Das Regierungsabkommen: Die Nachhaltigkeit unter einem Dach

Das Regierungsabkommen: Die Nachhaltigkeit unter einem Dach

Laurent Zeimet, Luxemburger Wort

Umwelt, Infrastrukturen und Mobilität wurden unter einem Dach zusammengeführt. Claude Wiseler soll seine Ressorts nach den Vorgaben einer „nachhaltigen Entwicklung“ verwalten und muss versuchen, möglichst nicht mit sich selbst in Konflikt zu geraten. Assistiert wird er im Umweltbereich von Marco Schank.

Wir können uns nicht nachhaltig entwickeln, wenn wir den Konflikt zwischen Wirtschaft, Infrastrukturausbau und Umwelt nicht lösen. Umwelt und Wirtschaft stehen in einem kritischen Dialog, sind aber keine Widersprüche. Der neue Minister für nachhaltige Entwicklung und Infrastrukturen soll dieses Miteinander so organisieren, dass die Reibungsverluste, die wir immer wieder feststellen und die viel Sorgen und Zeit kosten, kleiner werden“, so argumentierte Premierminister Jean-Claude Juncker in der Regierungserklärung die Zusammenlegung der Ressort und die Mission von Claude Wiseler. Über zwanzig Seiten des Koalitionsabkommens füllen die Hausaufgaben des Nachhaltigkeitsministers.

Die Landesplanung erbt Wiseler von Jean-Marie Halsdorf. Die Regierung verpflichtet sich, das Integrative Verkehrs- und Landesentwicklungskonzept kurz IVL weiter in die Tat umzusetzen. Das IVL geht bereits auf die CSV/DP-Koalition zurück und war ein Steckenpferd des damaligen Innenministers Michel Wolter. Luxemburg sollte wieder zu einem Land der kurzen Wege werden, wo sich der Arbeitsplatz in unmittelbarer Nähe zum Wohnort und den Freizeitmöglichkeiten befindet. Auf diese Weise wollte man auch das stetig wachsende Verkehrsaufkommen in den Griff bekommen und der Zersiedelung der Landschaft Einhalt gebieten. Aber das IVL war wie der Name es schon verrät lediglich ein Konzept und so verbrachte man die vergangenen fünf Jahre mit der Ausarbeitung von sektoriellen Leitplänen, um die guten Ideen verwirklichen zu können. So schnell wie möglich sollen die nun vorliegenden Vorentwürfe zu den Leitplänen Landschaftsschutz, Mobilität, Wohnraum und Aktivitätszonen die offizielle Prozedur durchlaufen, damit sie rasch in Kraft treten können. Besondere Aufmerksamkeit soll der Beteiligung der Kommunen gewidmet werden. Die Gemeinden sind nämlich aufgefordert, ihrerseits die lokalen Bebauungspläne neu auszuarbeiten und beide Planungsinstrumente sollen sich möglichst ergänzen und nicht widersprechen. Mittelfristig soll zudem ein erster Regionalplan für die Südregion fertiggestellt werden. Die Vorarbeiten an einem Regionalplan in einer ländlichen Region sollen anlaufen.

Bis 2017 soll der nationale Leitplan für die Landesplanung überarbeitet werden. Als Grundlage wird die Territorialreform dienen, die ebenfalls bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sein soll. Eine Novellierung steht auch dem Landesplanungsgesetz bevor. Hier soll die Umsetzung der Leitpläne beschleunigt und dem Vorsatz der administrativen Vereinfachung Rechnung getragen werden.

Schneller vorantreiben will die CSV/LSAP-Koalition die Entwicklung der vier Ballungsgebiete Kirchberg, Südwesten der Hauptstadt, Belval und Nordstad. Die Neubelebung alter Industriebrachen soll nicht vernachlässigt werden: Mersch, Dommeldingen und Wiltz sollen neben weiteren Standorten im Süden ins Auge gefasst werden.

Die interkommunale Zusammenarbeit will die Regierung durch die Schaffung von urbanen Gemeinschaften fördern. Ganz im Sinne der Territorialreform soll die Kooperation zwischen den verschiedenen Naturparks unterstützt werden. Die Parks werden aufgefordert, Siedlungsschwerpunkte in ihrer Mitte festzulegen. Die Enstehung neuer Naturparks Mullerthal und Dreilännereck will die Regierung ermutigen.

Umwelt

Das Ressort Umwelt hat Marco Schank als delegierter Minister übernommen. Alle wichtigen Entscheidung sollen einem nachhaltigen Wachstum gerecht werden, steht im Koalitionsabkommen.

Den Vorentwurf eines zweiten nationalen Nachhaltigkeitsplans hatten CSV und LSAP im vergangenen März angenommen, diesen will man nach einer Beratungsphase verabschieden. Nach zwei Jahren wird an Hand von Indikatoren überprüft, ob die Ziele erreicht wurden. Das Statistikamt soll ein „grünes Bruttoinlandsprodukt“ berechnen. „Global denken, lokal handeln“, schreiben die Koalitionspartner und versprechen den Gemeinden, diese weiterhin bei der Verwirklichung der lokalen Agenda 21 zu unterstützen.

Dem Klimaschutz auf internationaler und nationaler Ebene wird viel Platz eingeräumt. Die Regierung bekennt sich zu den Klimaschutzzielen, die in den letzten Jahren ausgehandelt wurden, und will sich nicht querlegen, sollte man sich weltweit auf eine Reduktion der Treibhausgase um 30 Prozent einigen. In diesem Fall wäre die Regierung bereit, diese Zielsetzung auch national zu übernehmen.

Für den Ernstfall soll ein Klimawandel-Anpassungsgesetz vorbereitet werden. Ende 2009 steht die Aushandelung eines zweiten Aktionsplans an, um die bisherigen Klimaschutzziele zu erreichen. Eine interministerielle Taskforce wird die nötige Vorarbeit leisten. Prioritär soll der Klimaschutz durch nationale Maßnahmen gewährleistet werden: Verbesserung der Energieeffizienz, Nutzung erneuerbarer Energie und Energieberatung.

„Systematisch“ will man die Klima-Auswirkung von politischen Entscheidungen berücksichtigen.

Der Tanktourismus verschlechtert bekanntlich die einheimische Klimabilanz. 40 Prozent aller Emissionen, die dem Großherzogtum zugerechnet werden, seien alleine auf das Tankgeschäft zurückzuführen, heißt es im Abkommen. Die Koalition will zwar keinen radikalen Ausstieg, der Kioto-Cent auf Treibstoffen soll aber progressiv erhöht werden – unter Berücksichtigung der Marktpreise. Diese Einnahmen sollen dann zur Finanzierung der Klimaschutz-Maßnahmen verwendet werden. Die staatliche Förderung beim Kauf von Kraftfahrzeugen, die weniger Kohlendioxid ausstoßen, soll jährlich überprüft werden. Auch den Kauf von energiesparenden Haushaltsgeräten will die Koalition weiter unterstützen. Gleiches gilt für ökologische Bauweisen und die Altbausanierung. Der Staat möchte mit gutem Beispiel vorangehen und die öffentlichen Gebäude sanieren, um Energieverschwendung zu vermeiden. Ab 2010 werden alle neuen staatlichen Gebäude dem Niedrigenergiestandard genügen. Die Kommunen sollen ebenfalls nach dieser Richtlinie bauen und daher schlägt die Regierung vor, zwischen Staat und Gemeinden einen „Pakt gegen den Klimawandel“ zu schließen.

Im Bereich Naturschutz soll u.a. das Biotopen-Kadaster fertiggestellt und der umstrittene Paragraf 17 des Naturschutzgesetzes klarer gefasst werden. Die Politik in Sachen Lärmschutz, Müllentsorgung, Luftqualität und chemischen Substanzen wird sich nach den geltenden europäischen Bestimmungen ausrichten. Die Commodo/Incommodo-Genehmigungsprozedur soll vereinfacht und die Fristen gekürzt werden.

Mobilität

Die Zielvorgaben zur Mobilität haben sich nicht verändert. Bis 2020 soll der Anteil der öffentlichen Verkehrsmittel 25 Prozent betragen. Die Koalition hält an ihrem Konzept „mobil 2020“ fest. Detailliert wird aufgelistet, welche Infrastrukturprojekte in den nächsten fünf Jahren fertiggestellt, beziehungsweise vorangetrieben werden sollen. Die Koalition steht weiterhin zum Bau einer Trambahn durch die Hauptstadt, um die Stadtmitte mit Vorstadtbahnhöfen, Hauptbahnhof und dem Kirchberg zu verbinden. Die Verhandlungen mit der Stadt Luxemburg über die Kostenverteilung will man zu einem guten Ende führen.

Allerdings muss dieses Kapitel wohl mit dem Hintergedanken gelesen werden, dass CSV und LSAP ihr Abkommen unter einen allgemeinen Finanzierungsvorbehalt gestellt haben. Nicht alles, was wünschenswert ist, wird bei knappen Kassen zu verwirklichen sein.

Der Verkehrsverbund wird beauftragt, Wege und Mittel zu erkunden, um das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln zu verbessern. So sollen Vor- und Nachteile von Rufbussen überprüft werden. Ein Pilotprojekt im Kanton Capellen erfreue sich großer Beliebtheit und so kann sich die Regierung vorstellen, das Rufbus-Angebot an Stelle von Linienbussen im ganzen Land anzubieten.

In Ettelbrück und am neuen Bahnhof Belval/Universität sollen Zweigstellen der Mobilitätszentrale eröffnet werden. Die Regierung will ihre bisherige Politik im Bereich der Verkehrssicherheit fortsetzen. Geschwindigkeitsüberschreitungen sollen weiter bekämpft werden. An gefährlichen Verkehrswegen will man Radarfallen aufstellen.

Die Bedeutung des Flughafens für die einheimische Wirtschaft nehme stetig zu, so das Koalitionsabkommen. Dennoch wird am Nachtflugverbot nicht gerüttelt. 

Quelle: Luxemburger Wort, 24. August 2009, Laurent Zeimet