Es fehlen die Fachkräfte für den wirtschaftlichen Aufschwung

Eine wichtige Voraussetzung für das wirtschaftliche Wachstum unter Berücksichtigung der nachhaltigen Entwicklung stellen die Forschung & Innovation sowie das Vorhandensein von Fachkräften dar. Die Industriebetrieb, die Klein- und Mittelunternehmen sowie der Dienstleistungsbereich erleben gegenwärtig Veränderungen sowohl auf der wirtschaftlichen als auch der sozialen Ebene.In den Forschungsstätten,  den Industrie- und den Dienstleistungsunternehmen sowie den Handwerksbetrieben herrscht ein eklatanter Mangel an qualifizierten Arbeitsplätzen. Es werden Techniker, Handwerker, Ingenieure und Wissenschaftler händeringend gesucht. Laut der Deutschen Bundesagentur für Arbeit werden etwa 240.000 Ingenieure bis zum Jahre 2020 in der deutschen Wirtschaft fehlen.  Der Mangel an IT-Fachkräften entwickelt sich mehr und mehr zu einem Hindernis für das Wachstum zu entwickeln. Hunderttausende IT-Stellen in der Europäischen Union können nicht besetzt werden und dieser wichtige Zweig der Wirtschaft gerät ins Hintertreffen gegenüber den aufstrebenden Schwellenländern. In Luxemburg werden zurzeit fast 3000 IT-Fachkräfte gesucht.

Die Ursachen dieses Fachkräftemangels sind vielschichtig u.a. die sich abzeichnende Schieflage in der Ausbildung von jungen Menschen in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) und die rückläufige  demographische Entwicklung. In den MINT-Schlüsselqualifikationen herrscht derzeit ein eklatanter Mangel von mehreren Hunderttausend Fachkräften in der EU und die zweite Entwicklung wird die Problematik weiter verschärfen. Die verstärkte Zuwanderung ausländischer Fachkräfte aus den wirtschaftlich schwächelnden südeuropäischen EU-Staaten kann wohl kurz- bis mittelfristig eine Abhilfe bieten. Sobald diese jedoch erstarken, werden diese Facharbeiter in ihre Heimatländer begeben. Dieser Mangel wird zu geringerer Produktivität führen und der Anteil am Weltmarkt der Europäischen Union schrumpft beständig. Es zeigt sich in einem verstärkten Maß, dass die Experten aus den MINT-Disziplinen (Mathematik, Informatik, Nachrichten und Technik) fehlen.

Der Bau von Infrastrukturen, die Entwicklung von neuen Technologien und die Herstellung von hochwertigen dauerhaften Produkten leiden unter diesem Mangel. Zu hoffen, die aktuelle Zuwanderung von intelligenten Mitarbeitern aus den Schwellenländern könnte Abhilfe schaffen, wird sich als Trugschluss erweisen. Wie sollen wir die Herausforderungen des Klimawandels und die schleichende Überalterung unserer Gesellschaft meistern, wenn die qualifizierten Mitarbeiter nicht vorhanden sind.

Als akutes Problem stellt sich ohne Zweifel die nicht ausgewogene Alterspyramide in den Industrieländern dar. Diese sehen sich zusehends dem massiven technologischen Anpassungsdruck seitens der aufstrebenden Schwellenländer ausgesetzt. Seit der Jahrtausendwende treten diese in einem verstärkten Maß als Anbieter von Hochtechnologien u.a. Eisenbahnen, Raumfahrt, Supertanker, Flugzeugen, Elektroautomobilen, Informations- und Telekommunikationstechnologien sowie Energieversorgung auf dem Weltmarkt auf.

In diesem Zusammenhang ist es nicht unwichtig darauf hinzuweisen, dass der Beitrag der verarbeitenden Industrie zur Wirtschaftsleistung in der Europäischen Union nur noch 15,1 Prozent im Jahr 2013 betrug. In Frankreich belief sich der Anteil auf 12 Prozent, in Deutschland auf 20 Prozent und in Luxemburg auf etwa 7 Prozent. Mit diesen 15,1 Prozent ist die Europäische Union weit vom gesteckten Ziel der 20 Prozent für das Jahr 2020 entfernt. Vom Beginn der Krise im Herbst 2008 bis heute gingen mehrere Millionen Arbeitsplätze verloren und die aufgelegten Sparprogramme lassen keine Hoffnung wachsen.

Die Gründe für die schleichende Desindustrialisierung der Europäischen Union sind die fehlenden Investitionen, die unsichere Energieversorgung  durch das Nichtvorhandensein des europäischen Energiebinnenmarktes, das Erstarken der Schwellenländer und wie angedeutet, die fehlenden gut ausgebildeten Fachkräfte in den dominierenden Wirtschaftszweigen – der Industriestandort Europa verliert an weltweiter Bedeutung.

Die mangelnde Anerkennung der technischen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse und die Technikfeindlichkeit weiter Kreise der Gesellschaft haben außerdem zu diesem Missstand beigetragen. Bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass sich die Unternehmen diese Misere selbst eingebrockt haben. Viele haben sich nur oberflächlich mit dem Themenkreis beschäftigt und schlicht vergessen, ihre Mitarbeiter auf die technologischen Umbrüche vorzubereiten. Obwohl die Automatisierung seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den IT-Technologien ihren Einzug gehalten und die betrieblichen Prozesse revolutioniert  hat, wurden die Ausbildungsprofile nur sehr gering an diese neue Welt angepasst.

Um diesen Negativtrend zu stoppen, hatte die Europäische Kommission die Initiative für den „Industriellen Vertrag für Wachstum“ im August 2013 ins Leben gerufen. In den Vereinigten Staaten von Amerika hat der Aufstieg Chinas auf dem Weltparkett wohl einen Schock ausgelöst aber der Beweis, dass sich mittlerweile neue Betriebe dort ansiedeln, beweist einen kommenden „new deal“, wohl unterstützt durch die billige aber keineswegs nachhaltige  Energieversorgung.

Auch wenn die Eurostat-Zahlen nunmehr einen leichten Hoffnungsschimmer erkennen lassen, so ist die Europäische Union noch sehr weit von dem Vorkrisenniveau entfernt. Antonio Tajana, EU-Kommissar für Industrie, meinte diesbezüglich: „Wir befinden uns das zweite Mal in der Rezession. Obwohl der Absturz nicht so schlimm ist wie 2009, besteht langfristig das Risiko einer Stagnation der europäischen Industrie.“ Der europäische Rat wird sich mit diesem brisanten Themenkreis in seiner Sitzung von Februar 2014 eingehend beschäftigen und erwartet anschließend die benötigte Initialzündung für die Stärkung des Wachstums und der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. Ein dynamischer Prozess der vor allem auch den KMUn einen wichtigen Impuls einflössen wird.

        Der Innovationsprozess bedarf gut ausgebildeter Fachkräfte

Damit sich die Europäische Union auf den sich ändernden Weltmarkt einstellen kann, müssen alle Akteure über den Innovations- und Wachstumsprozess informiert und entsprechend ihrer Qualifikation integriert werden. Eine Voraussetzung zur Wettbewerbsfähigkeit besteht in der Forschung & Innovation. Deshalb wird verlangt, dass jedes EU-Mitgliedsland mindestens 3 Prozent des Bruttoinlandproduktes in diesen vernetzten Bereich investiert.

Die gewonnenen wissenschaftlich-technischen Erkenntnisse aus öffentlicher und industrieller Forschung müssen in neue wettbewerbsfähige Produkte und Verfahren eingebracht werden u.a. in den Informations- & Telekommunikationstechnologien, den Bio-, den Umwelt- und den Nanotechnologien, der Elektromobilität sowie der dezentralen intelligenten Energieversorgung.

Nur durch die kohärente Zusammenarbeit kommt es zu einem intensiven Wissenstransfer zwischen Forschung und Wirtschaft. Dieses vernetzte  Denken erreichen wir nur, wenn die heute zum Teil isoliert wirkenden Bereiche: Wissenschaft, Wirtschaft, Ausbildung und Staat eine enge Kooperation eingehen. Die Erhöhung der Kompetitivität und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Europäischen Union und in Luxemburg können jedoch nur dann gelingen, wenn wir neue Arbeitsformen, mehr geistige Mobilität, höheres Selbstvertrauen und unter­nehmerisches Denken und Handeln zusammenzuführen.

Die Innovation  wird sich daran messen, wie sie zu gesellschaftlichem Fortschritt und zu wirtschaftlichem Erfolg beiträgt. Sie stellt die Fähigkeit dar, neue Ideen aufzugreifen und sie durch die Verwendung neuer Technologien und Verfahren  besser und schneller als die Konkurrenz in wirtschaftlich tragbare Ergebnisse sprich Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Die wirtschaftliche Entwicklung Luxemburgs hängt entscheidend davon ab, ob und wie es uns gelingt, eine ausreichende Menge an Innovation mit hoher Wertschöpfung am Bankenplatz, im  Handel, im Handwerk und in den industriellen Betrieben zu generieren.

In der Europäischen Union sind derzeit 23 Millionen Menschen ohne Arbeit, hier bahnt sich eine Gefahr mit unübersehbaren Konsequenzen ab. Denjenigen, die nur über eine geringe Qualifikation verfügen, können wir in unterschiedlichen Bereichen u.a. die Recycling von Hunderttausenden elektronischen Geräten, die Verwertung der Biomasse u.a. Holz und der Nutzung der erneuerbaren Energien eine Zukunft anbieten. Durch eine modular aufgebaute Ausbildung sollen diese über einen längeren Zeitraum auf den ersten Arbeitsmarkt fit gemacht werden. Dergestalt kann die Berufsausbildung viel attraktiver werden, stellen sich doch unterwegs die nötigen Zwischenerfolge ein.

Es bedarf jedoch vor allem der Jugendlichen, die sich für die Ausbildung zum Bachelor und Master in den technologischen Bereichen interessieren, wie sie von der Universität Luxemburg angeboten werden. Einen Schritt weitergehen möchte ich mit dem Vorschlag,  beruflich hoch motivierte und qualifizierte jungen Menschen den Zugang zu einem postsekundären Studium in einem Hochschulpakt zu verankern. Gab es nicht bereits vor Jahren die Möglichkeit, mit dem Meisterbrief das Hochschulstudium zum Ingenieur mit Erfolg durchzuführen? Hier plädiere ich für ein breites Angebot von berufsbegleitenden Studiengängen mit einem attraktiv gestalteten Präsenzstudium. Diese „Studenten“ bringen ihren Mehrwert an Lebenserfahrung in das Studium ein, eine Bereicherung auch für diejenigen Studenten, die den „normalen“ Studienweg gewählt haben.

Ausblick

Möchte Luxemburg in der Zukunft über ein industrielles Standbein verfügen,  dann müssen umgehend die mutigen Schritte unternommen und die  innovationsfreudigen Lösungen mit  Mut unterstützt werden. Die Wettbewerbsfähigkeit der luxemburgischen Wirtschaft hängt davon ab, ob es uns gelingt, die raschen Innovationszyklen, den hohen Kapitaleinsatz und die hochqualifizierten Beschäftigten zusammenzuführen. Die Universität Luxemburg und die  öffentlichen Forschungszentren  sowie die universitären Partner müssen sich in diesen wichtigen Prozess einbringen. Nur so können wir das solidarische Wachstum hervorbringen und uns in die  Vierte Industrielle Revolution einklinken. Diese garantiert uns, im globalisierten Markt des 21. Jahrhunderts mitzuwirken.

Hat nicht bereits Thomas Alva Edison in diesem Zusammenhang gesagt: „Wenn wir alles täten, wozu wir im Stande sind, würden wir uns wahrscheinlich in Erstaunen versetzen“. Diese Aussage sollte uns beflügeln auf die Innovation und die Forschung zu setzen, denn der Fortschritt war schon immer ein Werk der Unzufriedenen.