Luxemburg ist Forschungsland

Minister Francois Biltgen erfreut über Entwicklung

VON ROLAND HOUTSCH, Luxemburger Wort, 22. Mai 2009

Zielstrebig hat Luxemburg im dritten Jahrtausend an einem neuen Standbein für seine Wirtschaft gearbeitet. Parallel wurden mit hohem finanziellen Aufwand die zwei Sektoren, die auch in Europa als Garant für die Sicherung des Lebensstandards und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft gelten, geschaffen und ausgebaut. Universität und Forschung profitieren von einer Explosion der Mittel, in Zeiten, wo andere Länder eher genötigt sind, öffentliche Mittel zu beschneiden. 

Mit Geld allein ist es nicht getan, wenn es gilt, die Luxemburger Ökonomie aus der Sackgasse der Souveränitätsnischen (siehe Bankgeheimnis) ins zukunftsträchtige Feld der Kompetenznischen zu führen. Deshalb hat die Regierung 2004 damit angefangen, den Forschungssektor einem externen Audit durch die Weltwirtschaftsorganisation OECD zu unterziehen. Allen Unkenrufen und Vorbehalten derer, die an Luxemburger Befindlichkeiten auf kritische Auseinandersetzung erinnerten, zum Trotz wurde dieses Unterfangen letztlich zum Katalysator für einen wahren Aufschwung des Forschungsbetriebs. 

"Alle Vorschläge, die wir im Bericht der OECD erhielten, wurden bereits in dieser Legislaturperiode restlos umgesetzt", unterstreicht Forschungsminister François Biltgen. "Die Leistungsverträge, mit denen wir die ,Centres de recherche publics’ und das Ceps einerseits, aber auch die Universität, Luxinnovation und den Fonds national de la recherche zu mehr Autonomie und Verantwortung verpflichteten, erweisen sich bereits jetzt als Stimulatoren der Forschungsaktivitäten. Nach kurzer Zeit haben die Institutionen gelernt, aus diesen Prozeduren den besten Nutzen zu ziehen. Das Interesse der Regierung eines möglichst effizienten Einsatzes der öffentlichen Forschungsgelder wird so gewahrt. In unserer Forschungsstrategie spielte aber auch die Schaffung des .Comite superieur de la recherche et de l’innovation eine große Rolle, das mit hochrangigen unabhängigen Experten zur Steuerung der Forschung beitragen wird." Dieses wird vom Forschungs- und vom Wirtschaftsminister präsidiert, um eine möglichst breite Sicht der Entwicklung zu erhalten. 

Dabei hatte die Weltwirtschaftsorganisation eh schon auf die Gesundheit des Forschungsumfeld hingewiesen und in ihrer keineswegs vernichtenden Kritik eher strukturelle und organisationelle Anmerkungen gemacht. 

Regierung als Financier und Impulsgeber 

Um so enttäuschter ist der Minister gerade deshalb über das Abrutschen Luxemburgs in internationalen Wettbewerbsstudien, wo bei der Forschung Stillstand moniert zu werden scheint. "Die Reformen auf Grund des OECD-Berichts geschahen im Einvernehmen aller Partner, die sich bei manchen Fragen auch zusammenraufen mussten. Die Akteure waren hier mehr gefragt als die Regierung, die sich, was die erforderlichen Maßnahmen anging, zurückhielt. Das Resultat kann sich sehen lassen." 

Was nicht heißen soll, dass die Regierung den Forschungsbereich treiben lässt. Geregelt wurden seit der Veröffentlichung des OECD-Berichts 2006 auch, wer die Prioritäten im Forschungsbereich setzt. 

Max-Pianck-Gesellschaft lässt sich in Luxemburg nieder 

"Wir haben über die eigentliche Forschungspolitik hinaus als Regierung zusätzliche Impulse gegeben. Der TDK-Lehrstuhl an der Universität Luxemburg, der im Bereich der Solarzellen forscht, ist hierfür ein Beispiel. Finanziell gewichtiger ist das Abkommen, mit US-Partnern drei ehrgeizige Projekte im Bereich der Biotechnologien anzuschieben. Auch der Beitritt zur europäischen Weltraumagentur ESA und damit verknüpfte Forschungsvorhaben zielen in diese Richtung. Und heute (das Interview fand am vergangenen Mittwoch statt, die Red.) habe ich einen Vertrag unterschrieben, der sicher aufhorchen lassen wird. Die renommierte Max-Planck-Gesellschaft wird in Luxemburg ein Institut gründen, das sich europa- und finanzrechtlichen Fragen widmen wird." Am Mittwochabend, anlässlich der öffentlichen Ankündigung dieses Abkommens auf einer Veranstaltung der Handelskammer, sollte Uni-Rektor Rolf Tarrach von der wichtigsten Nachricht überhaupt für die Universität Luxemburg sprechen. 

Biltgen: "Dieses Vorhaben zielt darauf, in Luxemburg ein Kompetenzzentrum europäischen Rechts entstehen zu lassen. Die Universität und das Max-Planck-Institut sind jetzt gebeten, ihre Zusammenarbeit im Rahmen der Fakultät für Recht, Wirtschaft und Finanzen zu regeln." 

Das "Max Planck Institute Luxembourg, Comparative (or International) European and Regulatory Procedural Law" ist die dritte Auslandsniederlassung der Max-Planck-Gesellschaft. Sie wird in drei Abteilungen zunächst rund 50 Personen beschäftigen und soll Ende Sommer 2010 die Arbeit aufnehmen. 

"Die Regierung kann also sehr wohl zusätzlich zur Forschungspolitik neue Impulse geben und finanzieren. Das zeigt auch die Wichtigkeit und Beharrlichkeit, mit der die Koalition versucht, Luxemburg in die im Lissabon-Vertrag angesprochene Wissensgesellschaft zu führen. Viele dieser Projekte, die mein Ressort zum überwiegenden Teil finanziert, tangieren ja auch andere Ministerien. Hier ist die Zusammenarbeit in der vergangenen Legislaturperiode stark verbessert worden. Das biotechnologische Projekt wurde ja vom Wirtschaftsministerium angestoßen." 

Ohne einvernehmliches Vorgehen in der Koalition hätte die finanzielle Unterstützung der Forschung kaum so großzügig ausfallen können. Im Zeitraum von 2004 bis 2009 sind die jährlichen Mittel von 72 auf 215 Millionen gewachsen. 2010 sollen es trotz Krise 250 Millionen werden. 

"Das entspricht zwar ,nur’ 0,6 Prozent des Bruttosozialprodukts, aber dieser Gradmesser ist sehr relativ in einem Land mit starkem Wirtschaftswachstum", meint Biltgen. 

Abgerundet wird die Forschungspolitik der schwarzroten Koalition durch eine Reihe gesetzlicher Maßnahmen wie die Neuregelung der "Bourses de recherche". Hier geht Luxemburg neue Wege, was auch in Europa in jüngster Zeit immer mehr anerkannt wurde. 

Für viel Gesprächsstoffe sorgt auf europäischer Ebene zur Zeit der Bericht Biltgen-Gago, den der Luxemburger Forschungsminister und sein portugiesischer Amtskollege im Auftrag des französischen EU-Vorsitzes erstellten und der von der tschechischen Presidence abgesegnet wurde. 
Europa begutachtet Luxemburger Ansätze 

François Biltgen und Jose Mariano Gago plädieren in ihrem Papier für eine Besserstellung der Forscher auf finanzieller und sozialer Ebene. "Diese besten Köpfe Europas sollen nicht zum Unterproletariat verkommen", meint Biltgen. "Adäquate Entlohnung und soziale Absicherung, am besten in Arbeitsverträgen, tun not, wenn die europäische Forschung wettbewerbsfähig bleiben will. Bei Forschungsstipendien, wenn ein Arbeitsvertrag nicht in Frage kommen sollte, muss die Sozialversicherung ebenfalls in allen Mitgliedsländern überdacht werden." 

Die Attraktivität der Forschungskarrieren wird im europäischen Ministerrat wohl noch lange auf der Tagesordnung bleiben. François Biltgen, der ja auch Arbeits-, Kultur- und Hochschulminister ist, vereinigt Schlüsselressorts bei der Umsetzung der Beschlüsse von Lissabon. Und Luxemburg kann man zumindest in diesem Bereich nicht vorwerfen, mit einer konkreten Umsetzung europäischer Politik zu lange gezögert zu haben. 

Quelle: Luxemburger Wort, 22. Mai 2009, Roland Houtsch