„Oban“ an der Westküste Schottlands, ist eine liebliche Kleinstadt in die sich eher selten Touristen verirren. Dabei würde sich ihnen ausgerechnet an jenem unscheinbarem Ort eine Sehenswürdigkeit anbieten, die ansonsten nur in der historischen Weltstadt Rom zu finden ist: ein die gesamte Stadt überragender Nachbau des Kolosseums. Freilich kann das imposante Bauwerk, nicht wie sein römisches Pendant, mit einer antiken Abstammung aufwarten, dafür aber mit einer erstaunlichen Entstehungsgeschichte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte ein ortansässiger Bankier Mitleid mit den einheimischen Arbeitern, die während der kargen Wintermonate keine Beschäftigung hatten. So kam er auf die zündende Idee, seiner Familie und sich ein Denkmal zu setzen und gleichzeitig seine Mitbürger mit dessen Bau zu beauftragen. Und obschon das Monument nie fertig gestellt wurde, bleibt mit ihm die Bemühung zurück, gegen ein Problem anzukämpfen, von dem gut hundert Jahre später nicht nur eine schottische Siedlung sondern halb Europa betroffen sein wird: die Arbeitslosigkeit.
Rund 26,5 Millionen Europäer waren im März 2013 laut dem Statistikamt der EU ohne Arbeit. Besonders hart trifft es dabei die europäischen Jugendlichen von denen 5,7 Millionen unter 25 Jahren erwerbslos sind. Auch unser Land, das lange als Musterschüler galt, leidet seit einigen Jahren verstärkt unter einer steigenden Arbeitslosenquote. Bis dato sind 17.000 Mitbürger auf der Suche nach einer Anstellung, unter ihnen auch 4.300 junge Menschen, die weniger als 30 Jahre alt sind.
Diese Zahlen verdeutlichen auf beeindruckend, ja erdrückende Weise, das Ausmaß eines sozialen Problems von dem mittlerweile ein ganzer Kontinent betroffen ist. Dabei kann sich Luxemburg, im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern, glücklich schätzen, dass bis jetzt noch jedes Jahr einige tausend neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Gleichwohl steigt auch hierzulande parallel dazu die Zahl der Erwerbslosen. Auf den ersten Blick mutet sich diese Gegebenheit paradox an, doch bei näherer Betrachtungsweise der Statistik offenbart sich letztlich einen Erklärungsansatz hierfür: über die Hälfte der Arbeitslosen erfüllt lediglich die Schulpflicht, was folglich auf einem Arbeitsmarkt, der immer höhere Schulabschlüsse als Grundbedingung für eine Anstellung voraussetzt, zum Verhängnis wird. Bei den jugendlichen Arbeitslosen gesinnt sich überdies die mangelnde Berufserfahrung hinzu während über den Köpfen der älteren Erwerbslosen ihr Geburtsdatum und die Höhe ihres letzten Gehaltes wie ein Damoklesschwert schwebt. Der Gang zum Arbeitsamt ist somit meist vorprogrammiert.
Doch was tun um den Fluch der Arbeitslosigkeit wirkungsvoll zu bekämpfen? Zum Beispiel,
- dafür sorgen, dass jeder Schüler angespornt und unterstützt wird einen Abschluss zu machen sowie auf den richtigen Beruf hin orientiert wird;
- die parallele Ausbildung in Betrieb und Berufsschule weiter ausbauen wie auch allgemein Wirtschaft und Schule stärker miteinander vernetzen;
- die Personaldecke des Arbeitsamtes aufstocken, die Vermittlung verbessern, damit Arbeitssuchende und Arbeitsgeber schneller zueinander finden können;
- Weiterbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen straffen und effizienter gestalten;
- Neue Wirtschaftszweige in Luxemburg ansiedeln um breiter aufgestellt zu sein und den vorhandenen Betrieben optimale Rahmenbedingungen bieten.
Jede dieser Bemühungen wird sicherlich ihren Teil zur Einzäumung der Arbeitslosigkeit beitragen können. Denn die eine, alles umfassende Patentlösung gibt es schlicht und ergreifend nicht. Der Arbeitsmarkt ist nun einmal eine komplexe Maschine, die aus unzähligen kleinen Stellschrauben besteht. Um sie zu justieren, bedarf es nicht einem, sondern mehrere koordinierte legislative, wirtschaftliche und soziale Handgriffe.
Ein wichtiger, gar entscheidender Faktor ist und bleibt indessen die Einstellung der Menschen. Jede noch so wohl überlegte Handlung verpufft im Nu wenn sie sich an vorherrschenden Denk- und Verhaltensmustern stößt. Unter anderem an der schwindenden Wertschätzung der Arbeit. In unserer Wohlstandsgesellschaft wird letztere häufig nur noch als lästiges Mittel zum Zweck betrachtet. Wobei es sich beim Zweck eindeutig als die freie Zeit mit ihren mannigfaltigsten Gestaltungsmöglichkeiten handelt. Sich im Jahr ab und zu eine Auszeit zu gönnen, sei jedem gestattet. Jedoch arbeiten zu gehen, um sich vor allem vergnügen zu können, grenzt nicht nur an Unverfrorenheit, sondern hat auch noch verheerende Auswirkungen, insbesondere für die heranwachsenden Generationen.
Oder wie soll einem Jugendlichen den Einstieg in die Arbeitswelt gelingen, wenn ihm von Anfang an Freizeit und Amüsement als Ideale vorgesetzt werden? Warum sollte er sich für einen handwerklichen Beruf entscheiden, wenn jene sozial verschmäht sind? Und wieso sollte er zu mehr Leistung angehalten werden, wenn sich auch Müßigkeit lohnt?
Arbeit ist durchaus zunächst als bezahlte Erwerbstätigkeit, die den Lebensunterhalt absichert, zu betrachten. Doch Arbeit bietet ferner jedem Menschen die Möglichkeit, seinem Leben einen Sinn, eine Regelmäßigkeit zu geben, sich selbst zu entfalten und gleichzeitig seinen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben zu leisten. Vor allem aber hat Arbeit einen inhärenten Wert. Und zwar jede Form von Arbeit.
Gelingt es uns als Gesellschaft nicht, den eigentlichen Wert der Arbeit wieder zu vermitteln und unsere Einstellung dahingehend zu ändern, dann droht auch von unseren edelsten und raffiniertesten Bemühungen nur mehr eine Ruine zurückzubleiben. Als allgegenwärtiges Zeichen unseres Scheiterns.
Wie einst ein unvollendetes Mahnmal, in einer lieblichen Kleinstadt an der Westküste Schottlands.
Serge Wilmes, Abgeordneter