Nach dem Treffen mit dem EU-Ratspräsidenten Van Rompuy zeigte sich Jean-Claude Juncker zufrieden mit der Unterredung. Konkrete Aussagen zur „Personalie Juncker“ wollte er allerdings nicht machen. Zu personellen Fragen habe er auch in der Vergangenheit nie öffentlich Stellung bezogen. Nur so viel: Er habe mit Van Rompuy u. a. über die weitere „institutionelle Entwicklung“ in der Europäischen Union und über „mögliche Hypothesen“ bei der Besetzung der EU-Spitzenposten gesprochen. Weitere Details wollte er nicht mitteilen. Gegenüber RTL meinte er, er habe eine Präferenz für den Posten des Kommissionspräsidenten.
Noch vor seinem Treffen mit Van Rompuy hatte Juncker am Morgen eignen Aussagen zufolge „ein längeres Telefonat“ mit Kanzlerin Angela Merkel geführt. Das Gespräch sei „konfliktfrei und freundschaftlich verlaufen“. Bereits an Heiligabend hatte er mit Merkel telefoniert. Bei den rezenten Medienberichten handele es sich um Gerüchte, die nicht der Wirklichkeit entsprechen würden, so Juncker.
Vor gut einer Woche hatte zunächst der „Spiegel“ berichtet, Bundeskanzlerin Angela Merkel wolle nicht, dass Juncker nach den Europawahlen im Mai einen der frei werdenden EU-Spitzenposten bekleide. Obwohl Merkels Pressesprecher den Bericht sofort dementiert hatte, meldete „Die Welt“ wenig später unter Berufung auf „hohe EU-Diplomaten“ ebenfalls, Merkel widersetze sich Junckers Nominierung. Das Verhältnis zwischen Merkel und Juncker gilt seit geraumer Zeit als unterkühlt. Juncker setzt derweil seine Europatour fort. Mitte der Woche trifft er in Paris mit Frankreichs Präsidenten François Hollande zusammen.
Der CSV-Fraktionsvorsitzende ist offensichtlich nun bereit, für einen EU-Posten zu kämpfen. Dabei war er im Hinblick auf seine weitere europäische Karriere zunächst eher einen Zickzack-Kurs gefahren. Nachdem klar geworden war, dass die CSV den Weg in die Opposition antreten würde, hatte er zunächst in der Schweizer Fernsehsendung NZZ-Standpunkte ausgeschlossen, dass er als Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei EVP für die Europawahlen zur Verfügung stehen werde. Wenig später hatte er seine Aussage in einem Interview mit der französischen Tageszeitung „Le Monde“ relativiert: „Je suis prêt si on me le demande“, so Juncker Mitte Dezember.
Laut Lissabon-Vertrag müssen bei der Nominierung des EU-Kommissionspräsidenten die Ergebnisse der Europawahlen berücksichtigt werden. Als Spitzenkandidat der EVP hätte er also gute Chancen, Kommissionspräsident Barroso zu beerben, vorausgesetzt, die Volkspartei wird stärkste Fraktion im EU-Parlament. Beim EVP-Treffen im Vorfeld des EU-Gipfels im Dezember hatte Juncker auf Nachfrage betont, er werde von „vielen anderen EVP-Spitzenkräften zu einer Kandidatur ermuntert“. In Luxemburg will er hingegen nicht für die EU-Wahlen kandidieren.
Jean-Claude Juncker war bereits mehrfach für einen EU-Spitzenposten im Gespräch. 2004 hatte er das Amt des Kommissionspräsidenten abgelehnt, 2009 war er bei der Nominierung zum EU-Ratspräsidenten am Veto von Merkel und Sarkozy gescheitert.
Quelle: DANI SCHUMACHER – Luxemburger Wort 06.01.2014 – Seite 4