Laut Umfrage erwarten sich nur 23 Prozent der CSV-Wähler von Politikern eine „christliche Weltsicht“. In der Gesamtwählerschaft sind es 17 Prozent. Die politischen Erwartungen halten mit der Säkularisierung der Gesellschaft Schritt. Eine demoskopische Feststellung, die nicht wirklich überrascht. Die Wähler verlangen nicht nach politischen Gotteskriegern oder katholischen Kreuzzüglern.
Man könnte also zum Schluss kommen, das C im Parteinamen zu tragen, wäre eine Belastung. Schon der kürzlich verstorbene Richard von Weizsäcker hatte seiner CDU einst bescheinigt, das C biete „keine höheren Wahlchancen, sondern allenfalls Angriffsflächen“. Die Frage nach der Berechtigung des C ist also keine neue Frage.
Während sich die Menschen keine christliche Weltsicht von ihren Politikern erwarten, sind ihnen doch Werte wichtig, die mit christlich-sozialen Grundsätzen durchaus vereinbar, wenn nicht sogar deckungsgleich sind: Freiheit, Familie, soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte… Ist dies ein Widerspruch ? Nicht unbedingt. Auch Liberale, Sozialisten und Grüne lehnen diese Grundwerte nicht gänzlich ab. Das spezifisch Christliche bei Christlich-Sozialen ist nicht ein katholischer Kadavergehorsam, sondern das Bekenntnis zum christlichen Menschenbild. Der Mensch steht im Mittelpunkt. Jeder Einzelne gilt als einzigartige Persönlichkeit. Wir urteilen nicht nach Geschlecht, Orientierung, Nationalität, Hautfarbe, Religion, Beruf oder Rang, Schwächen oder Stärken. Wir glauben daran, dass jeder eine Aufgabe für das Gemeinwohl, die Gesellschaft übernehmen muss. Wir glauben aber auch daran, dass er diese Aufgabe frei und selbstverantwortlich übernehmen muss. Wir lehnen ein Diktat des Staates ab. Somit unterscheiden wir uns von Liberalen und Sozialisten und siedeln uns in der Mitte des Spektrums an. Wir Christlich-Sozialen sind die Mitte.
Gegen das C werden immer wieder die Greuel angeführt, die im Namen der Kirche und des Glaubens in 2000 Jahren Weltgeschichte verübt wurden. Der wahre Kern der Botschaft von Jesus von Nazareth konnte dadurch aber nie widerlegt werden. Die Bergpredigt ist eine Kraft des Guten, die das Gute schafft. Der Mensch kann sich aber immer zum Handwerkszeug des Bösen machen lassen.
Keine politische Denkschule – ob Christdemokratie, Konservatismus, Liberalismus, Kommunismus, Sozialismus oder Ökologie – war in Vergangenheit und Gegenwart gegen einen Missbrauch vollends gewappnet. Die Christdemokratie bietet eine Weltanschauung und somit eine Orientierung für jeden Einzelnen. Wir müssen die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen.
Ich kann nicht erkennen, dass die Umfragen einen Abschied des C aus Namen und Programm der CSV nahe legen. Selbst wenn die christliche Weltsicht der Politiker den Wählern nicht so wichtig ist, so stören sie sich jedoch nicht am christlichen Anspruch der CSV, anders wäre es kaum zu verstehen, dass 53 Prozent der Wähler sich vorstellen können, christlich-sozialen Kandidaten ihre Stimme zu geben.
Mein Fazit: Die Definition des C, die der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler vor 25 Jahren niederschrieb, hat noch immer Schlagkraft: „Das C ist in einer weitgehend säkularisierten Welt das, was es von Anfang an war: Provokation, Ärgernis; es ist unbequem, Herausforderung, Stein des Anstoßes. Aber es ist auch, wie schon immer, Signal in einer Zeit des Wertewandels, Hoffnung in einer angsterfüllten Zeit, Maßstab in einer Zeit grenzenloser Freiheit, menschliches Gegengewicht zu einer entfesselten Technik und Wissenschaft.“
Laurent ZEIMET
CSV-Generalsekretär
Quelle: “Zu Gast” im Land (20/02/2015)