Die Energiewende bedarf einer veränderten Energiepolitik

Seit der Jahrtausendwende findet ein beschleunigter Übergang von der Industriegesellschaft in die weltumspannende Kommunikations- & Informationsgesellschaft  statt. Die Wissensgesellschaft im aufkommenden digitalen  Zeitalter wird von Revolutionen unterschiedlichere Art begleitet und diese stellen uns  gewaltige Herausforderungen. Es steht ohne Zweifel fest, dass die prekäre Ernährungslage sowie die ungenügende Wasser- und desolate Energieversorgung von Hunderten Millionen Menschen die Grundfesten der Gesellschaft erschüttern werden.

Bedingt durch die stetig wachsende Weltweltbevölkerung kann das bisherige Wachstum nur gesichert werden, wenn dieses nachhaltig ausgerichtet wird d.h. mit einem verringerten Einsatz von knappen Ressourcen und fossilen sowie nuklearen Energieträgern einhergeht. Je mehr Kohle, Erdgas und Erdöl mit einem ungenügenden Nutzungsgrad verbrannt werden, umso mehr beschleunigt sich der Klimawandel, gepaart mit dem Artensterben und der Versauerung der Ozeane. Es möge an die Kosten der durch den Klimawandel und andere Naturkatastrophen hervorgerufenen Schäden im Jahr 2013 erinnert werden. Laut den Aussagen der Swiss Re beliefen sich diese auf 95 Milliarden € gegenüber 133 Milliarden Euro im Jahr 2012.

Die vorherrschende Mentalität des Wegwerfens und der nur auf kurzfristige Gewinne ausgerichtete Wachstumspfad werden mit Sicherheit die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen einleiten. Erkennt die Menschheit die Endlichkeit der Atmosphäre und die Begrenztheit des Planeten nicht, dann werden wir die Lebensqualität der künftigen Generationen in eine hohe Gefahr bringen.

Dieser vernetzte Umdenkprozess muss durch die Kreislaufwirtschaft und die Nutzung der erneuerbaren Energien geprägt werden – durch die umgehende Änderung der Konsumgewohnheiten garantieren wir die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Laut dem Stern-Bericht (Stern Review on the Economics of Climate Change – Sir Nicholas Stern)  veröffentlicht  am 30. Oktober 2006, werden die jährlichen Kosten des Klimawandels, wenn keine Remedur vorgenommen wird, dem Verlust von wenigstens 5 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Würde man die langfristigen kollateralen Schäden an  der Natur und die Risiken berücksichtigen, dann könnten die Schäden sogar 20 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts betragen.

Die Entwicklungs- und die ärmeren Schwellenländer werden die wirtschaftlichen Folgen dieses ungebremsten Klimawandels überdurchschnittlich stark spüren. Die Devise kann demzufolge nur lauten: „Die Bekämpfung des Klimawandels als oberste Priorität anerkennen und die Treibhausgasemissionen in allen Wirtschaftsbereichen  verringern.“ Vielen Konferenzen und Diskussionen ist mittlerweile gemein, dass nur die mutige und vernetzte Energiewende das wichtigste Instrument im Kampf gegen den Klimawandel darstellt.

Die rezente Kommunikation1) der Europäischen Kommission beschäftigt sich mit den Emissionen an Treibhausgasen und Feinpartikeln. Als positives Fazit soll erwähnt werden, dass  die menschliche Gesundheit und die Umwelt durch die unterschiedlichen EU-Luftreinhaltepolitiken der vergangenen Jahre weniger belastet sind. Die gesundheitlichen Folgen der Feinstaubexposition haben sich um 20 Prozent zwischen 2000 und 2010 vermindert.

Das Problem des sauren Regens stellt sich bis auf wenige Ausnahmen in der Europäischen Union nicht mehr. Trotzdem ist die Luftverschmutzung noch die Hauptursache für die umweltbedingten Todesfälle, die 10-mal häufiger sind als die Straßenverkehrsunfälle, man schätzt ihre Zahl auf 400.000 vorzeitige Todesfälle. Die externen Kosten dieser Auswirkungen werden mit etwa 1 Milliarde Euro für das Jahr 2010 angegeben, bei Berücksichtigung der Arbeitsproduktivitätsverluste und anderen wirtschaftlichen kollateralen Schäden. Mit dem EU-Vorschlag sollen kostenwirksame nationale Emissionsreduktionsziele bis zum Jahr 2020 für die Luftschadstoffe SO2, NOx, flüchtige organische Verbindungen ohne Methan und NH3 umgesetzt werden. Des Weiteren soll durch die Begrenzung der Partikelemissionen an PM2,5  der Rußanteil vermindert werden.

Die 3 x 20 Prozent – Strategie“

Der Energieverbrauch steigt unablässig, dies trotz der sich dem Ende zu neigenden Reserven an fossilen Energieträgern. Laut den Unterlagen der Internationalen Energieagentur IEA wird sich die weltweite Energienachfrage um etwa 60 Prozent bis zum Jahr 2030 erhöhen. Die Europäische Union importiert heute 60 Prozent des Erdgasverbrauchs und nahezu 75 Prozent des Erdölverbrauchs.

Es leuchtet deshalb ein, die rationelle Energieverwendung und die Nutzung der erneuerbaren Energien massiv zu fördern, dies im Sinne der EU-Strategie 3 x 20 Prozent:  die Effizienz des Energieverbrauchs um 20 Prozent und den Anteil der erneuerbaren Energien auf 20 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs anheben und die Treibhausgasemissionen um 20 Prozent verringern. Allein diese ambitiöse Initiative verlangt die Verdopplung der Investitionen von derzeit 35 Milliarden Euro auf jährlich 70 Milliarden Euro. Wenn dies gelingt, dann wird eine Verringerung von etwa 600 bis 900 Millionen Tonnen CO2 erreicht.

Im Bereich der effizienten Nutzung sorgt der verringerte Einsatz von Ressourcen auch für weniger negative Eingriffe in den Naturhaushalt. „Weg von den Fossilen, hin zu den Erneuerbaren“, so lautet die EU-Lösung. Als erstes Erfolgserlebnis gilt, dass im Jahr 2011 weltweit mehr in Wind- und Solarparkanlagen, in Biogas- und Wasserkraftanlagen investiert wurde als in die thermischen und atomaren Kraftwerke. Dieser Trend hält wohl an, aber es liegt noch eine weite Strecke vor uns.

Die Schaffung von Millionen Arbeitsplätzen in dieser zukunftsorientierten Branche erheischt höchste Beachtung. Man darf mit Fug und Recht behaupten, dass die Energiewende die Chance anbietet, den irrigen Gegensatz zwischen Wirtschaft und Umwelt zu widerlegen.

Luxemburg hat sich diesem Trend angeschlossen und wird den Anteil der erneuerbaren Energiequellen u.a. Windkraft, Biomasse und Solarenergie von heute 2 Prozent auf 11 Prozent bis 2020 erhöhen. Dies bedeutet auch ein Mehr an Demokratisierung der Energiepolitik, dies über den Weg von Beteiligungsmodellen u.a. die Bürgersolarparks oder Bürgerwindparks. Die dezentral ausgerichtete Erzeugung fördert die Wertschöpfung in den Regionen und stärkt den ländlichen Raum.

Die Nutzung der Biomasse und der Kraft-Wärme-Kopplung sowie die energetische Sanierung der Bausubstanz durch die neue Wärmeschutzverordnung stellen weitere wichtige Elemente dieses Umdenkprozesses dar. Im Baugewerbe werden mittelfristig nur noch Passiv- resp. Niedrigenergiebauweise sowohl im Privatbereich als auch für die öffentlichen Gebäude gelten. Auch im Bereich der Mobilität werden neue Wege eingeschlagen, die Automobilbranche bringt sich hier durch den Bau von Motoren mit weniger Emissionen sowie der Entwicklung von Hybrid- und Elektromobilen erfolgreich ein.

Die dezentrale Erzeugung elektrischer Energie findet immer mehr Anhänger –  in den Industriebetrieben, den Klein- & Mittelunternehmen, den Gemeinden und den Privathaushalten. Sicherlich weist diese Art der Belieferung von erneuerbarer elektrischer Energie ökologische und vielfach auch wirtschaftliche Vorteile auf, aber der Entsolidarisierungseffekt darf nicht außer Acht gelassen werden. Wenn der einzelne Verbraucher seine elektrische Energie selbst erzeugt, dann verzichtet er in den meisten Fällen auf den Anschluss an das vorhandene öffentliche Verteilungsnetz. Im Endeffekt beteiligt er sich nicht mehr an den Kosten der Verteilungsnetze und diese Finanzmittel fehlen den Unternehmen zur Wartung und des weiteren Ausbaues ihrer Netze. Letztendlich führt dies zur Erhöhung der elektrischen Energie für die verbleibenden Verbraucher ohne Eigenversorgung.

Eine gezielte Maßnahme, den Wechsel von der fossilgeführten Energieszene hin zum Energiezeitalter der erneuerbaren Energien zu unterstützen, stellt der europäische Emissionshandel mit den CO2-Quoten dar. Die Europäische Union wird 900 Millionen Tonnen  CO2 ab Januar 2014 zeitweise vom Markt nehmen, um den Preis von derzeit etwa 4 €/Tonne massiv nach oben zu drücken. Die Anwendung von klimafreundlichen Technologien und energieeffizienten Geräte ermöglichen diese mutigen Schritte.

Den nachhaltigen Weg beschreiten

Der Wechsel von der nachfrageorientierten zur angebotsorientierten Energiepolitik erlaubt den Übergang von der zentralistisch zu der stärker dezentral ausgeprägten Energieerzeugung. Er trägt ebenfalls zur Erhöhung der Versorgungssicherheit bei und erhöht die Netzstabilität, denn der Ausfall von einzelnen Erzeugungsanlagen mittlerer Einheitsleistung kann besser kompensiert werden als der ungeplante Ausfall eines Kraftwerkes mit mehreren 100 MW.

In diesem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, dass die dezentralen Photovoltaikanlagen mit Einheitsleistung von mehreren 100 kW einen steigenden Anteil der Versorgung während den sonnenreichen Monaten übernehmen und gegebenenfalls die thermischen Kraftwerke ersetzen, wenn diese aufgrund von Kühlungsproblemen zum Teil zurückgefahren werden müssen.

Noch stärker drängen die Windenergieanlagen, ob im on-shore- oder im off-shore-Bereich, in den Versorgungsmarkt ein. Vielfach übersteigt die Wirtschaftlichkeit der Anlagen bereits diejenige der thermischen Kraftwerke. Die Anbindung der Windenergieparks im Küstenbereich mittels der HGÜ-Verbindungsleitungen wird zusätzlich für die Änderung in der Energiewirtschaft sorgen. Den Aussagen der Internationalen Energieagentur IEA zufolge sollen in die Nutzung der Windenergie 200 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 weltweit investiert werden.

Derzeit befinden sich mehrere Projekte bezüglich der regionalen resp. der Länder übergreifenden Übertragung von erzeugter elektrischer Energie aus den offshore-Windenergieparks in der Planung oder in der Ausführung. Es seien hier die Verbindungen zwischen Deutschland und Norwegen, zwischen Deutschland, Dänemark und Schweden erwähnt.

Es wäre indes unredlich zu behaupten, die Energiewende, beruhend auf 100 Prozent erneuerbarer Energie, könnte mittelfristig erreicht werden. Vielmehr werden die fossilen und atomaren Kraftwerke am Netz verbleiben, ihr Anteil wird sich jedoch ständig verringern.

Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass ein Teil der erneuerbaren Energieerzeugung fluktuierend in das Verteilungsnetz einspeist. Der Aufbau der intelligenten Versorgungsnetze „smart grids“  wird die Spannung und die Frequenz jedoch stabil halten, sie verbinden die Erzeugungszentralen, die unterschiedlichen Verbraucher und die Speicher. Der nächste Schritt stellt die schrittweise Integration der „smart meter“ bei den Verbrauchern dar und die Einbindung der Elektrofahrzeuge.

Der Einbau von Speichern u.a. Akkumulatoranlagen und Pumpspeicherkraftwerken, geographisch verteilt im Versorgungsnetz, wird den Makel der fluktuierenden Erzeugung elektrischer Energie ausbügeln. Sie speichern die Energie über einen mehr oder weniger langen Zeitraum und gleichen die kurzfristigen Schwankungen aus.

Im Pumpspeicherkraftwerk Vianden wird demnächst die 11. Generatorturbine mit der Einheitsleistung von 200 MW in Betrieb genommen, dies im Rahmen des energiewirtschaftlichen Zusammenschlusses der Elektrizitätsunternehmen aus Deutschland, Frankreich und den drei Benelux-Staaten – dem „Forum pentalateral“.

Bezüglich der Akkumulatoranlagen sei die rezent in Betrieb gestellte Anlage in Schwerin (D) angesprochen. Aufgrund der eingespeisten elektrischen Energie aus dem Küstenbereich wurde der Speicher, der Primärregelleistung bereitstellen und die Frequenz stabil halten soll, mit einem Investitionsvolumen von 1,3 Millionen Euro errichtet.  Im Speicher wurden Lithium-Ionen-Zellen mit einer Kapazität von fünf MWh eingebaut, dies ermöglicht, zwei mal 15 Minuten eine Leistung von fünf MW aufzunehmen und abzugeben. Die Betriebszeit wird mit 20 Jahren angegeben und die jährliche CO2-Emissionsverminderung  beträgt 18.000 Tonnen. Solche Speicheranlagen könnten auch in Luxemburg zur Stabilisierung beitragen.

Es soll auch auf die kürzlich erschienene DIW-Studie 2) hingewiesen werde, laut welcher die Erzeugung elektrischer Energie aus erneuerbaren Energien wirtschaftlicher, als bisher angenommen, ist. Dies könnte den Umstieg auf die erneuerbare Energieversorgung schneller voranschreiten lassen und dürfte sich kostengünstiger für die Verbraucher auswirken. Die bisher vorliegenden Studien beruhen z.B. auf falschen Annahmen, auf älteren Unterlagen oder auf nicht ausgereiften Technologien.

Hinsichtlich der Nutzung der Solarenergie und vor allem der Windenergie sind in den vergangenen Jahren bedeutende Fortschritte gemacht worden. Man denke nur an die Errichtung von offshore-Windenergieanlagen auf hoher See und dies mit Einheitsleistungen von mehr als 6 MW. Im Jahr 1990 wurde hinsichtlich der Nutzung der Solarenergie durch die Photovoltaikzellen mit Kosten von 1 €/kWh gerechnet und diese wurden auf 0,10 Euro/kWh im Jahr 2012 verringert. In den sonnenreichen Gegenden der Europäischen Union wird der Wert von 0,04 Euro/kWh angegeben.

Bei der Betrachtung der konventionellen Energien wurden bei den fossilen Kraftwerken die Nachfolgekosten: Gesundheit und Klimawandel z.T. ausgeblendet und bei den nuklearen Kraftwerken wurde die atomare Müllentsorgung sowie der anschließenden Rückbau nicht umfänglich berücksichtigt.

Über die eigenen Grenzen hinweg

Eine durchaus ökologisch und technisch sinnvolle sowie langfristig wirtschaftliche Variante stellt die Gewinnung von elektrischer Energie aus den Gebieten rund um das Mittelmeer, in den Maghreb-Staaten sowie der Sahelzone dar. Hier liegen riesige Potenziale an Wind- und Solarenergie vor. Die Errichtung von Windpark- und Photovoltaikanlagen resp. Parabolrinnen-Kraftwerken stellt kein technisches Problem dar, es bedarf nur des politischen Willens zur Zusammenarbeit. Bedenkt man, dass die Sonne während nur sechs Stunden, die Energiemenge auf alle Wüsten einbringt, die die gesamte Menschheit innerhalb eines Jahres verbraucht, dann wird man sich der Chance dieser nachhaltigen Energieausbeute bewusst.

Die Europäische Union sollte sich deshalb bemühen, die notwendigen Erzeugungsanlagen in den sonnenreichen Ländern sowie in den windreichen Küstenabschnitten aufzustellen und so den Anteil an erneuerbarer elektrischer Energie im EU-Mix stetig zu erhöhen. Die Schaffung von dauerhaften Arbeitsplätzen in diesen Ländern stellt einen hohen sozialen Mehrwert dar.

Schlussgedanken

Angesichts des Wachstums der Weltbevölkerung, insbesondere in den Entwicklungsländern und der weltweiten Nachfrage nach erhöhtem Wohlstand in den Schwellen- und den Entwicklungsländern, bietet sich nun die Gelegenheit, das Wirtschaftsmodell neu auszurichten d.h. den kommenden Generationen die nötigen Entwicklungschancen anzubieten.

Die Energiewende – zusammengesetzt aus den Technologien mit geringer Kohlenstoffintensität und dem Umschwenken der Energieversorgung auf die „Erneuerbaren“ – stellt den wichtigen Schritt in Richtung der nachhaltigen Entwicklung dar.

Gemäß dem Leitmotiv: „Die Zeit der billigen Energie gehört der Vergangenheit an“ muss die Energiepolitik mit Mut nunmehr die richtigen Entscheidungen treffen. Die Forschung und die Innovation, die Politik und die Wirtschaft sind gefordert, den Aufbau der Wissensgesellschaft zu unterstützen und so das 21. Jahrhundert entscheidend mitzubestimmen.

Quellenachweis:

1)            COM 918 (2013) EU-Programm „Saubere Luft über Europa“

2)            Energiewende: die erneuerbaren Energien sind rentabler als bisher angenommen (DIW Berlin Juli 2013)