Der Mensch träumt seit jeher davon den Grenzen seiner Existenz zu trotzen. Als er nicht mehr an den Boden unter seinen Füssen gebunden sein wollte, erfand er das Flugzeug um in die Lüfte aufzusteigen. Als ihm die Erde plötzlich zu klein wurde, wollte er in die Weiten des Weltalls vorstoßen und so erdachte er die Rakete. Und als ihm die wirtschaftlichen Angebote seines irdischen Lebens auf einmal zu karg erschienen, gab er sich mit Eifer dem Glauben an grenzenloses Wachstum her.
Die gegenwärtige Krise hat die Menschheit freilich wieder auf den harten Boden der Wirklichkeit zurückgeholt. Sie hat ihm auf schmerzhafte Art und Weise die Gesetze der Natur vor Augen geführt, die uns lehren, dass die Bäume nun einmal nicht in den Himmel wachsen. Wachstum, auch in seiner ökonomischen Variante, ist per se begrenzt und kann ergo nicht unendlich sein. Nicht einmal wenn es grün angestrichen wird! Dies bedeutet allerdings nicht, dass wir uns komplett vom Wachsen der Wirtschaft verabschieden müssen. Die Befürworter einer Null-Wachstumsmentalität hängen genauso einem Irrglauben an als die Apologeten des Unendlichen.
Die Ökonomie hat Potenzial um weiterhin wachsen zu können, allein schon deswegen weil es mehr Menschen geben wird und diese ihre Lebensbedingungen beständig verbessern möchten. Wachstum wird es jedoch nicht mehr in dem Masse geben können wie wir ihn bis dato gewohnt waren und der außergewöhnlich, ja unnatürlich war. Diese Anomalie wurde von der Krise aufgedeckt und wird nun von ihr reguliert. So gesehen ist die Krise als Chance und nicht als Fatalität zu betrachten. Natürlich handelt es sich um eine bittere Pille, die einstweilen geschluckt werden muss, doch bietet sie gar die Möglichkeit, gestärkt davon hervorzugehen. Dabei gilt es nur die richtigen Lehren aus der Krise zu ziehen.
Dies bedeutet zunächst, dass wir uns den veränderten Gegebenheiten anpassen und uns auf ein Wachstum einstellen müssen, das wirklich möglich, also realistisch ist. Anschließend können die Bedingungen für ein beständigeres, intelligenteres Wachstum geschaffen werden, das die natürlichen und menschlichen Ressourcen optimal und effizient nutzt. Dies bedeutet nicht in einen Zustand selbstgenügsamer Beschaulichkeit zu fallen sondern unsere Entdeckerfreude und unseren Tatendrang zu fördern. Dazu wird neues Wissen benötigt, das in Innovation und neuen, besseren Produkten münden wird. Denn nur die Produktion wird neuen Konsum ermöglichen können, da das Angebot die Nachfrage stimuliert und nicht umgekehrt.
Gebetsmühlenartig nach einer Steigerung der Kaufkraft zu rufen um das Wachstum anzukurbeln, führt demnach zu nichts. Investitionen in Bildung, Hochschulen und Forschung dagegen schon. Ebenso wie günstige Rahmenbedingungen für Betriebe zu schaffen und künftig eine vorausschauernde öffentliche Finanzpolitik zu betreiben, damit der Staat auch in wachstumsschwachen Zeiten handlungsfähig bleibt.
Deshalb müssen Reformen gemacht werden. Nicht der Reformen wegen sondern weil die Wirklichkeit dies verlangt. Sich ihr zu stellen, könnte der Anfang eines neuen Wachstums sein. Kein Null-Wachstum, das unter und kein grenzenloses Wachstum, das über unseren Möglichkeiten liegt. Sondern eines, das sich in den Grenzen des Möglichen bewegt.
Serge Wilmes, Abgeordneter