Der Trend zur Verstädterung hat die Raumentwicklung während den vergangenen Jahrzehnten deutlich geprägt und die Prognosen lassen noch keine Umkehr erkennen. Der Anteil der in den Städten und Ballungsgebieten wohnenden Menschen wird von derzeit 73 Prozent auf nahezu 84 Prozent im Jahr 2050 ansteigen, dies laut dem Bericht „World Urbanization Prospects“ der Vereinten Nationen. Die krakenhafte Ausdehnung der Städte stellt die Herausforderung für den Nahverkehr dar, da sie eine starke Nachfrage nach individuellem Verkehr hervorruft und die Lebensqualität beeinträchtigt. Das gegenwärtige Verkehrssystem mit hoher individueller Mobilität stößt jedoch an seine Wachstumsgrenzen, einerseits durch die erheblichen Belastungen für die Umwelt und die Lebensqualität der Menschen sowie anderseits durch die begrenzten Energieressourcen.
Der Verkehr stellt wohl die Grundlage der globalen wirtschaftlichen Dynamik dar. Die vor mehr als 150 Jahren geschaffene Mobilität durch das Automobil (das erste wurde von Jean Joseph Etienne Lenoir in Paris im Jahr 1863 vorgeführt) prägt bisher den Lebensstil der Bürger. Angesichts des Klimawandels durch die Treibhausgasemissionen muss der Verkehr jedoch stärker nach den Richtlinien der nachhaltigen Entwicklung ausgerichtet werden. Um den Temperaturanstieg unter 2 Grad C zu begrenzen, muss u.a. die Europäische Union ihre Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent bis 2050 gegenüber 1990 verringern.
Es muss das gemeinsame Ziel der europäischen Verkehrspolitik sowie auch der luxemburgischen werden, diese in Einklang mit der Verkehrswirtschaft zu bringen, denn nur so kann die gewünschte nachhaltige Mobilität garantiert werden. Es leuchtet ein, dass dies nur gelingen kann, wenn auch die wirtschaftlichen und die sozialen Aspekte mitberücksichtigt werden. Den einheitlichen europäischen Verkehrsraum verwirklichen, heißt demzufolge alle Verkehrsträger je nach ihren Stärken miteinbeziehen, denn es geht letztendlich auch um die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Wirtschaftsstandorts.
Ein wichtiger Nachdenkprozess wird eingeleitet
Die Europäische Kommission weist ebenfalls auf die Tatsache hin, dass der Verkehr mit einem Anteil von 10 Prozent am EU-BIP beteiligt ist und etwa 10 Millionen Arbeitsplätze von ihm abhängen. Die Mobilität mittels der Lkw- und der PkW-flotten stellt momentan die zentrale Voraussetzung für die wirtschaftliche und die gesellschaftliche Entwicklung der Gesellschaft dar. Das zunehmende Verkehrsaufkommen erfordert jedoch den stetigen Ausbau der Infrastrukturen und es kommt zu gravierenden Zerschneidungen der Landschaft sowie einer hohen Flächenversiegelung.
Laut Aussagen der Europäischen Union entfallen etwa 40 Prozent der CO2-Emissionen und 70 Prozent der Emissionen sonstiger Schadstoffe auf den Straßennahverkehr. Durch den technologischen Fortschritt in der Europäischen Union wurden die vom Verkehr ausgehenden Emissionen an Stickoxiden, flüchtigen organischen Verbindungen und kanzerogenen Stoffen u.a. Dieselruß und Benzol in den vergangenen Jahren deutlich reduziert.
In der Europäischen Union werden derzeit 44 Prozent der Güter mit der LKW-Flotte befördert, hingegen entfallen nur 10 Prozent auf die Eisenbahn und der Rest wird über den Kanal- und Seeverkehr abgewickelt. Bezüglich des Personenverkehrs gelten folgende Richtwerte: die Straße übernimmt 81 Prozent und die Eisenbahn nur 6 Prozent. Laut den Aussagen des EU-Verkehrskommissar Siim Kallas wird der Frachtverkehr ohne politisches Gegensteuern um 90 Prozent bis 2050 auf den Straßen der Europäischen Union anwachsen, im Gefolge werden die Staulängen immer grösser und die Lebensqualität verringert sich. Die Abhängigkeit des Verkehrssystems vom Erdöl ist eine wichtige Vorgabe, ohne aber die Effizienz des Systems und die Mobilität zu verringern.
Die Menschen werden sich bewusst, dass die positiven und negativen Aspekte des Verkehrs ökologische und ökonomische sowie soziale Fragen berühren, dies gilt insbesondere für die Städte und die Ballungsräume, in einem verringerten Maß auch für den ländlichen Raum. Wissend, dass der Personen- und Güterverkehr eine wachsende Tendenz aufweist, können die bekannten erheblichen Umweltwirkungen nicht mehr kritiklos hingenommen werden. Es bedarf der nachhaltigen Mobilität d.h. der Verlagerung des Personen- und Güterverkehrs von der Straße hin zu dem weniger umweltbelastenden Verkehrsträger Eisenbahn. Dies kann jedoch nur durch die Bereitstellung von hohen finanziellen Zuwendungen gelingen – der Gewinn an Lebensqualität für die Menschen und die verringerte Belastung der Biodiversität sollten als Ansporn dienen. Die Losung kann deshalb nur lautem:“Den individuellen Autoverkehr vermeiden und verstärkt den öffentlichen Personennahverkehr d.h. die sanfte Mobilität nutzen.
Die aktuelle Wirtschaftslage hat auch ihre Spuren in Luxemburg hinterlassen. Die provisorische Stilllegung der Produktion in den Stahlstandorten Rodange und Schifflingen sowie die Probleme in einigen Mittelunternehmen sind eindeutige Indizes für den wirtschaftlichen Wandel in Luxemburg Trotzdem hat sich die luxemburgische Eisenbahn kühne Ziele im Rahmen der Steigerung des Öffentlichen Verkehrs (25:75) gesetzt. Der Ausbau der Eisenbahnverbindung nach Petingen wird die Kapazität erhöhen und der Bau einer neuen TGV-Bahnstrecke nach Bettemburg hin nach Frankreich (mit der Anbindung an das DB-ICE Streckennetz) wird die Attraktivität für die Eisenbahn weiter erhöhen.
Der sich in der Planung befindliche neue Haltepunkt unterhalb der „Roten Brücke“ wird die Attraktivität auf der „Nordstrecke“ anwachsen lassen, leider stellen die eingleisigen Tunnelbahnabschnitte im „Eisleck“ die „bottlenecks“ dieser Strecke dar. Der Bau der „gares intermodales“ mit Blick auf die Feinverteilung der Verkehrsströme wird ebenfalls eine „win-win-Situation“ schaffen. Minister Claude Wiseler hat diesbezüglich von der nachhaltigen Mobilität gesprochen, die darin gipfelt, die einzelnen Verkehrsträger eng ineinander greifen zu lassen. Die gewünschte räumliche Verkehrsstrategie kann nur gelingen, wenn der noch ausstehende „plan sectoriel transports“ in die Umsetzung gelangt.
Lässt dies Hoffnung keimen, so haben die jüngsten Aussagen bezüglich der Verringerung der Eisenbahnverbindungen in Richtung Brüssel sowie nach Trier und Koblenz die politisch Verantwortlichen auf den Plan gerufen. Einmal mehr muss Luxemburg mittels finanzieller Mittel diese wichtigen Verbindungen aufrecht erhalten, durch welche das Ziel der nachhaltigen Mobilität nicht erreicht werden kann.
Schlussfolgerungen
Durch die Berücksichtigung des Verursacherprinzips kann die aktuelle Verzerrung des Wettbewerbs zwischen den Verkehrsträgern reduziert werden – gefordert wird die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene. Letztere stellt die Transportinfrastruktur dar, welche die wachsenden Verkehrsströme in wirtschaftlicher und umweltschützerischer Hinsicht bewältigen kann. Unter Nutzung aller Verkehrsträger werden wir die benötigten intelligenten und zukunftsorientierten sowie kosteneffizienten Lösungen aufsuchen, damit die Verkehrsbelastungen in den Ballungszentren und im ländlichen Raum menschengerecht gestaltet werden. Auch in der Entwicklung von neuen Antriebstechnologien sehen die Verkehrsexperten die Chance, das nachhaltige Ziel zu erreichen.
Bedingt durch die mehrschichtigen Probleme, welche sich durch den motorisierten Individualverkehr aufdrängen, stehen wir in der Pflicht, das Leitbild der integrierten Verkehrspolitik aufzuzeichnen. Die nachhaltige Verkehrspolitik bedeutet demzufolge auch einen Ausgleich von divergierenden Interessen u.a. zwischen den umweltschützerischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen. Die aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrisen bieten immerhin die große Chance, den Weg für die innovative und nachhaltige Verkehrspolitik einzuläuten.
Durch Innovation wird der technologische Fortschritt hin zur nachhaltigen Mobilität beflügelt. Die begrenzten natürlichen Ressourcen und der Blick auf die nachhaltige Entwicklung mit weniger Umweltbelastung verlangen nach der intelligent vernetzten Nutzung aller Verkehrsträger. Ohne die Mithilfe des einzelnen Mitbürgers werden wir diese Herausforderung aber nicht schaffen.
Literaturnachweise:
1) KOM(2011) 144 endgültig Weißbuch: Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum –
Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem.
2) Die Europäische Verkehrspolitik 2010-2020
3) Das Portal der Europäischen Union: Bereich Verkehrswesen