Umdenken in der Politik

Marie-Josée Jacobs, Ministerin für Chancengleichheit, hält es für wichtig, das Durchsetzungsvermögen von Frauen gezielt zu trainieren. Eine Quotenregelung wie in Norwegen findet sie interessant. Marie-Josée Jacobs im Télécran-Interview

Télécran: Was bedeutet Macht für Sie?

Marie-Josée Jacobs: Generell heißt das für mich, dass ich, egal, ob als Mann oder Frau, in der Gesellschaft mitarbeite und sie als Entscheidungsträger oder -trägerin mitgestalten kann.

Télécran: Haben Frauen schlechtere Chancen aufzusteigen?

Marie-Josée Jacobs: Heutzutage haben hoch qualifizierte Frauen bessere Aufstiegschancen im Beruf und in der Politik als früher. Doch solange die Familienpflichten als alleiniger Zuständigkeitsbereich der Frau gelten, bleiben ihre Aufstiegschancen begrenzt.

Télécran: Nutzen Frauen Macht anders?

Marie-Josée Jacobs: Viele Frauen haben durch die Familienpflichten verstärkt soziale Kompetenzen entwickelt und bringen diese in die Entscheidungsfindung ein. Das führt zu einer anderen Herangehensweise an die Macht.

Télécran: Dadurch entstehen Vorteile für Frauen?

Marie-Josée Jacobs: Ja, diese sozialen Kompetenzen werden heutzutage sogar in Managerkursen vermittelt. Dies beweist eigentlich, dass die Teilhabe der Frauen an der Macht ein Mehrwert ist.

Télécran: Seit einiger Zeit scheinen weltweit Frauen in der Politik größere Chancen zu haben, aufzusteigen. Wie kommt das?

Marie-Josée Jacobs: Frauen haben weltweit noch nicht dieselben Chancen wie Männer. Das Ziel jeder Demokratie muss jedoch lauten, dass Frauen und Männer höhere Ämter in der Politik gleichermaßen und gleichberechtigt bekleiden. Dies ist ein öffentliches Thema geworden und führt zu einem Umdenken in den Parteien.

Télécran: Wie steht es um die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Hinblick auf Spitzenpositionen hierzulande?

Marie-Josée Jacobs: Die nackten Zahlen zeigen, dass es nicht besonders gut steht.

Télécran: Was müsste sich denn ändern?

Marie-Josée Jacobs: Ein Umdenken in der Gesellschaft über die Geschlechterrollen müsste stattfinden. Eine Quotenregelung wie in Norwegen könnte eine Antwort darauf sein. Eine paritätische Teilnahme von Frauen und Männern an der Macht entspräche ihrem Anteil in der Bevölkerung und den demokratischen Prinzipien. Mir scheint es wichtig, Frauen gezielt durch Coaching und Mentoring zu unterstützen, damit ihr Durchsetzungsvermögen gestärkt wird.

Télécran: Drei Regierungsämter von 15 werden hierzulande von Frauen besetzt. Nicht gerade viel. Woran liegt das?

Marie-Josée Jacobs: Es ist wissenschaftlich belegt, dass das luxemburgische Wahlsystem sich ungünstig auf die Beteiligung der Frauen an der Politik auswirkt. Es wurden nicht mehr Frauen gewählt, obschon auf den Wählerlisten mehr Frauen zur Wahl standen. 

Quelle: Télécran, 28. Mai 2008, Martina Folscheid