„Wähler wollen Ehrlichkeit“

Rund 650 Parteigänger durfte die CSV-Spitze um Parteipräsident François Biltgen und Generalsekretär Marco Schank vorgestern zum Neujahrsempfang der CSV in Niederanven begrüßen. Unter dem Motto „Zesumme wuessen“ bestreiten die Christlich-Sozialen die Wahlen. Was es damit auf sich hat, erklärt Parteichef François Biltgen im Luxemburger Wort Interview mit Marc Schlammes

Welche Botschaft geben Sie den CSV-Mitgliedern im Wahljahr mit auf den Weg?

Wir durchleben angespannte Zeiten und haben eine heftige wirtschaftliche Krise zu bewältigen. Es gilt, Prioritäten zu setzen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, im Sinn des „séchere Wee“. Auf diesem „séchere Wee“ haben wir eine weitsichtige Haushaltspolitik praktiziert, die es nun erlaubt, die wirtschaftlich frostigen Zeiten zu überbrücken.

Wie darf eben vor dem Hinter- grund der Wirtschaftskrise der Wahlslogan der CSV, „Zesumme wuessen“, verstanden werden?

„Zesumme wuessen“ hat eine vielfache Bedeutung. Wachsen: Wir brauchen Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich wirtschaftliches Wachstum als Grundlage unseres Lebensstils ergibt. Wie das geht, hat die Regierung unter CSV-Regie mit der Schaffung eines soliden Finanzpolsters gezeigt. Wachsen heißt auch, älter werden, zeitlich voranschreiten. Die CSV hat sich in ihrer Politikgestaltung nie auf Fünfjahresrhythmen beschränkt. Also wird das Wahlprogramm für 2009 auch ein Fortschreiben von 2004 sein: „Zesumme wuessen. CSV – de séchere Wee“. Politik gestalten heißt in Generationen denken.

Bleibt „zesumme“ …

… wo es um den Gedanken der Solidarität geht. Gerade in wirtschaftlich schwierigeren Momenten ist es wichtig, zusammen nach vorn zu schauen und zusammen den Weg aus der Krise zu finden. Wie das geht, hat die CSV Anfang der 80er-Jahre gezeigt, als aus einer Krise heraus die Weichen in die Dienstleistungsgesellschaft gestellt wurden. Zusammen bedeutet demnach auch, dass Auseinanderdividieren fehl am Platz ist. Es darf nicht so weit kommen, dass einzelne Wirtschaftsbranchen oder öffentlicher Dienst und Privatwirtschaft gegeneinander ausgespielt werden. „Zesumme wuessen“ steht vor allem für soziale Kohäsion. Dort, wo Luxemburg heute ist, hat viel mit gesellschaftlichem Zusammenhalt zu tun und damit, dass die Chance des sozialen Aufstiegs bestanden hat. Wir müssen Politik machen, die eingliedert und nicht ausklammert.

Nimmt man die Euthanasiedebatte zum Maßstab, dann konnte man diesen Zusammenhalt innerhalb der CSV bisweilen anzweifeln.

Wenn man, wie die CSV es getan hat, die Regel der Gewissensfreiheit anwendet, dann muss man die Konsequenzen auch annehmen. Die CSV akzeptiert die Abstimmung in der Abgeordnetenkammer, auch wenn das Ergebnis uns nicht passt. Dieses Dossier ist nun aber zu. Die Leute im Land wollen, dass wir über Probleme reden, die sie wirklich interessieren.

Das Dossier könnte wieder aktuell werden, wenn es zur Volksbefragung über Artikel 34 kommt.

Wir werden die Bürger darüber aufklären, dass ein Referendum in dieser Frage nichts bringt. Es geht bei dieser Volksbefragung nämlich weder um den Großherzog noch geht es um die Sterbehilfe. 

"Zuerst kommt das Land, dann Europa, dann die Partei."

Wie wird die CSV den Problemen, die die Menschen wirklich interessieren, wie Sie sagen, in ihrem Wahlprogramm Rechnung tragen?

Im Wahlprogramm geben wir drei Hauptrichtungen vor, die sich am Slogan „Zesumme wuessen“ inspirieren: zusammen arbeiten, zusammen planen, zusammen halten.

Wie gedenken Sie angesichts der Krise den Spagat zwischen Politik- alltag und Wahlkampf zu schaffen?

Meine Rangfolge steht fest: Zuerst kommt das Land, dann Europa, dann die Partei. Das Hauptaugenmerk der CSV wird in den kommenden Wochen und Monaten der Bewältigung der Krise und ihrer Konsequenzen gelten. Beispiel Kurzarbeit. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister habe ich für betroffene Betriebe bedeutsame gesetzliche Änderungen im Parlament eingebracht.

Ein spannendes Vorwahlthema ist stets die Besetzung der Listen. Werden bei der CSV, ähnlich wie bei der politischen Konkurrenz, überraschende und namhafte Kandidaten auftauchen?

Die CSV bleibt ihrem Prinzip der Erfahrung und Erneuerung treu. Ein klangvoller Name kann ein Kriterium sein. Man muss aber auch etwas zu sagen haben und sich mit der Partei identifizieren können, sich gedanklich in der CSV wiederfinden.

Bei den Europawahlen dürfte Sie freuen, dass die Idee der getrennten Listen ihren Weg gemacht hat.

Ja. Ich stelle mit einer gewissen Genugtuung fest, dass mein Vorstoß aus 2006, trotz vieler Widerstände nun über die CSV hinaus von Grünen, Liberalen und Sozialisten aufgegriffen wurde.

Und was erwartet sich François Biltgen für den 7. Juni 2009?

Ich werde mich nicht an Spekulationen beteiligen. Die CSV macht keine Politik, die sich an Wahlterminen orientiert. In Anbetracht der Wirtschaftskrise werden wir den Wählern denn auch nicht das Blaue vom Himmel versprechen. Die CSV wird nur versprechen, was sie auch halten kann. Demzufolge werden wir weniger versprechen, als die anderen Parteien. Die CSV wird aber auch mehr einhalten als die Konkurrenz. Die Wähler wollen Ehrlichkeit.

Quelle: Luxemburger Wort, 7. Januar 2009, Marc Schlammes