Am 16. Januar 1914, vor hundert Jahren also, schlossen sich katholische Politiker zur « Partei der Rechten » zusammen. Sie wollten eine politische Alternative zum damaligen antikirchlichen « Linksblock » bieten. Vor knapp 70 Jahren wurde nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges aus der Rechtspartei die Christlich-Soziale Volkspartei. Das Wertefundament hatte sich nicht verändert, aber die Ausrichtung wurde den Anforderungen der Zeit angepasst. Vor 40 Jahren, nach der Wahlniederlage 1974, stand die CSV vor der Herausforderung sich zu erneuern und neu zu erfinden. Vor zwanzig Jahren forderte die CSJ « frësch Loft » in der Partei. Die CSV sollte mehr sein als ein « Premierwahlverein », schrieb der Nachwuchs damals. Inhaltlich und organisatorisch wurden Reformen gefordert. Viele der Anregungen konnten in den letzten Jahren in die Tat umgesetzt werden.
Natürlich kann man heute die Frage aufwerfen, ob die Partei – trotz guter Absichten – der Versuchung nicht widerstehen konnte, sich zu sehr an den Erfolg ihres Premiers zu heften. Aber Programm und Persönlichkeiten sind nicht zu trennen. Jean-Claude Juncker stand auch für die Modernisierung der CSV. Die Partei wurde in den letzten zwanzig Jahren weiblicher und fortschrittlicher. Sie hielt einen klaren europapolitischen Kurs und stand für sozialen Ausgleich. Jean-Claude Juncker hat diese aber nicht alleine vorangetrieben und er hat sie auch nicht diktiert.
Nach 40 Jahren steht die CSV wieder vor der Herausforderung, im Parlament die Opposition zu stellen. Wir sollten uns die nötige Zeit nehmen, die neue politische Ausgangslage zu analysieren, im Land und in den Kommunen. Das erste Halbjahr 2014 wird durch die Europawahlen geprägt sein. Die Entscheidung am 25. Mai ist keine Testwahl für die neue Regierung und sollte nicht dazu gemacht werden. Es wird sich zeigen, ob die europäische Entscheidung, befreit von der Nationalwahl, mehr Interesse und Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann.
Eine Gewissenserforschung
Nach dem 25. Mai sollte sich die CSV die nötige Zeit nehmen, um eine Diskussion über die Zukunft der Partei zu führen. Die Opposition bietet die Gelegenheit, alles in Frage zu stellen, was nicht zwangsläufig bedeutet, dass wir alles über Bord werfen müssen. Dass sich aber manches ändern sollte, daran kann kein Zweifel bestehen. Wir sollten das 100. Jahr seit unserer Gründung zur Gewissenserforschung nutzen.
Die parteiinterne Demokratie kann ausgebaut werden. Eine Generalüberholung der Statuten wurde im Juli 2013 bereits angekündigt und sollte am Ende eines breiten Austauschs in die Wege geleitet werden. Unser Wahlprogramm gibt sicherlich die Richtung in den nächsten Jahren vor. Aber wir müssen unsere politischen Inhalte weiterentwickeln. Alle Mitglieder müssen sich in diese Entscheidungsfindung einschalten können. So war es für ein Wahlprogramm 2014 vorgesehen, bei den vorgezogenen Wahlen aber nicht mehr durchzuführen. Eine Partei sollte nicht nur eine gutgeölte Wahlkampfmaschine sein. Die CSV kann auf motivierte Mitglieder zählen, das hat der Sommer 2013 gezeigt. Ohne die freiwilligen Helfer und Unterstützer hätten wir die Kampagne nicht meistern können. In den letzten Monaten konnten wir viele neue Mitbürger für die Sache der CSV gewinnen. Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, Menschen, die sich eine Politik der Mitte wünschen. All diese Menschen verfügen über Wissen, Talente und Erfahrungen, die wir nun dringend brauchen. Sie sind unsere Chance als Volkspartei, der stärksten Bürgerinitiative des Landes.
Laurent Zeimet
CSV-Generalsekretär