Das innovationsfreundliche Klima wird benötigt
Prof. Dr.-Ing. Marcel Oberweis
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts erfassten umfangreiche gesellschaftliche, wirtschaftliche und technische Veränderungen die Industriegesellschaft, vergleichbar mit dem Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft vor mehr als zwei Jahrhunderten. Diese Veränderungen werden von der Wissensgesellschaft geprägt, in welcher das Wissen und die Informationen die Quellen von Produktivität und Wachstum darstellen.
Es sei an die Strategie Europa 2020 der Europäischen Kommission erinnert, welche am 3. März 2010 veröffentlicht wurde. Sie stellte die logische Folge der Lissabon-Strategie dar, laut welcher die wirtschaftlichen Schwächen in der Europäischen Union langfristig überwunden werden sollten. Zwei eindeutige Ziele sollten erreicht werden: die Wirtschaft ankurbeln und neue Arbeitsplätze schaffen.
Auch wenn weiterhin ein schwieriges Wirtschaftsklima vorherrscht, so lassen sich doch strukturelle positive Tendenzen erkennen u.a. die Steigerung der Bildungsniveaus, der Ausbau der nachhaltigen und dezentral angelegten Energieversorgung mit erneuerbaren Energien, die Verringerung der Kohlenstoffintensität. Vor allem wurden Anstrengungen unternommen, die Investitionen in die Forschung und die Innovation erheblich zu steigern. Dies gemäß der Forderung, dass das intelligente Wachstum auf Wissen gestützt ist und das nachhaltige Wachstum die Förderung einer ressourcenschonenden Wirtschaft voraussetzt.
Es ist jedoch eine unbestreitbare Voraussetzung, dass der Bildung eine Schlüsselfunktion in der Wissensgesellschaft zufällt. Demzufolge lebt die Wissensgesellschaft von Menschen, die mit Kreativität in den unterschiedlichsten Funktionsbereichen ihre Fähigkeiten und Kenntnisse einbringen. In der nachindustriellen Gesellschaft besitzt das Wissen einen hohen Stellenwert, bildet es doch die Brücke zwischen der Wissenschaft und der Technologie. Die breit angelegte Ausbildung und der Wille zum lebensbegleitenden Lernen sind die Kernpunkte. Die Europäische Kommission stützt dieses Vorhaben mit der Vision, die Europäische Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum bis zum Jahr 2020 zu machen.
Des Weiteren: aus der Sicht der Europäischen Union und der OECD sind jene Länder besser für die kommenden Herausforderungen der Wissensgesellschaft gerüstet, in denen größere Anteile der Jugendlichen die allgemeine Hochschulbildung besitzen und darüber hinaus ihre Hochschulbildung abschließen. Zusätzlich lässt sich nicht mehr abstreiten, dass das Wissen mittlerweile universell ist, beständig wird neues Wissen auf dem globalen Parkett „erzeugt“ und durch die elektronischen Medien weltweit angeboten.
Die Wissensgesellschaft verlangt Begeisterung für die Technik
Wenn wir die Gesellschaft mit niedrigen Kohlendioxidemissionen, mit mehr sanfter Mobilität, mit mehr Einsatz der erneuerbaren Energien, mit mehr Biodiversitätsschutz und mit mehr Schutz der Umwelt aufbauen möchten, dann kann dies nur durch innovative Produkte und intelligente Dienstleistungen erreicht werden. Wir werden wohl den Quantensprung in den kommenden Jahren wagen müssen – wenn wir auf dem globalen Wirtschaftsparkett mithalten wollen. Leider breitet sich ein Desinteresse für die technischen Berufe in den westlichen Ländern aus, sodass viele Unternehmen händeringend auf den erheblichen Mangel an Facharbeitern, Ingenieuren und Wissenschaftlern hinweisen. Hier muss dringend Remedur geschaffen werden.
Es wäre jedoch ein fataler Fehler, den Wandel zur Wissensgesellschaft als einen Abschied aus der Industriegesellschaft zu interpretieren. Dies wäre töricht, denn die Industrie muss die Basis der gesellschaftlichen Arbeit bleiben. Wir werden weiterhin u.a. Elektrostahlwerke, Erdölplattformen, offshore-Windparks, Brücken, Türme, Flugzeuge, Züge, LKW und Schiffe konstruieren. Als Beispiel möchte ich die Energiewirtschaft zitieren, welche derzeit eine technische Revolution durchläuft. Die Forschungsarbeiten und die sich daraus ergebenden Innovationen werden den weltweiten Energieverbrauch verringern, dies angesichts der Gefahren durch den Klimawandel.
Die enge Kooperation zwischen der Wirtschaft und der Universität sowie zwischen der Lehre und der Forschung stellen wichtige Bausteine in der Wissensgesellschaft dar. Es mögen hier die digitale Wirtschaft, die innovative Arbeitswelt, das nachhaltige Wirtschaften, das gesunde Leben, die intelligente Mobilität & die Logistik, die Medien & die IKTechnologien sowie die vernetzte Energiewirtschaft angeführt werden. Durch die länderübergreifende Kooperation wird die Innovationsstrategie vertieft und der Wissens- und Technologietransfer koordiniert.
Kluge hochmotivierte Köpfe und international agierende innovativfreudige Unternehmen stellen die Garanten dar, dass die Europäische Union ihre Rolle in der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts weiterhin übernehmen kann. Die Bildungspolitik in einem Guss von der Früherziehung bis zur Universität, entscheidet letztendlich darüber, ob es uns gemeinsam gelingt, die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit mit der nötigen Standfestigkeit „zu stemmen“.