Über Arbeit dürften sich die Abgeorneten dieser Tage nicht beklagen. Zum einen müssen eine ganze Reihe mehr oder minder bedeutender Gesetzvorlagen durch den Instanzenweg gelotst werden; zum anderen verlangt die Krisenbewältigung ein engagiertes Wirken von der Politik. Im Interview mit dem „Luxemburger Wort“ betont CSV-Fraktionschef Marc Spautz denn auch, dass die Koalition auch im noch zu bewältigenden Teilabschnitt der Legislaturperiode gestaltend auftreten wird.
Wie reagieren Sie auf jene Stimmen, die behaupten, CSV und LSAP sei nur noch daran gelegen, sich bis zum Wahltermin 2014 über die Runden retten zu wollen, ohne dabei irgendwelche Akzente zu setzen?
Dem ist beileibe nicht so. Es genügt doch, einen Blick in die einzelnen parlamentarischen Ausschüsse zu werfen, um sich zu vergewissern, dass diese Koalition sehr wohl noch legislative Akzente setzen wird. Unseren Willen der Politikgestaltung machen wir nicht vom Wahltermin abhängig.
Eine Hausaufgabe hatten sich die beiden Fraktionen im Herbst 2012 gegeben: Wie sieht es denn nun aus mit weiteren haushaltspolitischen Konsolidierungsbemühungen?
Die Diskussionen mit unserem Koalitionspartner laufen, so wie wir das Ende des vergangenen Jahres vereinbart haben. Auch bleibt es dabei, dass wir einzelne Budgetblöcke unter die Lupe nehmen wollen, beispielsweise die Betriebskosten beim Staat oder die Beschäftigungspolitik, und daraufhin ein kohärentes Paket schnüren. In welcher Größenordnung die Konsolidierung erfolgen wird, muss sich zeigen, wenn die Haushaltszahlen für 2012 vorliegen – was um Mitte März der Fall sein dürfte.
Die zu treffenden Maßnahmen werden dann in das Stabilitätsprogramm einfließen …
… und vom Premierminister beim Etat de la nation am 10. April vorgestellt.
Ein anderer wichtiger parlamentarischer Termin ist die Debatte zur Beschäftigungspolitik am 15. Mai. Angesichts von über 22 000 Menschen ohne bzw. ohne feste Anstellung kann es mit Diskutieren allein nicht getan sein.
Der Beschäftigungsausschuss der Chamber arbeitet mit Nachdruck an der Vorbereitung der Debatte, unter Einbeziehung der Sozialpartner. Wir wollen einen Beschäftigungspakt schaffen. Allerdings dürfen wir uns nichts vormachen: Die Politik allein wird es nicht schaffen, die Schieflage am Arbeitsmarkt zu begradigen.
Besorgnis erregend ist insbesondere die hohe Rate an jugendlichen Erwerbslosen. Inwieweit entspricht die schulische und berufliche Ausbildung den reellen Bedürfnissen?
Es muss gelingen, die beruflichen Vorstellungen der Jugendlichen mit den Ansprüchen ihrer Eltern und den Bedürfnissen der hiesigen Arbeitswelt in Einklang zu bringen. Dafür gibt es natürlich keine Allerweltslösungen. Es sollte aber schon so sein, dass Angebot und Nachfrage zueinanderfinden. Konkret bedeutet dies z. B., zu vermitteln, dass es sich bei hochqualifizierten Arbeitnehmern nicht einzig um Ärzte oder Anwälte handelt, sondern dass sich auch Chancen in jenen Branchen auftun, wo Luxemburg sich wirtschaftlich entwickeln will: die ICT-Bereiche, die Öko- und Biotechnologien. Hier kann die jüngst geschaffene Maison de l’orientation Hilfestellung bieten.
Gesellschaftspolitisch schickt sich die Koalition unter CSV-Regie an, nach den Anpassungen an der Abtreibungsgesetzgebung mit der gleichgeschlechtlichen Ehe ein weiteres heißes Eisen zu schmieden …
… so wie wir das im Koalitionspapier vereinbart haben. Es wird allerdings dabei bleiben, dass es, wie im Fall der Abtreibung, keine Einstimmigkeit in der CSV-Fraktion geben wird. Darüber hinaus darf nicht ungeachtet bleiben, dass derzeit zwei weitere gesellschaftspolitische Felder bearbeitet werden: Zum einen das Miteinander zwischen Staat und Glaubensgemeinschaften, wo wir dabei sind, die Schlussfolgerungen aus dem Expertenbericht zu ziehen. Ich gehe davon aus, dass wir uns auf Konventionslösungen verständigen können. Zum anderen die Staatsbürgerschaft, wo Vorhaben und Vorgehen von Justizminister Biltgen auf breite Unterstützung treffen.
Die Sprachenfrage sorgt aber zumindest für Diskussionen …
… weil der luxemburgischen Sprache hierzulande immer mehr Bedeutung beigemessen werden muss. Nehmen wir die Beteiligung am politischen Leben. Wer an Wahlen teilnehmen will, der muss das Luxemburgische auch verstehen. Denken Sie nur an die Debatten im Parlament, die quasi ausschließlich auf Luxemburgisch abgehalten werden. Wie wollen Sie sich in einer politischen Debatte zurechtfinden, wenn Sie die Sprache nicht verstehen?
Mit Blick auf die Wahlen müssen sich die Parteien auch Gedanken um Doppelmandate oder zeitliche Beschränkungen der Mandate machen.
Diesen Diskussionen werden sich die Parteien nicht verschließen können. Es gibt allerdings keine einfachen Lösungen, wo man die heute gängige Praxis des Ämterkumuls ohne angemessene Rahmenbedingungen abschafft. Es muss schon gewährleistet sein, dass die kommunale Stimme in der Nationalpolitik Gehör findet. Es stellt sich für mich aber auch die Frage, ob Luxemburg überhaupt über ein derart großes Reservoir verfügt, um alle Posten im Fall der Trennung zu besetzen. Begrenzt man die Mandatsdauer, muss man auch die berufliche Wiedereingliederung in die Privatwirtschaft organisieren.
Wie schätzen Sie die Arbeit im Srel-Enquete-Ausschuss ein?
Ich bedauere die Vermischung der zeitlichen Etappen. Gewiss ist es wichtig, sich mit der Vergangenheit zu befassen. Man sollte sie aber in ihren jeweiligen Kontext setzen, ob dies nun die Ära des Kalten Krieges war mit der gesetzlichen Schaffung eines Geheimdienstes in Luxemburg oder die Periode nach den Anschlägen von 9/11, unter deren Eindruck das Datenschutz- und das Geheimdienstgesetz 2002 bzw. 2004 verfasst wurden.
Quelle: Luxemburger Wort – 26. Februar 2012 – Seite 2-3 – Foto : Guy Jallay