysteme untereinander und mit den Sozialsystemen berücksichtigen. Es gibt nicht zwei Krisen nebeneinander, eine der Umwelt und eine der Gesellschaft, sondern eine einzige und komplexe sozio-ökologische Krise”, schreibt der Papst. Nur durch einen ganzheitlichen Zugang könne die Armut bekämpft, den Ausgeschlossenen ihre Würde zurückgegeben und sich zugleich um die Natur gekümmert werden.
Diese Erkenntnis mag manchen nicht revolutionär erscheinen. Auch Christdemokraten haben die „Bewahrung der Schöpfung” und die Erweiterung der Sozialen Marktwirtschaft um eine ökologische Komponente schon seit einigen Jahren im Programm. Franziskus ist auch nicht der erste Papst, der sich mit der ökologischen Herausforderung auseinandersetzt. Aber das Besondere an seinem Rundschreiben „an alle Menschen guten Willens” ist die allumfassende, tiefgründige und ethische Herangehensweise. Es reiche nicht mehr zu sagen, dass wir uns um die zukünftigen Generationen sorgen müssen. „Wir müssen uns bewusst werden, dass unsere eigene Würde auf dem Spiel steht”, mahnt der Papst und sieht deutlich eine Aufgabe der Politik. „Der politische und institutionelle Rahmen existiert nicht nur, um Missstände zu vermeiden, sondern um die besten Verhaltensweisen zu fördern und die Kreativität anzuregen, die neue Wege sucht, um die persönlichen und kollektiven Initiativen zu erleichtern.”
Dieser ganzheitliche Ansatz der Sozialenzyklika „Laudato Si`“ sollte das neue Grundsatzprogramm der CSV inspirieren. Und natürlich müssen die Prinzipien zur Richtschnur in der Sach- und Tagespolitik werden.
Laurent Zeimet
Abgeordneter und CSV-Generalsekretär