Technik und Kultur – Eckpunkte einer sich wandelnden Gesellschaft

Der technische Fortschritt hat seit dem Beginn der Renaissance einen festen Platz in der westlichen Zivilisation eingenommen. In der Antike und während dem Mittelalter wurden bereits technische Erfindungen den Menschen zur Verfügung gestellt, um ihnen das Leben in vielfältiger Art zu erleichtern u.a. das Rad, der Hebel, die schiefe Ebene und der Flaschenzug. Das ausgehende Mittelalter hin zur Renaissance ist u.a. durch Johannes Gutenberg, Leonardo da Vinci, Otto von Guericke  und Denis Papin gekennzeichnet. Die Einführung der Dampfmaschine durch James Watt leitete die technische Entwicklung ein, sie gilt als die dominante Richtschnur für den kulturellen und gesellschaftlichen Wandel. Die Eisenbahn, die Dynamomaschine, das Automobil, das Flugzeug, der Transistor, der Computer, die Satelliten, die Photovoltaïkzellen, die Mikroelektronik, die Medizintechnik, die Nanotechnologie, die intelligenten Netze und die Gentechnologie sind Zeugen des technischen Fortschritts.

Der permanente Forschungsdrang sowie das stete Streben nach Innovation sorgen dafür, dass das Leben auf der Erde einer ständigen Revolution unterworfen ist. Die moderne Technik und die herausgebildeten Technologien stellen die  Eckpfeiler der Gesellschaft dar und dynamisieren den Alltag. Vor allem nimmt die elektrische Energie eine immer bedeutendere Rolle hinsichtlich der Kommunikation, des Transportes und der Ausbildung in der multimedialen Gesellschaft ein.

Die unterschiedlichen sozialen Auswirkungen der Technik sowie die erheblichen negativen Begleiterscheinungen des technischen Fortschritts sollen jedoch nicht verkannt werden. Deshalb müssen die wissenschaftliche und die technische Forschungen so aufgestellt werden, dass ihre gesellschaftlichen Auswirkungen in einem frühen Stadium erkannt werden. Es ist die Aufgabe der heutigen Generation, den  technischen Fortschritt zu relativieren und mögliche Risiken kritisch abzuwägen.

Es sei  vermerkt, dass 13,5 Millionen Tonnen Erdöl, 13 Millionen Tonnen Kohle und 9 Milliarden m3 Erdgas sowie viele Tonnen Uran pro Tag in der Energieversorgung eingesetzt werden, wohlwissend um die negativen Einträge in die natürlichen Lebensressourcen. Die wachsende Weltbevölkerung wird sich mit dieser kruzialen Gratwanderung auseinandersetzen müssen – die nachhaltige Entwicklung muss verwirklicht werden. Angesichts der weitreichenden Konsequenzen des Klimawandels und des Auftretens von extremen Wetterverhältnisse in den vergangenen Jahren, müssen den klimatischen Veränderungen eine höhere Priorität eingeräumt werden.

Die Technik und die Technologien

Die Technik erlaubt die praktische Anwendung der Naturwissenschaften zur Herstellung von Produkten und Dienstleistungen für die Gesellschaft. Sie unterstützt die vernetzten Beziehungen zwischen der Wirtschaft, der Politik, der Kultur in der Gesellschaft. Die Technologie bedeutet  die „Lehre von der Handwerkskunst”, seit der ersten industriellen Revolution wurde die Technologie auf die  technologischen Prozesse beschränkt. Mit der Beschleunigung des technischen Fortschritts durch die Forschung & Innovation erhält die Frage nach der kulturellen Relevanz von Technologien eine neue Dimension. Die unterschiedlichen Konferenzen fordern diesbezüglich die Politik und die  Wissenschaft auf, einen verantwortungsvollen  und verantwortungsbewussten technischen Fortschritt einzuleiten. In meinen Augen muss es zu einer kohärenten Haltung zwischen der Kultur und der Technik kommen. „Die Lebensbedingungen der kommenden Generationen durch das verantwortungslose Verhalten, die un­gerechte Verteilung von Wohl­stand sowie den Raubbau an den endlichen Ressourcen zu belasten.“, kann nicht mehr geduldet werden. Diese  Missstände mit der Ausrede tolerieren, man habe diese katastrophalen Zusammenhänge nicht erkannt und die verheerenden Auswirkungen nicht voraussehen kön­nen, muss ein Ende nehmen.

Die Veränderungsbereitschaft stellt den Kern der Wissensgesellschaft dar.

Technik, Innovation und Gesellschaft stellen das zentrale Gebilde mit Blick auf den wissenschaftlichen Fortschritt dar. Die nichttechnischen Aspekte u.a. die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Akzeptanz seitens der Bevölkerung und die Ethik sind weitere Partner in diesem Gestaltungs- und Wissensprozess. Wissend, dass das erworbene Wissen schnell veraltet, hat sich die Europäische Union mit ihrem Strategiepapier verpflichtet, mindestens acht Prozent des EU-Bruttosozialproduktes jährlich in die Pfeiler: Bildung und berufliche Qualifikation sowie in Forschung und Innovation bis zum Jahr 2020 zu investierten. Mit dem Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft entwickelt sich das Wissen zu einem entscheidenden Produktionsfaktor. Die Forschungsstätten und die Bildungsinfrastrukturen, die Wirtschaft und die Wissenschaft müssen zusammenwachsen, um letztendlich den Menschen die Qualifikationen anzubieten und in ihnen die benötigten Kompetenzen wecken.

Es sei angemerkt, dass die Vereinten Nationen die Dekade 2004 bis 2015 unter das Motto „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ gestellt haben. Ein Ziel von hoher Priorität besteht darin, weltweit vor allem die Jugendlichen vom Kindergarten bis zur Universität für den Umwelt- und Klimaschutz zu sensibilisieren. Es hat sich gezeigt, dass die Natur und der Umweltschutz die  Lernfelder darstellen, für die sich die Jugendlichen begeistern. Die Schule und die Lehrenden sind aufgefordert, die naturwissenschaftlichen Aspekte im Sinne der Verschmelzung von Kultur und Technik darzulegen. Das Ministerium für Nationale Erziehung hat diesbezüglich eine Broschüre veröffentlicht, welche als Richtschnur in der „Ecole fondamentale“ und in den Gymnasien eingesetzt wird. Hier soll Jean Monnet, ein Gründervater  der Europäischen Union, mit der Aussage: „Wir können nicht stillstehen, wenn die Welt in Bewegung ist.“ zitiert werden.

Die zunehmende Einbeziehung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die politischen, die wirtschaftlichen, die rechtlichen und die ethischen Entscheidungen werden den technischen Fortschritt in die Richtung der nachhaltigen Entwicklung und der verringerten Ressourcenabhängigkeit leiten. Die Kreativität und die Innovationsfähigkeit stellen die Triebfedern der  wissensbasierten Gesellschaft dar, sie ermöglichen die Verwirklichung der wirtschaftlichen Ziele und festigen die sozialen Ansprüche der Bürger und Bürgerinnen.

Die Aussage von Albert Einstein: „Die Welt, so wie wir sie geschaffen haben, ist ein Prozess unseres Denkens. Sie lässt sich nicht ändern, ohne dass wir unser Denken verändern“. beschreibt die gewünschte Wandlung. Die Menschheit steht somit vor der gewaltigen Herausforderung, die Technik und die Kultur als Partner derselben Medaille in einem vernetzten Denkprozess wahrzunehmen. Wenn wir versagen, dann lastet eine schwere Bürde auf den kommenden Generationen, unter der sie zusammenbrechen werden.

Dr. – Ing. Marcel Oberweis