Der nächste Schritt

Die CSV versteht sich selbst als die Volkspartei der sozialen Mitte. Eine Volkspartei der Mitte muss sich auf Frauen und Männer stützen können.

Laut unserer Satzung sind alle Organe und Unterorganisationen verpflichtet, die Gleichstellung von Mann und Frau durchzusetzen. Vor zwölf Jahren wurde die Parität der Geschlechter als Zielsetzung in der Satzung verankert. Bis zum Erreichen dieses Ziels wurde vorgeschrieben, dass jedes Geschlecht zu mindestens einem Drittel in Gremien und auf Kandidatenlisten vertreten sein soll. Das sogenannte Quorum wurde damals in erster Linie erdacht, um die Mitwirkung von Frauen in der Partei zu fördern. Nach über zehn Jahren kann man feststellen: Das Quorum hat gewirkt. Die CSV wurde weiblicher.

Frauen stellen heute rund 36 Prozent der Mitglieder der Christlich-Sozialen Volkspartei. Mit drei Frauen im Kabinett, sieben Frauen in der Parlamentsfraktion, einer EU-Kommissarin und einer Europaabgeordneten hat sich das Erscheinungsbild gewandelt. In den Gemeinden besteht sicher noch Nachholbedarf. In den Proporzgemeinden waren 35 Prozent der Kandidaten weiblich. Nach den Kommunalwahlen stellt die CSV hier zwei Bürgermeisterinnen, sieben weibliche Schöffen und 25 Prozent der CSV-Gemeinderatsmitglieder sind Frauen.

In den Gremien wird das Quorum soweit fast erfüllt, auch wenn vereinzelt noch Anstrengungen nötig sind. Der Nationalvorstand zählt 11 Frauen von 36 Mitgliedern, der Nationalrat 59 Frauen von 166 Mitgliedern, 27 Prozent der Delegierten des Nationalkongresses sind weiblich. Frauen stehen an der Spitze von 20 Lokalsektionen oder Sektionsverbänden und stellen 29 Prozent der Delegierten der Bezirkskongresse.

Das Quorum dient weiterhin in erster Linie der Förderung der Beteiligung von Frauen. Aber in einigen Lokalsektionen werden demnächst die Männer auf “den Schutz” des Quorums angewiesen sein.

Das Quorum, eine Versuchung

Dem Quorum liegt die Versuchung inne, sich mit dem Erreichen des Quorums zu begnügen. Das widerspricht allerdings dem Geist der Statuten, die klar die Parität als Ziel vorgeben. Auf eine genaue Zeitangabe, bis wann diese Parität erreicht werden sollte, hat man verzichtet. Nach über zehn Jahren dürfte die Zeit aber reif sein, einen Schritt weiter zu gehen. In den nächsten Monaten werden die Kandidatenlisten für die Parlamentswahlen 2014 vorbereitet. Das Quorum ist dabei selbstverständlich verpflichtend. Die Partei muss sich aber fragen, ob das Quorum alleine noch ausreichend ist und ob nicht jetzt ein entscheidender Schritt in Richtung Parität angebracht wäre.

Haben sich durch eine höhere Beteiligung von Frauen auch die Art der Politikgestaltung und die Inhalte verändert? Frauen machen nicht unbedingt eine andere und nicht zwangsläufig eine bessere Politik als Männer. Aber alleine die verstärkte Präsenz von Frauen in der Politik verändert deren Diskurs und Habitus. Die Politik findet heute sicher nicht mehr spätabends in verrauchten Hinterzimmern statt. Männliche Rituale bestimmen nicht mehr die politische Auseinandersetzung. Das Gruppenbild mit Dame gehört der Vergangenheit an.

Die Inhalte der Politik haben sich in den vergangenen Jahren nicht unbedingt verändert, aber vielleicht verschoben und sicherlich erweitert. Nicht nur die Gesellschaftsfragen wären in einer weiterhin von Männern dominierten Partei mit hoher Wahrscheinlichkeit anders beantwortet worden.

Die CSV will eine Volkspartei sein, in der “Jidder Eenzelen zielt”. Um diesem Anspruch weiter gerecht zu werden, müssen Frauen in den nächsten Jahren noch mehr zählen.

Laurent Zeimet

CSV-Generalsekretär

(Der Artikel ist ein “Zu Gast-Beitrag” in der Wochenzeitung “d’Lëtzebuerger Land”, Ausgabe 12, 2013)