Keine nachhaltige Wirtschaftspolitik ohne vernetzten Klimaschutz

Keine nachhaltige Wirtschaftspolitik ohne vernetzten Klimaschutz

Prof. Dr.-Ing. Marcel Oberweis

Die 19. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention und die 9. Vertragsstaatenkonferenz des Kyoto-Protokolls fanden in Warschau vom 11. bis 22. November 2013 statt. Anlässlich der letztjährigen 19. Klimakonferenz in Doha (Katar) war beschlossen worden, einen neuen globalen Klimavertrag  im Jahr 2015 zu verabschieden. In Warschau sollte der Weg für dieses Abkommen, der Nachfolger für das Kyoto-Protokoll geebnet werden, um anlässlich der 21. UN-Klimakonferenz in Paris im Jahr 2015 verabschiedet zu werden. Dieses soll dann im Jahr 2020 in Kraft treten, angesichts der eher negativen Entwicklung zu spät. Es sollen die weltweiten Emissionen bis zum Jahr 2030 auf die Emissionsmenge des Jahres 1990 verringert werden.

Das Treffen war überschattet von dem verheerenden Taifun „Haiyan“ auf den Philippinen sowie der Serie von Tornados in den Vereinigten Staaten von Amerika. Von vielen Teilnehmern wurde mehr Mut zur Änderung unseres Verhaltens hinsichtlich der Verringerung des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen gefordert. Den Aussagen der Klimawissenschaftler zufolge ist nämlich der Klimawandel, hervorgerufen durch unsere  sich stetig wachsenden Treibhausgasemissionen, zu 95 Prozent als die Ursache für die gehäuften Wetterextreme verantwortlich.

Der in Stockholm am 27. September 2013 vorgestellte erste Teil des fünften, 800 Seiten umfassenden, Berichtes des Weltklimarats (IPCC) und an dessen Ausarbeitung weltweit mehr als 1.000 Wissenschaftler mitgearbeitet haben, warnt eindringlich vor den Folgen des fortschreitenden Klimawandels. Die bereits vorliegenden Weltklimaberichte erschienen in den Jahren 1990, 1995, 2001 und 2007.

Als Hauptverursacher des Klimawandels wird das CO2 angesehen, es ist für mehr als 60 Prozent der weltweiten Erderwärmung verantwortlich. Durch die ständig steigende Verbrennung der fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Gas steigen die CO2-Emissionen. Seit dem Jahr 1750 wurden 545 Milliarden Tonnen CO2 in die Erdatmosphäre emittiert. Von dieser Menge verblieben 44 Prozent in der Atmosphäre, etwa 50 Prozent wurden in die Weltmeere eingebracht und der Rest wurde zum Aufbau der Pflanzen benötigt. Die unterschiedlichen Beobachtungen und die Modellberechnungen liefern Aufschluss über die komplexen Zusammenhänge, welche zum Klimawandel führen. Noch bleiben viele Fragen offen u.a. die extremen Wetterereignisse und die Versauerung der Ozeane. Es geht vor allem um die brisante Frage, wie stark sich die Erde erwärmen wird, wenn sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre von heute 400 ppm auf das Doppelte erhöht. In den letzten 800.000 Jahren war die CO2-Konzentration in der Atmosphäre niemals höher als heute. Trotz vieler Appelle erhöhen sie sich seit Jahren und im Jahr 2012 wurden weltweit 35,7 Milliarden Tonnen COin die Atmosphäre emittiert. 3,3 Milliarden Tonnen COkommen u.a. durch die Brandrodung riesiger Waldgebiete hinzu. Und im laufenden Jahr 2013 werden sich die Emissionen um weitere 2,1 Prozent erhöhen. Laut den Klimaexperten darf nicht zugelassen werden, dass der CO2-Anteil in der Atmosphäre die Grenze von 450 ppm überschreitet. Die Erhöhung der Erdatmosphäre muss auf maximal 2 Grad Celsius begrenzt werden – dies bedeutet, dass die Menschheit nur noch 44 Milliarden Tonnen CO2 im Jahr 2020 emittieren darf.

Bisher erkennt man jedoch keine Trendwende, im Gegenteil, die Emissionen werden auf etwa 60 Milliarden Tonnen CO2  geschätzt, mit der Folge, dass das Klima unweigerlich aus dem Ruder läuft. Falls die Emissionen nicht reduziert werden, ist mit einem globalen Temperaturanstieg von fast 5 Grad Celsius bis zum Ende dieses Jahrhunderts im Vergleich zum Beginn des Industriezeitalter zu rechnen.

Von allen Industriepartnern befindet sich nur die Europäische Union auf dem nachhaltigen Weg, wird sie doch ihre Emissionsmenge um 30 Prozent bis zum Jahr 2030 verringern, somit ein Lichtschimmer an dieser düsteren Klimafront. Die Treibhausgasemissionen der Europäischen Union betragen nur 12 Prozent der globalen Eintragung, ihre engagierte Energie- und Klimapolitik zeigt Erfolge. Eine ständig steigende Zahl von EU-Bürgern hat sich für die nachhaltige Entwicklung entschieden.

Konsequenzen nicht nur die Menschen in den Entwicklungsländern

Der Klimawandel bezeichnet die Klimaschwankungen und sie stellen ein wichtiges Element der Erdgeschichte dar. Seit den 1980er Jahren steht dieser Wandel im Mittelpunkt von Konferenzen, führt doch die Erwärmung der Erdatmosphäre zu katastrophalen Folgen. Der IPCC weist darauf hin, dass sich das Klima ändert und dass dies auf menschlichen Einflüssen beruht – dies sei den Zweiflern  ins Stammbuch geschrieben.

Die tödlichen Hitzeperioden, die anhaltenden Dürren und die grassierenden Hungersnöte, die verheerenden Überschwemmungen, die sich häufende Anzahl von schweren Stürmen sowie das Schmelzen von Gletschern, die Erhöhung des Meeresspiegels und im Gefolge das Versinken von Inselstaaten bezeugen diesen Wandel in der Natur. Die Satellitenmessungen zeigen auf, dass Grönland etwa sechsmal mehr Eismasse zwischen den Jahren 2002 und 2011 verloren hat als in den Jahren zwischen 1992 bis 2001. Der Eispanzer der Antarktis verringerte seine Masse fast fünfmal im gleichen Zeitintervall.

Die Umweltexperten zeigen auf die gravierenden Gefahren bezüglich der Erhöhung des Meeresspiegels hin, werden doch die fast zwei Milliarden Menschen gezwungen, die in den Küstenbereichen leben, ihre Heimat zu verlassen und sich ins Landesinnere zu bewegen. Soziale Spannungen und Streit um Land werden die direkten Folgen, im schlimmsten Fall kriegerische Auseinandersetzungen. Insbesondere die Wasserknappheit birgt ein hohes Unruhepotenzial und wird selbst in robusten Wirtschaftssystemen zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen führen. Man muss befürchten, dass der Klimawandel die bereits vorhandenen Konflikte durch den Mangel an Nahrungsmitteln weiter anheizen wird. Nicht vergessen darf man in diesem Zusammenhang der sich krakenhaft ausbreitende Landklau, vornehmlich in den Entwicklungsländern. Hier werden der bereits darbenden einheimischen Bevölkerung riesige Ländern von Konzernen weggenommen, so dass einerseits das Massensterben vorprogrammiert ist. Die Folgen für diese „schwachen“ Länder sind ohne jeden Zweifel das Aufkommen von ethnischen und religiösen Konflikten. Die Vereinten Nationen weisen auf die steigende Zahl von „Umweltmigranten“ hin und niemand vermag vorauszusehen, mit welchen Spannungen und Konflikte die „reichen Industrieländer“ konfrontiert werden.

Die Erderwärmung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts stellte das umspannende Thema der diesjährigen UN-Klimakonferenz dar. Den Experten zufolge dürfte als optimistisches Szenario die Spanne zwischen 0,3 und 1,7 Grad Celsius angesehen werden, derweil der „worst case“ einen Temperaturanstieg zwischen 2,6 und 4,8 Grad befürchten lässt. Es sei daran erinnert, dass sich die Durchschnittstemperatur um 0,85 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter bereits erhöht hat. Angesichts des sehr bescheidenen Resultats der Konferenz ist die Frage erlaubt, wie die Weltgemeinschaft das international vereinbarte Limit hinsichtlich der Erderwärmung – nicht mehr als zwei Grad C – einhalten soll? Gemäß den Klimawissenschaftlern dürfen diesbezüglich nur noch 750 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre eingebracht werden. Wenn aber im Jahr 2013 bereits 36 Milliarden Tonnen CO2 emittiert wurden, dann verbleibt noch eine Restzeit von weniger als 18 Jahren bis zum Kipppunkt.

Wenn die Weltgemeinschaft untätig bleibt – dann….

Die Konzentrationen der Bestandteile des natürlichen Treibhauseffekts in der Atmosphäre haben sich seit dem Beginn des Industriezeitalters stetig erhöht. Die Geschwindigkeit dieses Anstiegs ist die schnellste der letzten 22.000 Jahre. Bedingt durch den Temperaturanstieg hat sich der Meeresspiegel um etwa 20 cm seit dem Jahr 1900 erhöht und dürfte je nach dem angedeuteten Szenario um 26 bis 82 cm bis zum Jahr 2100 ansteigen. Die Untätigkeit gegenüber dem Klimawandel droht demzufolge, er stellt neben der Bereitstellung von sauberem Trinkwasser die größte Herausforderung für die Weltgemeinschaft dar.

Neben der Erhöhung des Meeresspiegels kommt es zu einer weiteren gravierenden Tatsache. Bedingt durch die Kohlenstoffdioxideintragung in die Weltmeere, liegt die atmosphärische CO2-Konzentration heute um 55 ppm geringer. Das eingebrachte CO2 senkt jedoch den pH-Wert der Ozeane, da es sich teilweise mit dem Wasser zu Kohlensäure verbindet, dies führt zu deren Versauerung. Der durchschnittliche pH-Wert hat sich seit dem Beginn des industriellen Zeitalters bis zum Jahr 2006 von 8,16 auf 8,05 verringert. Bei einer Verdoppelung der atmosphärischen CO2-Konzentration im Vergleich zur vorindustriellen Zeit wird mit einer weiteren Absenkung auf 7,91 gerechnet, bei einer Verdreifachung auf 7,76. Gegen Ende des 21. Jahrhunderts wird ein pH-Wert in den Ozeanen vorliegen, wie er seit mindestens 650.000 Jahren nicht mehr vorgekommen ist. Dieser Zustand ist nach menschlichen Maßstäben irreversibel, und es wird einige zehntausend Jahre dauern, bis der vorindustrielle Säuregrad wieder hergestellt sein wird.

Eine bedeutende, jedoch unbekannte Größe stellt das Methan dar, welches einen um 28-mal höheren Treibhauseffekt als das CO2 aufweist. Man schätzt, dass 50 Milliarden Tonnen aus dem auftauenden Permafrost in Sibirien in den kommenden 50 Jahren in die Erdatmosphäre gelangen. Die Konzentration erhöhte sich von 730 ppbV im Jahr 1750 auf 1.750 ppbV (Teile pro Milliarde Volumenanteil) im Jahr 2010 – der höchste  Wert seit mindestens 800.000 Jahren.

Das erzielte Zwischenergebnis ist schwach und darüber hinaus gefährlich.

Die UN-Kimakonferenz hat leider keinen nennenswerten Durchbruch auf dem Weg zum vermehrten Klimaschutz gebracht. Die Europäische Union hat ebenfalls ihre bisherige Vorbildfunktion eingebüßt und viel Kredit bei den minderbemittelten Menschen verloren. Noch schlimmer wiegt das Unbehagen zwischen den Entwicklungs- und den Schwellenländern einerseits und den Industrieländern andererseits. Wieso wird von der ersten Gruppe verlangt, ihre zögerlich wachsenden Emissionen zu verringern, währenddessen die zweite Gruppe ihrer Reduktionsverpflichtung in keiner Weise  nachkommt und den versprochenen 100 Milliarden Klimafonds bis 2020 nur zaghaft „füllt“.

Wenn die Entwicklungs- und die Schwellenländern die für ihr Wachstum eingesetzte Energie effizient einsetzen sollen, dann müssen ihnen umgehend die modernen und intelligenten Energienutzungstechnologien „gratis“ bereitgestellt werden.

Die Abwendung der Klimakrise wurde nicht vollzogen und die ärmsten Millionen Menschen dieser Welt werden die Konsequenzen der „Loss and Damage-Politik“ vermehrt spüren. Man kann nur hoffen, dass anlässlich der 20. Weltklimakonferenz in Lima (Peru) mehr beherzte Beschlüsse hinsichtlich der finanziellen und technischen Unterstützungsmaßnahmen erarbeitet werden.  Es verbleibt jedoch der bittere Nachgeschmack, dass die Erfolgschancen der Pariser UN-Klimakonferenz im Jahr 2015 bereits heute als gering eingeschätzt werden.

Ein positives Signal sendet die Konferenz jedoch aus – mehrere Industrieländer haben sich bereit erklärt, ihre finanziellen Zuwendungen in den REDD-Fonds (Verringerung der Emissionen durch Entwaldung und Waldzerstörung) einzuzahlen. Mit diesem Fonds sollen vor allem die Tropenwälder geschützt und falls nötig, neue Pflanzungen durchgeführt werden, um die schädlichen Treibhausgase langfristig zu speichern.

Es gibt nur einen Ausweg aus der schier haltlosen Situation, die unterschiedlichen Klimaschutzinitiativen müssen gebündelt und technisch durchdachte Lösungen vorgeschlagen werden. Der Klima- und der Biodiversitätsschutz stellen mittelfristig die Keimzellen der vernetzten nachhaltigen Entwicklung dar, versagt die Weltgemeinschaft, dann kann es keinen vernünftigen gesellschaftlichen Fortschritt geben.

 

 

 

Prof. Dr.-Ing. Marcel Oberweis