LW-Gespräch mit dem neuen Niederkerschener Bürgermeister Michel Wolter
Luxemburger Wort, 6. Januar 2009, Nathalie Rovatti
Knapp 18 Monate verbleiben dem neuen Bürgermeister Michel Wolter, um kommunalpolitische Akzente in Niederkerschen zu setzen. Zeit verlieren will er keine. Die drei Vorhaben, die auf lokaler Ebene bis 2011 abgeschlossen werden sollen, sind der Bau der neuen Sportinfrastrukturen und des Recyclingcenter sowie die Fusion mit Küntzig. Darüber hinaus richtet Wolter den Blick aber auch ins Korntal, denn die interkommunale Zusammenarbeit werde zukünftig einen immer größeren Stellenwert einnehmen, so der „député-maire“.
Dass der oft und gerne als „Vater des IVL“ betitelte Michel Wolter nun auch in seiner neuen Eigenschaft als Bürgermeister eine Lanze für eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden bricht, überrascht nicht. Bereits als Mitglied des Gemeinderates setzte er sich stets für mehr interkommunale Kooperation ein. Diese soll zukünftig zielstrebig vorangetrieben werden, meint der ehemalige Minister und heutige Abgeordnete und CSV-Nationalpräsident im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“.
„Seinen Platz im Korntal finden“
Die verschiedenen Ideen, die ihm in diesem Bereich vorschweben, hat er unter der Bezeichnung „Käerjéng 2020“ zusammengefasst. „Es geht darum, vorausschauend zu überlegen und dementsprechend zu handeln. Wo will die Gemeinde Niederkerschen in den nächsten fünf bis zehn Jahren hin? Welche Rolle will sie im Ballungsgebiet Korntal einnehmen? Und vor allem, was macht sie aus und was ist ihre Besonderheit?“ erklärt Michel Wolter. Eine eigene Identität zu haben und auch zu vertreten, sei ein wichtiger Integrationsfaktor für eine Gemeinde. Über diesen Weg, so glaubt das neue Oberhaupt, könne auch das Zugehörigkeitsgefühl der Bürger gestärkt und eine tiefere Verwurzelung der Einwohner in ihrem Wohnort erreicht werden. Als Vorbild einer solch positiven Entwicklung bezeichnet er die Gemeinde Düdelingen.
Auf kultureller und sportlicher Ebene strebt Michel Wolter zukünftig eine engere Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden Petingen und Differdingen an. „Große Bauprojekte, wie etwa Kulturzentren, sind auf lange Sicht nur mehr tragbar, wenn sie ausgelastet sind und die Kosten aufgeteilt werden können. Im Korntal mit seinen 50 000 Einwohnern und den kurzen Distanzen drängen sich interkommunale Infrastrukturen demnach geradezu auf“, meint der „député-maire“.
Der Sinn von Gemeindepolitik sei aber auch, kommunale Dienststellen zu schaffen, wo den Einwohnern bei Bedarf geholfen wird, „damit sie sich sicher und wohlfühlen“. Als „Service au client“ bezeichnet Wolter das. In der Gemeindeverwaltung von Niederkerschen soll der Bürger zukünftig in den Mittelpunkt gerückt werden. Darauf schwor der neue „Chef“ die Beamten in seiner ersten offiziellen Amtshandlung beim traditionellen Neujahrsempfang am Montagnachmittag ein. Auch dieser Aspekt ist Teil der „Käerjéng 2020“-Politik.
Bis 2011 hofft Michel Wolter, die Fusion mit Küntzig in trockenen Tüchern zu haben. Beide Gemeinderäte stehen dem Projekt positiv gegenüber. „Allerdings drängt die Zeit. Es gilt jetzt, die richtige Dynamik zu schaffen“. Die verschiedenen Aspekte der Fusion sollen in Arbeitsgruppen behandelt werden, deren Ergebnisse später in einer Gesamtstrategie gipfeln.
Keine neuen Bauprojekte
Bis zu den nächsten Gemeindewahlen sollen keine weiteren Großprojekte angekurbelt werden. „Die Errichtung der Sporthalle samt Fußballfelder in der Luxemburger Straße schreitet gut voran. Etwas Kopfzerbrechen bereitet mir hingegen das Recyclingcenter, dessen Baubeginn sich bereits seit Monaten verzögert, weil das Umweltministerium verschiedene Genehmigungen immer noch nicht ausgestellt hat. Ich hoffe, dass sich das Problem in den kommenden Wochen lösen wird“, erklärt Wolter.
Spätestens im Frühjahr soll nun der Spatenstich im Industriegebiet „Op Zaemer“ erfolgen. Die Baudauer wird auf ein Jahr beziffert. Dass etwas getan werden muss, um dem Durchgangsverkehr vor allem in Nieder-, aber auch in Oberkerschen Einhalt zu gebieten, dessen ist sich auch Michel Wolter bewusst. Der Gemeinderat wolle sich auch weiter für den Bau einer Umgehungsstraße stark machen, erklärt er. „Allerdings ist das so genannte ‘Contournement’ eine nationale Angelegenheit und obliegt der Straßenbauverwaltung. Wir als Gemeinde haben da keine Handhabe.“
Kumulierung der Mandate
Dass Michel Wolter jetzt das Bürgermeisteramt in Niederkerschen übernimmt, hat ihm aber auch einiges an Kritik eingebracht. So hat sich der ehemalige Innen- und Landesplanungsminister wie kaum ein Zweiter in der Vergangenheit gegen eine Anhäufung von lokalen und nationalen Mandaten ausgesprochen.
Dass er jetzt selbst die politischen Ämter kumuliert, ist nicht überall gut angekommen. „Ich vertrete nach wie vor die Meinung, dass auf lange Sicht die Mandate klar getrennt werden müssen. Das ist aber erst möglich, wenn es Alternativstrukturen gibt, wie ein Parlament der Bürgermeister, das sich dann mit den regionalen Angelegenheiten im Land befasst, während die Arbeit der jetzigen Abgeordneten eher auf europäische Angelegenheiten ausgerichtet ist. So lange wir diesen Weg nicht einschlagen – und bis es soweit ist, kann es noch zehn oder 15 Jahre dauern –, müssen wir mit dem System leben, das wir haben“.
Dass seine Abgeordneten-Kollegen Alex Bodry (LSAP) und Claude Meisch (DP) ebenfalls die Ämter der Parteipräsidenten, Parlamentarier und Bürgermeister kumulieren, zeige, dass es machbar sei, wenn auch weit vom Idealzustand entfernt, so Wolter abschließend.
Quelle: Luxemburger Wort, 6. Januar 2010, Nathalie Rovatti