* Dr. – Ing. Marcel Oberweis
Die Energieversorgung stellt eine der größten Herausforderungen für die Europäische Union dar. Die steigenden Energiepreise und die erhöhte Energieabhängigkeit bedrohen die Versorgung aller Wirtschaftspartner. Zusätzlich müssen die CO2-Emissionen entscheidend verringert, umso dem Klimawandel Einhalt zu gebieten. Damit die erneuerbaren Energien sinnvoll in das Versorgungsnetz eingespeist werden können bedarf es Investitionen in Milliardenhöhe Euro.
Die vernetzten wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Dimensionen bilden den Hintergrund für die gewünschte nachhaltige Energiewende. Diese Wende bietet die Chance, den vielfach verankerten Gegensatz von Umwelt und Wirtschaft zu überwinden und eine umwelt- und ressourcenschonende Gesellschaft aufzubauen. Diese energie- und umweltpolitischen Ziele erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit und ermöglichen die Schaffung der benötigten Arbeitsplätze.1)
Mit ihrem Grünbuch „Ein Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030“ hat die Europäische Union im Übrigen den Rahmen für ihre Energie- und Klimapolitik abgesteckt. Mittels dieses Rahmens sollen die unterschiedlichen politischen Ziele u.a. die Sicherung der Energieversorgung verfolgt werden. Die Europäische Kommission hat sich jedoch in jüngster Zeit für die verstärkte Nutzung der Nuklearenergie eingesetzt, wohlwissend um deren gravierenden Nachteilen, dies kann nicht der gewünschte Weg sein. Die gewünschte engere europäische Kooperation bewirkt u.a. einen wirksamen Klimaschutz sowie eine erhöhte Energieversorgungssicherheit mit vorhersehbaren Kosten, damit Energie für jeden Mitbürger zugänglich bleibt. Laut der Schweizer Studie „Wege in die neue Stromzukunft“ bedingt die gewünschte Nutzung der erneuerbaren Energien den schnellen und umfangreichen Netzausbau, um den größtmöglichen Gewinn für die Gesellschaft zu erbringen. Die Schweiz möchte so den nachhaltigen Weg als oberste Richtlinie in der Energieversorgung verankern.
Die Europäische Union hat sich mit ihrer Strategie im Jahr 2007 eindeutig dazu bekannt, die Nutzung der erneuerbaren Energien voranbringen und die Energieeffizienz erhöhen, den Schutz der Biodiversität verankern und den ressourcenschonenden Verbrauch fördern. Die anstehende Energiewende muss in allen 28 EU-Mitgliedstaaten koordiniert in Angriff genommen werden, damit der EU-Binnenmarkt für elektrische Energie während den kommenden Jahren entstehen kann.
Ein weiteres energiepolitisches Ziel der Europäischen Union besteht darin, die nationalen Energiemärkte mit Blick auf den EU-Binnenmarkt für elektrische Energie wettbewerbsorientiert aufzubauen und die Energiepreise derart zu gestalten, dass die Wirtschaft wettbewerbsfähig und die elektrische Energie für die Endverbraucher erschwinglich bleiben. Dies kann nur gelingen wenn die externen Kosten internalisiert und die emittierten CO2-Emissionen eingepreist werden. Momentan wirken die zersplitterten nationalen Energiemärkte, die Nichteinbeziehung der Folgen des Klimawandels und die Nichtumsetzung der technologischen Innovationen im Bereich der Energieeffizienz hemmend in diesen Umwandlungsprozess.
Die Treibhausgasemissionen und die Auswirkungen auf die Umwelt
Bei näherer Betrachtung des Energieverbrauchs stellt man fest, dass die Europäische Union einen täglichen Verbrauch von durchschnittlich 14 Millionen Barrel Erdöl aufweist – etwa 16 Prozente der weltweit täglich geförderten Menge von etwa 90 Millionen Barrel. Angesichts der nachgewiesenen weltweiten finanzierbaren Erdölreserven lässt sich eine statische Reichweite von etwa 40 Jahren berechnen. Beim Erdgas werden etwa 65 Jahre veranschlagt, ebenfalls eine überschaubare Zeitspanne. Bedingt durch diesen Tatbestand und des weltweit steigenden Energieverbrauchs werden sich unweigerlich Lieferengpässe einstellen. In diesem Zusammenhang hat die Europäische Kommission hervorgehoben, dass die riskante Abhängigkeit von fossilen Energieträgern umgehend verringert werden muss, andernfalls die Europäische Union zu 90 Prozent von diesen Energieträgern im Jahr 2013 abhängig sein wird.
Die Europäische Union hat sich jedoch, und sie verdient viel Lob für diese Maßnahmen, sehr stark für die Reduktion der Treibhausgasemissionen, welche den Klimawandel begünstigen, eingesetzt. Durch ihre ambitiöse Politik möchte sie diese Emissionen bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber denjenigen im Jahr 1990 verringern. Bedingt durch den wachsenden Verbrauch an fossilen Energieträgern wurde am 1. Mai 2013 die kritische Grenze der CO2-Konzentration in der Atmosphäre von 400 ppm erreicht – die rote Warnlampe blinkt. Laut den Schätzungen des Weltklimarates erreichten die Treibhausgasemissionen den Rekordwert von 36 Milliarden t im Jahr 2012 – dies mit steigender Tendenz.
Der wissenschaftliche Beirat der UN-Klimakonferenz weist eindringlich darauf hin, dass die kritische Grenze bei 450 ppm liegt, diese darf nicht überschritten werden, andernfalls irreversible Störungen im Klimaprozess geschehen. Als weiterer Hinweis dient die Information, dass eine ähnlich hohe CO2-Konzentration – 400 ppm – vor zehn Millionen Jahren vorlag. Zu jener Zeit gab es noch keine Menschen, derweil heute etwa 7,4 Milliarden auf dem Planeten leben. Die Strategie der Reduktion von Treibhausgasemissionen und Steigerung der Energieeffizienz wird beflügelt durch das Wissen, das international vereinbarte Ziel – den Anstieg der Erderwärmung auf weniger als 2 Grad C zu begrenzen.
Schenkt man den Experten u.a. Prof. Hans-Joachim Schellnhuber vom Potsdam- Institut für Klimaforschung, Glauben, dann wird die Erwärmung des Weltklimas in wenigen Jahrzehnten massive Auswirkungen haben. Die südlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union werden weniger Niederschläge erhalten, die wüstenähnlichen Gebiete werden Überhand nehmen und die Ernährungslage wird prekär. 2)
Die Erwärmung der Atmosphäre steht wohl an oberster Stelle in der Klimadiskussion, es zeigt sich jedoch, laut den rezenten Berichten der Klimaforschung, dass sich die globale Temperatur während den vergangenen Jahren nur unwesentlich erhöht hat, obwohl die CO2-Emissionen weiter anstiegen. Laut Reto Knutti, Professor für Klimaphysik von der ETH Zürich, erkennen wir heute durch die verbesserten Klimamodelle, dass die komplexen Zusammenhänge u.a. der Einfluss der Wolken noch ungenügend geklärt sind. Er führt weiter aus, dass sich die Ozeane jedoch weiter erwärmen und die Gletscherschmelze ungehindert weitergeht. Wenn die Erdatmosphäre heute etwas weniger stark auf die CO2-Emissionen reagiert, dann bedeutet dies, dass die 2 Grad Grenze einfach einige Jahren später überschritten wird.
Die wachsende Menschheit muss demzufolge der erhöhte Reduktion der Treibhausgasemissionen die oberste Priorität einräumen, denn gemäß den Schätzungen des Weltenergierates werden die Kosten für die Halbierung der Treibhausgasemissionen auf 35.000 Milliarden Euro bis zum Jahr 2050 geschätzt. Die Industriestaaten, welche für 50 Prozent dieser Emissionen verantwortlich sind, wenden derzeit jedoch nur 3 Prozent dieses Betrages für die Beseitigung der Schäden auf. Hier wird die Tragfähigkeit der Erde überstrapaziert – ein Prozess mit gefährlichem Ausgang.
Erfolge auf breiter Front in der Europäischen Union
Im Jahr 2012 war die Europäische Union nur noch für 11 Prozent der weltweit emittierten Treibhausgase verantwortlich. Um dieses ambitiöse Ziel zu erreichen, haben die EU-Mitgliedsstaaten sich mit ihrer Strategie entschieden, den Anteil der erneuerbaren Energien auf 20 Prozent am Gesamtenergiemix und die Energieeffizienz um 20 Prozent zu erhöhen – dies bis zum Jahr 2020. Der mutige Schritt, vermehrt die Windenergie in der Ostsee, im Nordmeer, im Ärmelkanal sowie im Westen Europas, zusätzlich die Sonnenenergie im südlichen Europa sowie der Biomasse in den Ländern Mittel- und Osteuropa zu nutzen, verdient hohe Anerkennung. Es sei an die rezente Einweihung des größten offshore-Windenergieparks „London Array“ 20 km vor der Küste der Grafschaften Essex und Kent hingewiesen. Hier sollen im Endausbau 341 Windenergieanlagen (WEAn) mit einer gesamten elektrischen Leistung von 1000 MW auf einem Gebiet von 245 km2 bei einer Wassertiefe von durchschnittlich 23 m errichtet werden. Durch die Nutzung der Wasserkraft und dem Einbau von dezentralen Speichern wird die intelligente Energieversorgung in einem hervorragenden Maß angeschoben. Die Tatsache anerkennend, dass hohe Mengen an erzeugter erneuerbarer elektrischer Energie nicht zu den Verbraucherschwerpunkten gelangen können, bedingt durch das Nichtvorhandensein von Übertragungsfreileitungen, zwingt die Verantwortlichen sich dringend diesem Problem anzunehmen. Je stärker die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, desto mehr umfangreiche Netzausbauten werden notwendig. Mittels der kostendeckenden Einspeisevergütungen für die erneuerbare elektrische Energie kann der langfristige Nutzen für die Gesellschaft gewährleistest werden.
Wissend, dass die 100-prozentige Versorgung der elektrischen Energie auf Basis der erneuerbaren Energien erst in einigen Jahrzehnten verwirklicht wird, bedarf es weiterhin hocheffizienter Erdgaskraftwerke und moderner Kohlekraftwerke sowie einem Anteil an nuklearer Energie, wohlwissend um die Probleme der Endlagerung der abgebrannten Brennstäbe. Die wieder aufgeflammte Diskussion zur Nutzung der Kernkraft mit dem Argument, diese sei unschlagbar kostengünstig, funktioniere ohne Subventionen und sei CO2-frei, entspricht nicht den Tatsachen. Die Kosten für die Beschaffung des benötigten Urans, der Anreicherung sowie der Wiederaufbereitung, der jahrelangen Zwischenlagerung, der Entsorgung und des Abbau des Kernkraftwerkes beziffern sich in Milliardenhöhe Euro, ganz zu schweigen von den Folgekosten für die Havarien wie u.a. Fukushima. Eine Renaissance der Kernkraft, auch wenn die EU-Kommission dies befürwortet, darf nicht hingenommen werden. Die Pläne der EU-Kommission sehen vor, die elektrische Leistung der Kernkraftwerke von etwa 120.000 MW im Jahr 2010 auf 160.000 MW im Jahr 2050 anzuheben. Die Kommission geht von der irrigen Meinung aus, dass fallende Kosten die Wirtschaftlichkeit der Atommeiler erhöhen würde.
Die vorgesehenen Finanzmittel müssen vielmehr in die Energieeffizienz und die erneuerbaren Energien geleitet werden. Darf ich an dieser Stelle auf die rasanten Verringerungen der Investitionskosten für die erneuerbaren Energien hinweisen. Die Nutzung dieser Energien ist, laut dem Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), in den vergangenen Jahren überaus deutlich gesunken. Das DIW führt weiter aus, dass die Europäische Kommission die Kosten für die Kernkraft systematisch unterschätzt, hingegen diejenigen der erneuerbaren Energien beständig deutlich überschätzt und somit zur Marktverzerrung beiträgt. Insbesondere die Investitionskosten für die Freiflächenanlagen, in Luxemburg aufgrund der politisch nicht nachvollziehbaren Entscheidung verboten, haben sich bemerkenswert verringert.
Schlussfolgerungen
Auch wenn wir uns heute noch immer mit den Folgen der Finanz- und Eurokrise beschäftigen, so darf nicht vergessen werden, dass es nunmehr wichtig ist, die nötigen Perspektiven für die Zukunft aufzuzeichnen u.a. die Beseitigung der grassierenden Jugendarbeitslosigkeit. Für die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union ist es deshalb wichtig, dass wir uns der wachsenden Energieabhängigkeit bewusst werden und die Verringerung der Treibhausgasemissionen zu einem Kernelement unsrer Politik emporheben. Gefordert sind nunmehr die Anstrengungen, um den EU-Binnenmarkt für elektrische Energie aufzubauen, dies ist das Gebot der Stunde. Als hindernde „Störgröβe“ wirkt das Vorhandensein der 28 nationalen Energieversorgungspolitiken, die jede einzeln ihre ganz eigenen Interessen verfolgt und leider das Gesamtbild nicht im Blick hat. Die skizzierte Energieabhängigkeit verlangt deshalb nach einem nachhaltigen und ressourcenschonenden Wachstum, welches durch die innovativen Kräfte angetrieben wird. Es bedarf der beherzten intelligenten Energiewende, welche die dringend benötigten Arbeitsplätze schafft und wieder Zutrauen schenkt.3)
Mit Blick auf die schleichenden Veränderungen der Umwelt durch den Klimawandel muss umgehend die Umkehr, wie sie oben beschrieben wurde, eingeleitet werden. Eine durchdachte und vernetzte Energie- & Umweltpolitik ist nur möglich, wenn wir die Zusammenhänge verstehen und eine längerfristige Strategie entwickeln. Gemäß den ökologischen Herausforderungen durch den Klimawandel sind wir aufgefordert, die unmittelbar wirtschaftlichen Konsequenzen zu erkennen und den nötigen politischen Handlungsbedarf einzubringen. Wir sind aufgefordert, unsere Kompetent und Erfahrung gezielt einzusetzen, um die Effizienz der Energieanwendungen zu optimieren – in der Erzeugung, dem Transport, der Verteilung und der Anwendung der elektrischen Energie.
Wir dürfen nicht verpassen „auf den fahrenden Zug“ der nachhaltigen Energie- und Umweltpolitik aufzuspringen. Unsere bisherigen Anstrengungen sind nicht bedeutend, wir hätten ein Mehrfaches leisten können, wenn wir den nötigen politischen Mut aufgebracht hätten. Allein das Beispiel Luxemburg zeigt den Stillstand – wurden doch von den geforderten 11 Prozent erneuerbare Energien im Energiemix bis zum Jahr 2020 nur weniger als 4 Prozent erreicht.
Die Zeit drängt und die negativen Auswirkungen der Erderwärmung, der nachhaltigen Energieversorgung und des Biodiversitätsverlusts zu ignorieren, angesichts der 1,8 Milliarden Menschen, die ihr Leben in bitterster Armut auf dem Planeten fristen müssen, kann nicht mehr toleriert werden.
Quellenhinweise:
1) Europäische Union: Nachhaltige, sichere und erschwingliche Energie für die Bürger Europas
2) http://www.bmwi.de/DE/Themen/Energie/Energiepolitik/europaeische-energiepolitik.html
3) http://www.europarl.de/view/de/Europa/Politikfelder_A-Z/Klima-und-Energiepolitik.html