Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft

„Vertrauen ist der Anfang von allem“, warb einst die Deutsche Bank für sich und ihre Finanzprodukte. Im Laufe der Finanzkrise wurde dieses Vertrauen von einigen Bankhäusern jedoch leichtfertig zerstört.

Sicherlich hatte die Politik ein Interesse daran, das Bankensystem zu stützen. Sicher hatten auch die kleinen Sparer ein Interesse daran, dass sich ihre Guthaben nicht in Luft auflösten. Dennoch bleibt der Eindruck, dass Banker sich geschickt aus ihrer Verantwortung gestohlen haben und dass Risiken und Lasten der Krise nicht gerecht verteilt wurden.

Aber auch das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik hat unter dem Eindruck von ständigen EU-Krisengipfeln gelitten. Die astronomischen Geldsummen, mit denen die Schuldenkrise eingedämmt werden soll, übersteigen die Vorstellungskraft der meisten Zeitgenossen. Je länger diese Krise dauert, desto stärker macht sich eine gewisse Krisenmüdigkeit breit. „Die Menschen haben aber die Faxen dicke, dass man sie Tag für Tag mit verwirrenden, hochkomplexen Nachrichten über den Euro überschwemmt. Das erhöht Ressentiments, und es gelingt der Politik nicht, dem Frust eine faszinierende Erzählung über Europa entgegenzusetzn[1]“, stellt auch der deutsche Sozialdemokrat Peer Steinbrück fest. Für die meisten Mitbürger ist der Euro in erster Linie ein Zahlungsmittel und kein politisches Projekt. Eine Währung kann aber nur Bestand haben, wenn die Menschen Vertrauen haben. Dieses Vertrauen wird seit Monaten auf eine harte Probe gestellt.

Die Finanzarchitektur der Welt muss unbedingt neu und gerecht geordnet werden. Das setzt aber voraus, dass sich Politiker die nötige Zeit und Ruhe gönnen, um sich auf ein neues finanzpolitisches Miteinander zu einigen. Es gibt Entscheidungen, die können nicht im Twitter-Takt getroffen werden. Die Politik braucht sich nicht von den Märkten treiben zu lassen. Die Courage, sich gegen diese Kräfte zu stellen, scheint aber leider noch zu fehlen.

Dabei dürfen die Grundausrichtungen unserer Politik nicht den Launen und Schwankungen der Konjunktur, der Finanzmärkte oder der Meinungsumfragen unterliegen. Sie muss auf Werten und Grundsätzen gründen, die nicht zur Disposition stehen. Für uns, Christlich-Soziale, war immer klar: Wir stehen für eine soziale und nachhaltige Marktwirtschaft. Doch auch Christlich-Soziale und Christdemokraten konnten der Versuchung der marktwirtschaftlichen Euphorie nicht immer wiederstehen.

So war die Idee einer Sozialen Marktwirtschaft nach dem Fall der Mauer eher auf dem Rückzug. Der Zeitgeist hatte sich einem liberalen Wirtschaftsdenken verschrieben. Die Globalisierung erfolgte nach den Spielregeln der freien Marktwirtschaft. Das Soziale spielte wenn überhaupt eine Nebenrolle. Da konnte Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika « Centesimus Annus » noch so sehr davor warnen, dass der Kapitalismus nicht allheilbringend sein wird.

Für Christlich-Soziale bleibt die Soziallehre der katholischen Kirche weiterhin verbindlich. Indem wir uns auf ihre Grundwerte berufen, wollen wir die globale Wirtschaft durch eine globale Sozialordnung steuern. Dies muss uns jetzt zunächst auf europäischer Ebene gelingen.

Denn nur wenn wir den Bürgern glaubhaft vermitteln, dass ihr Wohl im Mittelpunkt europäischen Handelns steht, können wir Vertrauen nach und nach zurück gewinnen.

Laurent Zeimet, CSV Generalsekretär, Zu Gast im Land, 17.08.2012


[1] In: „Das wird schwer für die SPD“, Interview in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 11./12. August 2012.