Europäische Union: Die Energiepolitik und der Klimaschutz im Mittelpunkt

Europäische Union: Die Energiepolitik und der Klimaschutz im Mittelpunkt

Dr.-Ing. Marcel Oberweis

Mit ihrem Beschluss zu einer engagierten Energie- und Klimapolitik hat die Europäische Union seit dem Jahr 2007 eine Vorreiterrolle bezüglich der Bekämpfung des Klimawandels auf der Weltebene übernommen. Darf ich hier einflechten, dass die Erkenntnisse der Wissenschaft zum fortschreitenden Klimawandel alarmierend sind und die schleichenden Konsequenzen in vielen Gegenden der Welt bereits auf dramatische Weise spürbar werden. Insbesondere bei den Menschen, die nur wenig zum Klimawandel beigetragen haben.

Die Bemühungen der vergangenen Jahre, unterstützt durch die 3 x 20 Prozent – Strategie, brachten mit sich, dass die Europäische Union nur noch für 11 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen verantwortlich zeichnet. Insbesondere wurde die Energieversorgung wettbewerbsfähiger und sicherer wird und wurde vermehrt nach umweltschützerischen Kriterien ausgerichtet. Auch wenn kritische Bemerkungen über die dezentrale erneuerbare Energieerzeugung fallen, so kann nicht bestritten werden, dass durch diese Hunderttausende neue Arbeitsplätze geschaffen wurden.

Es möge des Weiteren hervorgehoben werden, dass die EU für die Entwicklungsländer den ausgewählten Gesprächspartner für die Gestaltung der nachhaltigen Entwicklung in Richtung weltweiter Gerechtigkeit und Schutz der Biodiversität darstellt.

Ausrichtung der EU- Klimapolitik: kritisch hinterfragt

Mittlerweile hat die Debatte, ausgehend von der Europäischen Kommission auch das Europäische Parlament erreicht. Es steht die Frage im Raum, wie der Rahmen für die Energie- und Umweltpolitik für den Zeitpunkt 2020 und darüber hinaus aufgespannt werden soll. Die Verhandlungen werden sich als schwierig erweisen, gilt es doch, die 28 EU-Mitgliedsstaaten, welche ihrerseits argwöhnisch auf ihre nationale Energiepolitik bedacht sind, in diesen Prozess einzubinden.

Falls sich die nun verfolgte Politik seitens der EU-Kommission durchsetzt, dann werden wir Abschied vom gewünschten europäischen Binnenmarkt für Energie nehmen müssen. Sollte denn nicht durch die Schaffung des europäischen Energiebinnenmarktes eine umwelt- und klimaverträgliche Energieversorgung erreicht werden? Vor allem sollte erreicht werden, dass die dezentral erzeugte elektrische erneuerbare Energie, welche zusätzlich noch der Fluktuation unterworfen ist, in den räumlich größeren Markt für elektrische Energie eingebunden werden. Die Energietransition verlangt demzufolge, dass mit zunehmender fluktuierender elektrischer erneuerbarer Energie die Speicherung derselben schneller voranschreiten und die Bereitstellung von gesicherter Kraftwerksleistung über die konventionellen Kraftwerke abgewickelt werden muss.

In diesem Sinne hatte man sich ebenfalls darauf geeinigt, die Vernetzung der nationalen Übertragungsnetze im Rahmen des Programms: Transeuropäische Netze Energie durchzuführen, um mittel- bis langfristig ein EU-Supernetz aufzubauen. Dieses Netz, beruhend auf den offshore-Windenergieanlagen, den großflächigen Solaranlagen, den Biomasseanlagen und den dezentral angeordneten Speicheranlagen, kann für den grenzübergreifenden Handel der elektrischen Energie sorgen.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien soll gemäß der EU-Kommission flexibler gestaltet werden, d.h. die Energiepolitik soll im Kompetenzbereich der einzelnen EU-Staaten verbleiben – man nimmt Abstand von verbindlichen Zielen. Die Vorgabe von 30 Prozent erneuerbare Energien im Gesamtenergieverbrauch bis zum Jahr 2030 gilt für die Europäische Union insgesamt, welchen Teil davon das einzelne Mitgliedsland beisteuert, wird jedoch nicht geregelt.

Dies bringt mit sich, dass die Nuklearenergie, wohlwissend um die problematische und nicht ungefährliche Lagerung der abgebrannten Brennstäbe sowie die Gewinnung von Ölschiefer durch das Fracking mit seinen ungelösten Fragen, wieder Aufwind bekommen. Wenn die Energiepolitik jedoch einen nachhaltigen Sinn haben soll, dann müssen wir uns langsam aber sicher von den Nuklearkraftwerken und den emissionsgeladenen Braunkohlenkraftwerken verabschieden.

Nur wenn der Aufbau des hier beschriebenen Gesamtsystems gelingt, kann der Energiebinnenmarkt nach nachhaltigen und energiewirtschaftlichen Bedingungen funktionieren. Diese Maßnahmen bedingen den forcierten Ausbau von Tausenden km Übertragungsleitungen von den Erzeugungsstandorten hin zu den Verbrauchern und dies über die nationalen Grenzen hinweg. Die Investitionskosten für deren Errichtung werden auf 40 Milliarden Euro allein für Deutschland und mehrere Hundert Milliarden Euro für die Europäische Union in den kommenden Jahren geschätzt.

 Die Kehrtwendung der Europäischen Kommission

Die nun vorgelegte Energie- und Klimapolitik wird die bisher gültigen EU-Ziele nicht erreichen. Die Treibhausgasemissionen sollen um maximal 40 Prozent im Jahr 2030 gegenüber dem Referenzjahr 1900 vermindert werden, derweil die Energieeffizienz um 40 Prozent erhöht werden soll. Es war jedoch vereinbart worden, die Treibhausgasemissionen um 80 Prozent bis zum Jahr 2050 gegenüber dem Referenzjahr 1990 zu vermindern. Wir werden den kommenden Generationen eine noch höhere Anstrengung aufbürden, einerseits um  das Ziel der 2 Grad-Begrenzung zu erreichen und andererseits die noch verbleibenden 40 Prozente bis zum Jahr 2050 zu reduzieren.

Das im Rahmen der EU-Klimaschutzstrategie eingeführte System des Emissionszertifikatehandels (ETS) im Jahr 2005 hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung verloren. Obschon sich die dritte Phase sehr stark von den beiden vorherigen Phasen unterscheidet, verringerte sich der Preis pro Zertifikat auf nahezu 3 bis 5 Euro. Die  Kohlekraftwerke emittieren nunmehr erhöhte Mengen an CO2 und unterhöhlen die geplante wertvolle Initiative der Verbesserung der Luftqualität in der Europäischen Union. Wie ist dieser Missstand mit der rezenten Kommunikation KOM (2013) 918 hinsichtlich des Programms „Saubere Luft für Europa“ der Europäischen Kommission in Einklang zu bringen?

In diesem Zusammenhang wird vielfach von den Industrieunternehmen gedroht, man müsse die energieintensiven Betriebe aus der Europäischen Union aus Wettbewerbsgründen auslagern. Dem muss man entgegenhalten, dass mittlerweile China seine „Emissionsschleudern“ reihenweise abwrackt und moderne und saubere Kraftwerke und Unternehmen fördert, ganz nach dem Motto, auch über China möge der blaue Himmel scheinen.

Die EU-Kommission hat wohl beschlossen, 900 Millionen Tonnen CO2 aus dem Markt zu nehmen, dies angesichts der Tatsache, dass dieser mit billigen Verschmutzungsrechten zurzeit überschwemmt wird. Der aktuelle Preis pro Tonne CO2 stellt keineswegs einen Anreiz für den effizienteren Energieverbrauch und somit die Verminderung der Treibhausgasemissionen. Dass der Emissionshandel finanziell eine „goldene Kuh“ darstellt, lässt sich am Beispiel von Arcelor-Mittal bezüglich der CO2-Emissionen des Schifflinger Werkes ablesen.

 Schlussfolgerungen

Für mich stellen die von der EU-Kommission „kurz vor Toresschluss“ vorgestellten Energie- und Klimaziele den Stillstand der bisherigen europäischen Anstrengungen dar, welche viele Mitbürger/innen nicht teilen. Ich hätte mir an der Schwelle des Jahres 2015, in welchem wir die Umsetzung der 8 Millenniumsziele hinterfragen müssen, eine ambitiösere Politik mit nachvollziehbaren eindeutigen Zielvorgaben gewünscht. Wo bleibt der „grüne touch“ der europäischen Politik?

Die Energietransition ist nicht nur eine umweltpolitische Notwendigkeit, sondern sie bietet uns die Chance, die Europäische Union wettbewerbsfähig auf dem globalisierten Parkett zu halten. Wir müssen erkennen, dass die Nutzung der erneuerbaren Energien langfristig billiger wird und wenn die Klimafolgen und die Klimaschäden mit eingerechnet werden, dann erst recht.

Die nachhaltige Entwicklung hin zur karbonfreien Wissensgesellschaft ist die einzige Option für ein verantwortliches Handeln mit Bezug auf den Energiebinnenmarkt, welcher die Energieversorgung nachhaltig und sicher gestaltet sowie die Ökosysteme und Lebensressourcen schützt.

Welche „traurige“ Vorstellung wird die Europäische Union anlässlich des UN-Umweltgipfels in Lima im Dezember 2014 liefern? Welche Ziele sollen denn anlässlich der Klimakonferenz in Paris (Dezember 2015) während der EU-Präsidentschaft Luxemburgs angepeilt werden?

Die Europäische Union sollte ihre zögerliche Haltung einstellen und mit Mut ein Vorbild werden – sie soll zum  Leuchtturm werden, der in der ungerechten Welt für mehr Licht sorgt.