Es gehört zur politischen Räson, dass Parteien ihre Standpunkte neu ausrichten, wenn sie aus der Opposition in die Regierung wechseln. Nicht zuletzt, weil sie sich im Regelfall in einer Koalition mit einem Partner einigen und, wie es so schön heißt, Wasser in ihren Wein schütten müssen.
Koalitionsverhandlungen zu führen und danach einen Koalitionsvertrag abzuschliessen, bedeutet Abstriche an seinen politischen Positionen und Standpunkten vorzunehmen und Kompromisse einzugehen.
Die Liberalen haben in ihrer Oppositionszeit stets vor einer angeblichen Steuerbombe gewarnt, die CSV und LSAP zünden wollten. Steuererhöhungen, so erklärte es DP-Präsident Xavier Bettel immer und immer wieder, dürften nur das allerletzte politische Mittel sein. Zuerst müsse gescreent und gespart werden. Gemeinsam mit Claude Meisch sorgte sich Bettel um die Mittelschicht, die zu stark belastet würde. Das war vor dem Regierungsantritt der DP.
Heute sieht die Welt natürlich ganz anders aus. Die Liberalen stehen für eine Erhöhung der TVA und finden Sonderabgaben für Familien gut. Noch ehe gescreent und gespart werden konnte, werden Steuererhöhungen angekündigt und sickern neue Abgaben durch.
Wie gesagt, Parteien können durch die Regierungsverantwortung gezwungen sein, ihre Standpunkte anzupassen und ihre politischen Positionen neu zu definieren. Aber wenn eine Partei eine Kehrtwende um 180 Grad vornimmt, sollte sie diese zumindest argumentieren und den Bürgerinnen und Bürgern ausführlich erläutern. Oder zugeben, dass sie in der Vergangenheit den Bogen vielleicht überspannte und komplexe Problemlagen verkürzt darstellte. Das könnten die Menschen vielleicht eher nachvollziehen als die gespielte Empörung und Schönrederei des Xavier Bettel.
Laurent Zeimet
Generalsekretär