Das „XXIII. Wirtschaftliche Forum“ vom 3. bis 5. September 2013

Krynica-Zdroj – Das „XXIII. Wirtschaftliche Forum“ vom 3. bis 5. September 2013

Dr.-Ing. Marcel Oberweis

Krynica-Zdroj befindet sich in der Wojewodschaft Kleinpolen an den Ausläufern der Karpaten nahe der slowakischen Grenze.  Mit ihren 11.000 Einwohnern ist die Stadt wegen des Therapiezentrums, des Sanatoriums und der Mineralwasserindustrie berühmt –  die Anlagen stammen noch zum Teil aus der Habsburger Zeit. Die Stadt trägt seit der ersten Tagung des wirtschaftlichen Forums im Jahr 1991 die Bezeichnung „Davos in Polen“, trafen sich doch die Politiker und Führungskräfte aus den neuen Staaten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, um die wieder erlangte Freiheit in neue wirtschaftlichen Bahnen zu lenken. Die politische Zusammenarbeit, die Kooperation für Investitionen und das gegenseitige Verständnis waren Kernelemente der Veranstaltung.

Das „XXIII. Wirtschaftliche Forum“ mit insgesamt 2.500 Teilnehmern, wurde vom polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk eröffnet. In seiner Begrüßungsrede  wies er auf den anstehenden, jedoch noch zaghaften, wirtschaftlichen Aufschwung in der Europäischen Union  hin und zeigte sich erfreut, dass man für die diesjährige Tagung das Motto: “Towards a New Deal” gewählt hatte. Auch wenn sich noch einige EU-Staaten mit den Nachwehen der rezenten Krisen auseinandersetzen müssen, so darf nicht verkannt werden, dass die Erholung sowohl in den Vereinigten Staaten von Amerika als auch in den Schwellenländern China, Indien und Russland bereits eingesetzt hat. Damit die Europäische Union diesen Aufbruch nicht verpasst, hatten sich die Verantwortlichen das Ziel gesetzt, Wege aus der Krise aufzuzeigen und dies in den unterschiedlichen Bereichen u.a. Soziale Beziehungen, Steuerpolitik, Energiewende, Hochschulwesen und Forschung, Schaffung von Arbeitsplätzen, politische Veränderungen in der Mitte Europas und Auβenbeziehungen gegenüber den Schwellen- und Entwicklungsländern.

Das diesjährige Forum machte an vielen Stellen deutlich, dass nur durch die Berücksichtigung der gesellschaftlichen und der wirtschaftlichen sowie der sozialen Rahmenbedingungen die benötigten Wechselwirkungen zwischen der Umwelt, der Wirtschaft und der Gesellschaft in einem mittelfristigen Zeitraum zu erreichen sind. Die soziale und ökologische Globalisierung kann ohne die wissenschaftlichen Reflexe und ohne die benötigten Innovationen nicht bewältigt werden.

Arbeitslosigkeit und Perspektiven

Die Arbeitslosigkeit, vor allem diejenigen der Jugendlichen unter 25 Jahren, stand als wesentlicher Punkt inmitten von vielen Diskussionen. Beträgt die Arbeitslosenrate in der Europäischen Union 12,1 Prozent im Durchschnitt, so weist sie katastrophale Werte im Bereich der Jugendlichen auf – oft mehr als 50 Prozent. Wenn unsere Jugend nicht den Glauben an ihre Zukunft verlieren soll, dann müssen sich die politisch Verantwortlichen verstärkt dem brisanten Thema Jugendarbeitslosigkeit annehmen, denn hier tickt eine Bombe mit hoher Sprengkraft. Die Jugend jetzt außen vorlassen, wird sich bei dem kommenden wirtschaftlichen Aufschwung in einem gravierenden Maß rächen. Es wurde jedoch darauf hingewiesen, dass die strukturelle Arbeitslosigkeit nicht durch makroökonomische Lösungen behoben werden kann. Man wies in diesem Zusammenhang auf das „Entrepreneurship” hin und lud die Jugendlichen ein, wieder Mut zu fassen und sich tatkräftig einzubringen. Diese Aufgabe kann jedoch nur gelingen, wenn die Jugendlichen über eine ausreichende Ausbildung verfügen – ansonsten sie immer auf der untersten Sprosse der sozialen Leiter verharren.

Der gleitende Übergang zur Wissensgesellschaft wird als eine der wichtigsten Transformationen der Gesellschaft angesehen. Die flächendeckende Kommunikations- und Informationstechnologien sowie die intelligente Energieversorgung in allen wirtschaftlichen Bereichen werden für den Aufschwung sorgen. Nicht alle Jugendlichen können ein Abitur erhalten oder zum Universitätsdiplom gebracht werden, deshalb müssen Arbeitsplätze in vielen Bereichen der Gesellschaft geschaffen werden, wo diese Jugendlichen eingesetzt werden können. Es wurden angeführt u.a. die sozialen Netzwerke, die Nutzung von Biomasse in den Wäldern, der Recyclingbereich und die Tätigkeiten im vernetzten Umweltschutz.
Gerade den schleichenden Konsequenzen des Klimawandels wurde höchste Beachtung in den Diskussionen geschenkt, dies vor dem Hintergrund des neuen IPCC – Berichtes, welcher im kommenden Jahr erscheint und dessen erste Ergebnisse bereits vorliegen.

Als Wermutstropfen muss leider hervorgehoben werden, dass das aktuelle europäische Sozialnetz an die Grenzen seiner Kapazitäten stößt, es kann in der aktuellen Form nicht überleben. Die Vernetzung der Wirtschaft mit dem Sozialgefüge muss demzufolge neu ausgerichtet werden. Allein die Aussage, dass der Mindestlohn in Luxemburg  demnächst auf 1910 € steigen wird, wurde von manchen Teilnehmern ungläubig wahrgenommen. Nichtsdestotrotz wird  das  luxemburgische Modell in manchen EU-Mitgliedstaaten eine Diskussion lostreten, denn dieses erlaubt, den nationalen Konsum zu heben und die benötigten Arbeitsplätze zu schaffen. Die nötigen Akzente müssen jetzt gesetzt werden, um die anstehenden Herausforderungen binnen der gewünschten Zeitspanne zu erreichen.

Es schälte sich im Lauf der Gespräche heraus, dass die bisher gewährten Subventionen nicht mehr in der Höhe fließen können. Im Gegensatz müssen höhere Finanzmittel für die Innovation und die Ausbildung freigeschaufelt werden. Dass das Wissen die Grundlage für den technischen Fortschritt und die Entwicklung der Gesellschaft darstellt, wurde hervorgehoben, denn Wissenschaft und Technik erlauben eine Antwort auf die grundlegenden gesellschaftlichen Herausforderungen.  Demzufolge kann nicht mehr länger geduldet werden, dass nur in die Bereiche mit hoher Rendite investiert wird, vielmehr müssen die Geldströme in die reale Wirtschaft gebracht werden – hier stehen die politisch Verantwortlichen in der Bringschuld.

In diesem Zusammenhang wurde mehrfach auf die neue Rolle Russlands als Mitglied der BRIICS-Staaten hingewiesen. Die Frage stand im Raum, ob Russland weiterhin Interesse an einer Partnerschaft mit der EU hat? Sich der Tatsache bewusst, dass die Schwellenländer mittlerweile einen wachsenden Anteil am Welthandel übernehmen und sich derjenige der Europäischen Union verringert sich, lässt aufhorchen. Noch gravierenderer erweist sich ihre Energieabhängigkeit. Im globalen Gefüge stellt China hinsichtlich der Beschaffung von Ressourcen einen nicht zu unterschätzenden Faktor dar, dies angesichts des begrenzten Dargebots an Energieressourcen und anderen natürlichen Ressourcen. Die Aussage, dass sich der globale  Energiebedarf bis zum Jahr 2030 um weitere 30 Prozent erhöhen wird und etwa 400 Milliarden Euro allein in die EU-Energieversorgungsstrukturen investiert werden müssen, lässt das Dilemma erkennen. Abhilfe bringt die Nutzung der offshore-Windenergienutzung in den europäischen Küsten sowie die breitflächige Nutzung der Sonnenenergie in Südeuropa sowie der Biomasse in den EU-Ländern in Mittel- und Osteuropa.

Schlussfolgerungen

Das „XXIII. Wirtschaftliche Forum“ zeigte wichtige Leitlinien zur Behebung der aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Probleme auf. Das Aufsuchen des Konsenses in wichtigen aktuellen Fragen u.a. die Behebung der Finanzkrise, der Friedenssicherung und deri Schaffung von dauerhaften Arbeitsplätzen, wurde aus den unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Bedingt durch die Tatsache, dass Vertreter aus vielen Ländern anwesend waren, lässt die Hoffnung aufkommen, dass sich alle ihrer gemeinsamen Verantwortung bewusst werden. An der Schwelle zum 21. Jahrhunderts stehen wir vor dem Anbruch der Vierten Industriellen Revolution, die vor allem durch Umbrüche in den Kommunikationen, der intelligenten Energieversorgung, der Nutzung der nachwachsenden Ressourcen, des Klimawandels, der Verkehrsrevolution, des Generationenkonfliktes, dem Aufbau von sozialen Netzen und der neuen Entwicklungszusammenarbeit gekennzeichnet ist.

Die Weltgemeinschaft wird sich der nachhaltigen Entwicklung vermehrt annehmen müssen, denn sie stellt den Garant für das gemeinsame Überleben auf dem Planeten dar – alles Geld der Erde wird hier kein Jota ändern.