Weiter aufgeschoben

In den vergangenen Wochen wurden hohe Erwartungen geschürt, was die Rede zur Lage der Nation angeht. Doch diese hohen Erwartungen blieben unerfüllt. Auch nach der Rede zur Lage der Nation bleiben die Konturen der zukünftigen Regierungspolitik über weite Strecken im Unklaren.

Schade! Wieder hat die Regierung eine Chance verpasst. Dabei ist sie mit den höchsten Ansprüchen angetreten, um in Windeseile das Land völlig umzukrempeln.Doch statt konkreter und zügiger Maßnahmen wird weiter vertröstet. Wie nach der Regierungserklärung vom 10. Dezember 2013. Wie nach der Präsentation des Haushaltsentwurfs für das laufende Jahr. Präzise und konkrete Festlegungen sind nur dort in Erfahrung zu bringen, wo die Regierung an die Arbeit ihrer Vorgängerin anknüpft.

Ratlosigkeit

Nichts Neues demnach, was die Gestaltung der Finanzpolitik angeht, sieht man einmal davon ab, dass nach einem völlig intransparenten Hin und Her bei der Mehrwertsteuererhöhung jetzt das Datum und die Ausgestaltung feststehen. Wo ab 2015 konkret gespart werden soll, verrät die Regierung freilich nicht. Langsam, jedoch sicher erweckt sie den Eindruck, bei der entscheidenden Frage der zukünftigen Haushaltspolitik vor allem deshalb nichts zu verraten, weil sie ratlos ist. Ein Eindruck, der sich nach der Rede zur Lage der Nation weiter verstärkt hat.

Bei den Familienzulagen wird ein Paradigmenwechsel angekündigt. Über die Umrisse dieser grundsätzlichen Neuausrichtung gibt es indes nur vage Andeutungen, die allerdings viel Interpretationsspielraum zulassen. Vor allem die Familienpolitik ist und bleibt ein komplexes Präzisionswerk. Es genügt nicht an einer Stellschraube zu drehen. Stattdessen müssen andere Fragen parallel mitbedacht und mitbehandelt werden, wie z.B. die Besteuerung der Privathaushalte, das Angebot und die Finanzierung von Betreuungsplätzen. Welche Zusammenhänge die Regierung bei diesen Fragen sieht, ob sie überhaupt welche sieht, darüber hat es in der Rede zur Lage der Nation keinerlei Auskunft gegeben!

Auch bei der Bekämpfung der wachsenden Arbeitslosigkeit wirkt die Regierung vor allem ratlos.

Was es braucht zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, sind weitere Maßnahmen, die auf die besonders gefährdeten sozialen Gruppen zugeschnitten sind. Mehr praxisorientierte Qualifikationsmöglichkeiten in den Betrieben oder der berufliche Wiedereinstieg müssen unterstützt werden. Was es parallel dazu ebenso braucht, sind ausreichend Arbeitsplätze in einer diversifizierten und breit aufgestellten Wirtschaft.

Ohne Orientierung

Beschäftigung und Wirtschaft sind die zwei Seiten der Medaille. Das müsste den beiden Hausherrn im Arbeitsministerium und im Wirtschaftsministerium eigentlich bekannt sein. Beide sind keine Neulinge, und sie hatten ihre Ämter bereits inne vor den Wahlen vom 20. Oktober 2013. Trotzdem ist aus der Rede zur Lage der Nation auch nicht nur ansatzweise hervorgegangen, wie die Regierung und die beiden besonders involvierten Regierungsmitglieder die Vernetzung zwischen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik bewirken wollen.

Sicher, auch die vorherigen Regierungen haben nicht alles richtig gemacht. Doch sie sind nicht auf einem solch hohen Ross dahergekommen wie die aktuelle Regierung, die gerne den Anschein erweckt hat, quasi aus dem Stegreif jedes Problem lösen zu können.

Rot, Blau und Grün werden jetzt von der Realität eingeholt. Doch statt sich dieser zu stellen, wird vorerst weiter, so wie in der Rede zur Lage der Nation, verklausuliert, beschönigt und verschleiert, in einem Wort: Es wird weiter aufgeschoben. Fragt sich nur, wie lange noch!

Marc Spautz
Abgeordneter und CSV-Präsident