Vertrauenssache

Die Regierung hat bewusst am Haushaltsentwurf 2009 nichts geändert. Budgetminister Luc Frieden baut auf Vertrauen und Zuversicht. Revue-Interview mit Luc Frieden

Revue: Herr Minister, hat Ihnen das vorliegende Budget den Schlaf geraubt?

Luc Frieden: Die ganze Finanzkrise hat mich so manchen Schlaf gekostet. Wir haben häufig Nächte durchgearbeitet. Auch am Budget arbeite ich bis in den späten Abend hinein, die Zahlen verfolgen mich öfters bis in den Schlaf.

Revue: Ist das ein Signal?

Luc Friêden: Es gibt ein Leben in der Krise und es gibt ein Leben nach der Krise. Wer in Panik verfällt und das mittelfristige Ziel aus den Augen verliert, macht Fehler. Ich plädiere deshalb zum heutigen Zeitpunkt für eine mittelfristige Finanzpolitik. Ich will dieses Land fit machen für die Zeit nach der Krise und dafür setzt dieses Budget die richtigen Zeichen.

Revue: Optimismus in schlechten Zeiten!

Luc Frieden: Panik ist ein schlechter Ratgeber. Die Lage ist schwer, aber sie ist nicht hoffnungslos. Die Zeiten des schnellen Geldes sind vorbei, genauso die der luxuriösen Staatsausgaben. Dennoch dürfen wir uns von punktuellen schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft nicht Angst machen lassen. Ich will gerade in jetzigen Zeiten nicht kurzfristig denken und handeln.

Revue: Ist das realistisch? Die Welt ist nicht mehr so, wie bei der Erstellung dieses Budgets!

Luc Frieden: Das Budget wird nicht geändert, weil wir noch nicht wissen, wie die Einnahmen des Staates im nächsten Jahr sein werden. Die Krise liegt knapp zwei Monate zurück und ihre Folgen sind noch nicht absehbar. Keiner wusste vor zwei Monaten, dass die Erdölpreise so stark einbrechen, wie das jetzt der Fall ist. Keiner konnte vorausahnen, dass nicht nur die Banken, sondern auch die Realwirtschaft so in den Sog der Krise geraten. Wir wissen noch nicht, wie es weitergeht.

Revue: Vorsicht ist nie fehl am Platz!

Luc Frieden: Budgetpolitik ist allerdings keine Zickzackpolitik. Es wäre falsch, das Budget jetzt radikal umzubauen. Zuerst müssen die zur Steigerung der Kaufkraft vorgesehenen Steuererleichterungen und die Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zum Tragen kommen. Deshalb ziehe ich eine mittelfristige Finanzpolitik kurzfristigen Änderungen vor.

Revue: Wohl wissend, dass die Steuereinnahmen schon nächstes Jahr weniger werden, die Belastung jedoch größer.

Luc Frieden: Wir wissen heute nicht, wie hoch die Steuereinbußen sein werden und wollen uns deshalb nicht auf Spekulationen einlassen. Wir haben die Einnahmen stets sehr vorsichtig eingeschätzt – und haben in den vergangenen Jahren viel Kritik einstecken müssen, weil wir sie eher zu gering als zu hoch ansetzten. Die aktuelle Vorlage geht von einem Budgetüberschuss von 1,1 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus. Das lässt uns Spielraum. An die vom europäischen Stabilitätspakt vorgesehenen Grenzen stoßen wir jedenfalls noch nicht. Die durch Kurzarbeit und Arbeitslosenunterstützung entstandenen Mehrausgaben werden mittelfristig durch weniger laufende Ausgaben zu kompensieren sein.

Revue: Die hohen Investitionsausgaben sollen die Wirtschaft am Leben halten.

Luc Frieden: Wir haben die Investitionsfonds in den Boomjahren aufgestockt. Mit diesen Rücklagen kommen wir über die Jahre 2009 und 2010, selbst wenn die Einnahmen einbrechen.

Revue: Haushaltsberichterstatter Norbert Haupert spricht von einem antizyklischen Haushalt. Ist die Lage damit abgetan? Sie bleibt ja nicht ohne Folgen auf die nächsten Jahre.

Luc Frieden: Wir machen auch in Krisenzeiten eine bewusste, zukunftsorientierte Hauhaltspolitik. Wir bauen Schulen, Schienen und Straßen. Damit kann unser Land neue Betriebe anlocken und seinen Bürgern Lebensqualität bieten. Wir planen keine Ausgaben, die nicht kontrollierbar sind und wir leihen uns kein Geld, um unsere Projekte zu finanzieren. Wir brauchen lediglich unsere Reserven auf. Damit überbrücken wir die Wirtschaftskrise, ohne die Zukunft zu belasten.

Revue: Und wenn die Krise länger dauert?

Luc Frieden: Dann müssen natürlich laufende Ausgaben revidiert werden. Doch so weit sind wir noch nicht. Die Krise gibt es seit zwei Monaten und keine fünf Jahre. Wir dürfen nicht in Panik geraten. Wäre das bei den ersten Etappen der Bankenkrise der Fall gewesen, wäre so schnell keine Lösung gefunden worden. Es war wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren und unsere Ziele klar zu definieren: Was wollen wir in der Krise und nach der Krise?

Revue: Haben Sie die Antwort gefunden?

Luc Frieden: Unsere Zukunft bleibt gesichert, wenn wir auf fundamentale Elemente wie die Erziehung, die Infrastruktur, das wirtschaftliche Umfeld, den sozialen Zusammenhalt und unseren Platz im europäischen Markt aufbauen. Gleichzeitig muss unsere Finanzpolitik so gestaltet sein, dass wir nach der Krise weitermachen können, ohne die Löcher mit massiven Steuererhöhungen stopfen zu müssen.

Revue: Ist es der Wahltermin 2009, der sie so beruhigend klingen lässt?

Luc Frieden: Budgetpolitik ist keine Wahlpolitik. Ich gestalte den Haushalt seit vielen Jahren mit und möchte das auch nach den Wahlen weiter tun. Budgetpolitische Wahlgeschenke wären ein Fehler. Der Luxemburger Wähler wünscht sich sichere Staatsfinanzen.

Revue: Er wünscht sich aber auch Erklärungen. Er möchte verstehen was passiert, möchte nicht das Gefühl haben, dass Entscheidungen über seinen Kopf hinweg getroffen werden.

Luc Frieden: Die Politik schuldet den Wählern Erklärungen. Tatsache ist, dass wir uns in einer extrem schwierigen Situation befinden. Wir müssen sehr hart arbeiten, um alle zusammen aus der Krise herauszufinden. Die Menschen in unserem Land müssen in den nächsten Jahren auf manches verzichten und wir Politiker müssen die richtigen Prioritäten setzen.

Revue: Keine einfachen Voraussetzungen…

Luc Frieden: …die aber zu schaffen sind, weil die Luxemburger Vertrauen in ihren Staat haben, wie sie unter anderem mit der massiven Unterzeichnung der Staatsanleihe bewiesen haben. Dieses Verständnis ist eine Stärke unseres Landes. An uns Politikern liegt es, zu erklären, was wir für die Zukunft Luxemburgs bezwecken und beabsichtigen. Das ist eine große Herausforderung, gleichzeitig aber auch hoch motivierend.

Quelle: Revue, 3. Dezember 2008, Claude Wolf