Freiwillig, nicht forciert

Sie stellt eine der bedeutensten Baustellen dieser Legislaturperiode dar: die Landesplanung. Wobei die Arbeiten nur sehr schleppend vorankommen. Zumindest in der Praxis, denn auf dem Papier wurde bis dato viel Vorarbeit geleistet. Jüngstes Beispiel ist die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Communautés urbaines.

Innen- und Landesplanungsminister Jean-Marie Halsdorf braucht in diesen Tagen und Wochen viel Geduld und Überzeugungskraft. Eigentlich wollte er noch vor der Sommerpause die Entwürfe der ersten beiden sektoriellen Leitpläne vorstellen. Kurzfristig musste dieser Termin jedoch abgesagt und verschoben werden – seine Ministerkollegen sahen zusätzlichen Klärungsbedarf.

Die Leitpläne verleihen dem vor über vier Jahren präsentierten Integrativen Verkehrs- und Landesentwicklungskonzept eine legislative Basis. Insbesondere der Plan sectoriel transports stellt ein wichtiges Instrument dar, um die Verkehrsflüsse über die kommenden Jahrzehnte hinweg zu gewährleisten, enthält er doch 50 prioritäre Verkehrsprojekte. Wie wichtig eine gesetzliche Verankerung im Transportbereich ist, belegte die im Mai veröffentlichte IVL-Bestandsaufnahme. Demzufolge hat das Verkehrsaufkommen allein auf den Hauptverkehrsadern zwischen 2002 und 2007 um zwölf Prozent zugenommen. Parallel zur Landesplanung muss Jean-Marie Halsdorf die Territorialreform vorantreiben. Gemeinsam mit dem parlamentarischen Sonderausschuss unter Vorsitz seines Amtsvorgängers Michel Wolter (CSV) und mit dem Syvicol konnte sich vor der Sommerpause auf eine Marschroute verständigt werden. Mit den Vertretern des Dachverbandes der Gemeinden will der Ressortminister ab Herbst die Gemeinden für sein ambitiöses Reformpaket gewinnen.

Ein Element dieses Reformpaketes sollen die Communautés urbaines sein. In diesen Tagen will Minister Halsdorf die Parlamentsfraktionen von CSV und LSAP von dieser Idee überzeugen, um daraufhin einen Gesetzentwurf ausarbeiten zu können. Am Montag schon stand er den christlich-sozialen Gemeinderäten (CSG) Rede und Antwort. „Wir stehen dem Reformwillen und den Projekten des Innenministers positiv gegenüber“, wird Gilles Roth in einer Stellungnahme zitiert. „Die Gemeinden werden weder in die Communautés urbaines gedrückt noch zu Fusionen forciert. Es ist und bleibt der freiwillige Entschluss einer Gemeinde, welchen Weg sie gehen will“, so der CSG-Chef, für den auch die Communautés urbaines dazu beitragen können, dass den Bürgern effiziente und moderne Kommunalstrukturen angeboten werden.

Die Aufklärungsarbeit durch den Minister drängte sich auf, nachdem einige Gemeinden ihre Autonomie in Gefahr sahen und sich in Resolutionen frühzeitig bzw. voreilig gegen die Schaffung von Gemeinde- und Städteverbänden aussprachen.

Ebenso wie die Fusionen in ländlichen Gegenden des Großherzogtums sollen die Communautés urbaines im städtischen Raum für ein Plus an Effizienz sorgen. Ziel des Innen- und Landesplanungsministers ist nämlich, wie er im Juni dieses Jahres beim Bürgermeistertag betonte, die Gemeinden in „moderne Service-Provider“ umzuwandeln. Den Weg hin zu einem zeitgemäßen Dienstleistungsbetrieb sollen die Gemeinden freiwillig mitbeschreiten. 

Geht man von einer Größenordnung von mindestens 20 000 Einwohnern aus, dann kommen fünf Gegenden für eine Communauté urbaine in Frage: die Nordstad, die via Gemeindeverband so richtig mit Leben erfüllt werden soll, sowie die Ballungsräume um Luxemburg-Stadt, Differdingen, Düdelingen und Esch/Alzette. Ähnliche Entwicklungsmöglichkeiten bestehen außerdem im Alzettebecken Walferdingen/Mersch.

Dort, ebenso wie südöstlich und südwestlich der Hauptstadt, werden heute schon erste Erfahrungswerte auf Konventionsebene gemacht. In verschiedenen ausgewählten Bereichen sollen die Gemeinden enger kooperieren, z. B. bei der wirtschaftlichen Entwicklung und der Mobilität.

Es sind dies Themenfelder, die auch von einer Communauté urbaine besetzt werden können. Einen politisch-inhaltlichen Mehrwert sollen die Communautés urbaines, die sich aus Mitgliedern der jeweils teilnehmenden Gemeinden zusammensetzen und auf eine finanzielle Unterstützung durch das Innenministerium zählen können, in der Bebauungspolitik schaffen. So soll, unter beratender Einbeziehung der Mitgliedsgemeinden, nur noch ein allgemeiner Bebauungsplan (Plan d’aménagement général) ausgearbeitet werden – was eine harmonische urbanistische Entwicklung ermöglichen soll.

Die nun angelaufene Klärungs- und Konsultierungsphase wird wohl auch Aufschluss darüber geben, wie sich die gesetzlich vorgeschriebene Überarbeitung der Bebauungspläne, der sich die 116 Gemeinden bis zum Ende des Jahrezehnts unterziehen müssen, in einen Überbau namens Communauté urbaine einfügen wird. 

Quelle: Luxemburger Wort, 20. September 2008, Marc Schlammes