Eine starke industrielle Basis als Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung

Die Europäische Kommission fordert die 28 Mitgliedstaaten eindringlich auf, DEM Standbein Industrie eine erhöhte Bedeutung anzuerkennen, war dieser doch während Jahrzehnten ein Grundpfeiler für Wachstum und Beschäftigung. Bricht dieses Standbein weg, dann dürfte die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union stark leiden. Deshalb muss die Industriepolitik als vernetzende Querschnittsaufgabe angesehen werden. Die EU-Kommission hat diesbezüglich bereits mehrere Appelle an den EU-Ministerrat und an das Europäische Parlament gerichtet und konkrete Vorschläge in den Bereichen Verkehrswesen, Energieversorgung, Raumfahrt und digitale Kommunikationsnetze unterbreitet.

Außerdem muss die Modernisierung der Industrie durch Investitionen in die Innovation, die Ressourceneffizienz, die nachhaltige Energieversorgung und in neue Kompetenzen mit Vehemenz fortgesetzt werden. Die EU-Kommission hat vor einigen Jahren das Ziel erklärt, den Anteil der Industrie wieder auf 20 Prozent bis zum Jahr 2020 zu erhöhen, dies gegenüber den 18,5 Prozent zu Beginn des 21. Jahrtausends. Im Jahr 2009 betrug der Anteil des Industriestandbeines am BIP nur noch 14,8 Prozent, erhöhte sich auf 15,1 Prozent im Jahr 2013 – weit von den angepeilten 20 Prozent entfernt, insbesondere von den 27 Prozent im Jahr 1970. Es darf auch nicht verkannt werden, dass im verarbeitenden Gewerbe etwa 3,5 Millionen Arbeitsplätze seit dem Rezessionsjahr 2008 abgebaut wurden.

Die Gesellschaft steht vor der vierten industriellen Revolution

Damit dieser wichtige Prozess in der Europäischen Union durchgeführt werden kann, bedarf es jedoch der Aufbruchstimmung. Als ein wichtiges Kernelement muss die anstehende vierte industrielle Revolution als das zentrale strategische Ziel von Wirtschafts- und Industriepolitik angesehen werden. Gestützt auf „Cyber-Physical-System” werden nach Möglichkeit alle Elemente der Produktionsprozesse, die sie flankierenden Dienstleistungen und die verbindenden Logistikprozesse digital durchgängig miteinander  vernetzt – man redet von der Verschmelzung der materiellen Welt mit der digitalen Welt. Die adaptive Robotik, die Automatisierung, die modernen IKTechnologien sollen die Zusammenarbeit zwischen den Menschen und den Maschinen herstellen. An dieser Stelle möge man sich an den Film „Modern Times” von Charlie Chaplin erinnern, wo der „Mensch als ein Teil der Maschine“ dargestellt wurde.

Die ersten drei industriellen Revolutionen sind durch die folgenden Eckdaten gekennzeichnet. Die erste industrielle Revolution begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch die Entwicklung und die Einführung mechanischer Produktionsanlagen in England. Es standen damals die Wasserkraft und die Dampfmaschine als Antriebskräfte zur Verfügung. Die Verbesserung der Dampfmaschine durch den englischen Ingenieur James Watt spielte hier die herausragende Rolle. Mit der Einführung des ersten mechanischen Webstuhls im Jahr 1784 wurde diese industrielle Revolution eingeläutet. Die Dampfmaschine wurde ebenfalls zur gesteigerten Kohleförderung eingesetzt. Der Beginn des 19. Jahrhunderts war gekennzeichnet durch den Einsatz der Hochdruckdampfmaschine in der Eisenbahn und anderen Verkehrsmitteln. Mit der Zurverfügungstellung der elektrischen Energie in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wurde die technologische Entwicklung der Gesellschaft vorangetrieben und immer mehr Menschen wurden von der industriellen Revolution erfasst.

Die zweite industrielle Revolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts war gekennzeichnet durch die Einführung der arbeitsteiligen Massenproduktion. Die nunmehr zur Verfügung stehende elektrische Energie erlaubte die Produktion von Gütern außer in den Ballungsgebieten auch in den ländlichen Regionen. Ein wichtiges Element dieser Revolution war die Einführung der Fließbandarbeit u.a. bei der Produktion des Automobils Ford Modell T unter der Bezeichnung „Tin Lizzy“ bekannt. Der negative Aspekt der nun aufkommenden Massenproduktion war leider die Einführung der Akkordarbeit und die Ausbeutung der Arbeiterklasse.

Die dritte industrielle Revolution war geprägt durch die elektronische Rechenmaschine. Die Entwicklung des ersten vollautomatischen und frei programmierbaren Rechners Z3 durch Konrad Zuse. Dieser Zeitabschnitt der Technikgeschichte war vor allem durch den Einsatz der aufkommenden Elektronik und der Informationstechnik mit Blick auf die Automatisierung der Produktion gekennzeichnet. Die Erfindung des Mikrochips führte zur digitalen Revolution und im Gefolge wurde die Automatisierung noch flexibler. Die weltumspannenden Kommunikationssysteme erlaubten den permanenten Handel und führten letztendlich zum Schrumpfen der geographischen Grenzen.

Die Gesellschaft steht nunmehr vor der vierten industriellen Revolution, welche durch die Vernetzung von unterschiedlichen Bereichen u.a. die Kybernetik und die Logistik mittels der intelligenten Systeme geprägt ist. Die Produktionsanlagen, die Maschinen und die hergestellten Produkte werden stärker miteinander und übergreifend vernetzt, sodass die Prozesse in Echtzeit kommunizieren. Das Kernstück dieser industriellen Revolution stellt das “Cyber Physical System” dar, welches erlaubt, die Produkte von der lokalen Produktion bis hin zu allen Gebrauchsorten auf dem Planeten mittels der elektronischen Kennzeichnung zu verfolgen. Die klassische Hierarchie in der Produktion mit ihrer zentralen Steuerung wird durch diejenige ersetzt, welche sich durch die dezentrale Selbstorganisation auszeichnet. Die Befürworter sehen bereits die Vernetzung aller Prozesse in einem weltumspannenden System. Die Unternehmen weisen darauf hin, dass mehr Arbeitsplätze geschaffen werden als deren möglicherweise durch diese Prozesse verloren gehen. Als ein gravierender Nachteil muss man erkennen, dass verschiedene Arbeitsplätze, welche bisher mit Menschen geringer Qualifikation besetzt sind, verschwinden.

Die Deindustrialisierung gefährdet den Wohlstand

Wie bereits oben angeführt, gefährdet der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes in der Europäischen Union im Vergleich zu den aufstrebenden Schwellenländern den Lebensstandard der 520 Millionen EU-BürgerInnen, so das Ergebnis einer breit angelegten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Es wurde darauf hingewiesen, dass nur ein starkes und innovatives Industriestandbein die Voraussetzung zur Wiedererlangung von mehr Wettbewerbsfähigkeit darstellt. Um dieses ambitiöse Ziel zu erreichen, wurde verlangt, dass die Engpässe u.a. Steuern, Überregulierung und Energieversorgung, beseitigt werden müssen.

Auch Luxemburg muss sich in diesen Reindustrialisierungsprozess einbringen, denn der Anteil der Industrie hat sich seit den 1970er Jahren dramatisch verringert. Allein die Zahl der Beschäftigten in der Eisen- und Stahlindustrie hat sich von 29.000 auf etwa 4.000 Mitarbeiter verringert. Zusätzlich verschwanden auch viele Zulieferunternehmen und der Bergbau wurde völlig eingestellt.

Lobenswerter Weise muss jedoch hervorgehoben werden, dass die Diversifizierung der luxemburgischen Wirtschaft seit der Stahlkrise im Jahr 1975 viele innovative Unternehmen in das Land gebracht hat. Ebenfalls wurde die Forschungslandschaft durch die Schaffung von Forschungszentren sowie der Gründung der Universität Luxemburg völlig neu aufgestellt. Diese Erfolgsstory lässt sich zeigen und die Zahl der eingereichten Patente, die steigende Studentenzahl und die der verliehenen Doktortitel unterstreichen auf eine eklatante Weise den Willen der Verantwortlichen. Die Industrieunternehmen haben ebenfalls hervorragende Ergebnisse vorzuweisen und dies in enger Zusammenarbeit mit den erstgenannten Lehr- und Forschungspartnern.

Auch wenn hier Erfolge ausgewiesen werden, so darf nicht verschwiegen werden, dass die Bruttoinlandsausgaben für Forschung & Entwicklung nur noch bei mageren 1,16 Prozent des BIP im Jahr 2012 lagen, weit unter dem EU-Durchschnitt von 2,01 Prozent. Deutschland, Frankreich und Belgien, unsere direkten Wirtschaftspartner, gaben im selben Jahr zwischen 2,2 und 2,8 Prozent des BIP aus. Hält man sich das 3 Prozent Ziel der Europäischen Kommission vor Augen, so liegt noch ein erhebliches Stück Arbeit vor, dies vor allem, weil sich der Anteil für die Forschung & Entwicklung im Privatbereich noch weiter verringert.

Umso befremdend die Nachricht, dass Luxemburg den Ökonomen Jeremy Rifkin für die Erstellung einer Studie über die Zukunft des Standortes Luxemburg beauftragt hat, dies im Gegenwert von 450.000 Euro. Was mich jedoch stört, dass Jeremy Rifkin von der dritten industriellen Revolution spricht, die vierte industrielle Revolution bereits ihre langen Schatten vorauswirft.

Was mögen die Wissenschaftler und Ingenieure in den verschiedenen Forschungsabteilungen angesichts dieser Nachricht gedacht haben? Wird ihnen unterstellt weder über Pläne und Ideen noch über Visionen zu verfügen, um Luxemburg in das digitale Zeitalter zu führen? Wurden wird denn nicht Zeugen von hervorragenden Resultaten in den Bereichen: Automobilindustrie, Satellitentechnik und Informations- & Kommunikationstechnologien? Es ist die Aufgabe der Politik, die Partner in den Unternehmen zu unterstützen, damit einerseits das benötigte Wissen in die Produktionsunternehmen kommt und andererseits die Prozesse optimiert, für mich nach nachhaltigen Kriterien ausgerichtet werden. Ausstaffiert mit diesen „intelligenten Werkstücken“ entwickelt sich unser Land zu einem lebendigen Labor. Es bedarf der Zusammenarbeit mit den Menschen, die das Land gut kennen und sich seit Jahr bemühen, wertvolle Arbeit zu verrichten und neue Arbeitsplätze schaffen.

Es bedarf dazu nicht Jeremy Rifkin, denn ich bezweifle, dass mit den, möglicherweise gut gemeinten theoretischen Lehrsätzen, das Modell Luxemburg nicht vorwärts gebracht wird.

Schlussgedanken

Die wohl wichtigste Frage, die sich zu Beginn der vierten industriellen Revolution stellt, behandelt das Verhältnis zwischen den Menschen und der Technik. Die Rolle des Menschen am Arbeitsplatz muss aufgewertet werden und dies durch eine höhere fachliche Qualifikation und eine permanente lebensbegleitende Weiterbildung.

Die Politik ist deshalb aufgerufen, die richtigen Rahmenbedingungen für die innovativen Unternehmen zu schaffen, damit sie mit Kreativität in diese vierte industrielle Revolution einsteigen.

Mit ihrem Dynamismus werden sie die Europäische Union und auch Luxemburg auf den Weltmarkt mit hohen Anteilen an Digitalisierung wieder sichtbar machen. Dank der erhöhten effizienten und intelligenten Flexibilisierung erhält die Europäische Union die Möglichkeit, ihre Rolle im Welthandel mit Vehemenz zu verteidigen.