Mit der Vorstellung seiner Reformpläne in Brüssel hat der französische Präsident Nicolas Sarkozy offenbar Befürchtungen besänftigt, er könne vom Konsolidierungskurs der Euro-Staaten abweichen. Jean-Claude Juncker zeigt sich im Wort-Interview mit der Ankündigung zufrieden
Es sei deutlich geworden, “dass der Präsident und seine Regierung alles tun werden, um das Ziel bis 2010 zu erreichen”, erklärte Finanzminister Jean-Claude Juncker im Gespräch mit dem Luxemburger Wort.
Pierre Leyers: Nach seinem Treffen mit den Finanzministern der Eurogruppe haben Sie dem französischen Präsidenten bescheinigt, “europäischen Geist” gezeigt zu haben.
Jean-Claude Juncker: Der französische Präsident hat deutlich gemacht, dass er seine Politik maximal in das europäische “Korsett” einbinden will. Allein schon sein Besuch – der für die Eurogruppe die höchstmögliche Anerkennung bedeutet – war ein positiver Schritt. In der Diskussion, die wir mit ihm führten, und die streckenweise sehr kontrovers verlief, hat er sich zu einer Reihe von Zugeständnissen verpflichtet, die er in dieser Form vor seinem Besuch nicht hatte durchblicken lassen.
Pierre Leyers: Nachdem vor der Sitzung etliche EU-Finanzminister Herrn Sarkozys Haltung deutlich kritisiert hatten, tönte es nachher verständnisvoller. Er hat Sie und Ihre Kollegen also überzeugt?
Jean-Claude Juncker: Auch die anderen Euro-Finanzminister machten deutlich, dass sie davon ausgehen, dass Frankreich seinen Staatshaushalt im Jahr 2010 im Gleichgewicht haben wird. Dazu hat sich Frankreich im April dieses Jahres bei einem informellen Treffen der Eurogruppe in Berlin engagiert. Der Präsident und sein Premierminister hatten im Vorfeld des jetzigen Besuchs erklärt, Frankreich könne dieses Ziel angesichts des neuen Reformprogramms erst 2012 erreichen. Gestern hat sich Herr Sarkozy dazu verpflichtet, alles daranzusetzen, dass dies schon 2010 der Fall sein wird. Er versprach, der Haushaltsplan für 2008 werde unter dem Haushalt von 2007 liegen. Auf meine Aufforderung hin hat er zugesagt, das aktualisierte Stabilitätsprogramm schon im September, und nicht wie ursprünglich geplant erst im Dezember vorzustellen. Es ist das erste Mal, dass ein Land diese Präsentation vorzieht, um den europäischen Partnern zu erlauben, sich möglichst früh ein Bild über sein Reformprogramm zu machen, besonders über dessen finanziellen und wachstumspolitischen Impakt. Der Präsident hat sich verpflichtet, dass alle zusätzlichen Steuereinnahmen, die über die Projektionen hinausgehen, exklusiv dem Schuldenabbau zugeführt werden. Dies alles erklärt, warum ich im Namen der Eurogruppe das französische Reformprogramm begrüßt habe.
Pierre Leyers: Wie will Herr Sarkozy es schaffen, seine Wahlversprechen einzuhalten und die Steuern zu senken, gleichzeitig aber das gesamtstaatliche Defizit bis 2010 auf null zu bringen?
Jean-Claude Juncker: Ich gehe davon aus, dass die Reformen, die er einleitet, relativ schnell das wirtschaftliche Wachstum antreiben werden. Das wird dem französischen Haushalt zusätzliche Steuereinnahmen zuführen und längerfristig die Lage der öffentlichen Finanzen stärken.
Pierre Leyers: Solange es mit der Konjunktur bergauf geht, wird diese Rechnung aufgehen.
Jean-Claude Juncker: Der präventive Arm des Stabilitäts- und Wachstumspakts, der während der luxemburgischen Präsidentschaft 2005 vollständig reformiert wurde, sieht vor, dass in Zeiten von gutem wirtschaftlichem Wachstum größere Anstrengungen in Sachen Schulden- und Defizitabbau gemacht werden müssen. Herr Sarkozy unterschreibt diese Logik voll und ganz.
Hoher Aussenwert des Euro federt Energiepreise ab
Pierre Leyers: Der Euro hat heute gegenüber dem Dollar ein neues Rekordhoch erreicht. Im Vorfeld seines Besuchs hat der französische Präsident für einen größeren Einfluss der Politik auf den Euro-Kurs plädiert.
Jean-Claude Juncker: Der Euro-Kurs war in unserer Diskussion kein Thema. Dieses wird von der Zentralbank und den Euro-Finanzministern behandelt, die beide dafür verantwortlich sind. Im Vergleich zu historischen Durchschnittswerten – zurückgerechnet auf die D-Mark – steht der Euro zwar hoch, befand sich aber schon wesentlich höher zum Dollar, als dies heute der Fall ist. Die Eurogruppe ist nicht der Ansicht, dass das europäische Exportgeschäft unter dem hohen Außenkurs leidet. In einzelnen Ländern gibt es sektorielle Schwierigkeiten. Verallgemeinern lässt sich dies aber nicht. Im Gegenteil, es gibt einen beträchtlichen Vorteil. Der hohe Außenwert federt die gestiegenen Energiepreise und ihren Impakt auf die Gesamtwirtschaft stark ab. Zudem fällt auf, dass es Länder wie Deutschland gibt, deren Exporte massiv gestiegen sind – trotz des hohen Eurokurses. In einzelnen Sektoren der französischen Wirtschaft ist das aber nicht der Fall, was eher daraufschließen lässt, dass es in diesen Sektoren Wettbewerbsschwierigkeiten gibt. Deutschland hingegen hat seine Wettbewerbsfähigkeit durch die Politik der letzten Jahre im Vergleich zu Frankreich wesentlich gesteigert.
Man kann nicht alle Exportschwierigkeiten auf den hohen Außenkurs zurückführen. Oft gibt es interne wettbewerbsmindernde Faktoren in einzelnen Unterwirtschaftsräumen des Euro-Wirtschaftsraums, die erklären, warum Exporte in den einen Ländern florieren und in den anderen stagnieren.
Pierre Leyers: Die EU-Finanzminister haben die Aufnahme Maltas und Zyperns in die Euro-Zone zum kommenden Jahreswechsel endgültig gebilligt.
Jean-Claude Juncker: Wir haben die Euro-Vorbereitung von Malta und Zypern über den Zeitraum eines Jahres hin Monat für Monat unter die Lupe genommen. Ende Juni hat der Rat der Staats- und Regierungschefs den Beitritt beider Länder zur Euro-zone gutgeheißen. Ich freue mich, dass wir acht Jahre nach dem Eurostart ab dem 1. Januar 2008 über 15 Mitglieder verfügen werden. Die Finanzminister Maltas und Zyperns werden ab September an den Arbeiten der Eurogruppe teilnehmen. Wer dabei war, als der Vertrag von Maastricht am 7. Februar 1992 unterzeichnet wurde, sieht heute, dass diejenigen, die glaubten, der Euro hätte keinen Erfolg, in ihrem “Zukunftsoptimismus” heute isoliert da stehen. Es ist für mich eine große Genugtuung, wenn ich sehe, dass Länder nach einem schwierigen Anpassungsprozess – und das war bei Malta und Zypern sicherlich der Fall – den Sprung in die Eurozone schaffen.
Pierre Leyers: Die EU-Finanzminister haben sich überraschend schnell auf Dominique Strauss-Kahn als Kandidaten für den Chefposten beim Internationalen Währungsfonds geeinigt.
Jean-Claude Juncker: Am Freitag, dem 29. Juni habe ich mit Herrn Strauss-Kahn und mit dem französischen Präsidenten diese Kandidatur besprochen, die jetzt gestellt wurde.
Pierre Leyers: Es war also nicht der französische Präsident, der den sozialistischen Gegenspieler vorschlug?
Jean-Claude Juncker: Nein, es war Jean-Claude Juncker, wie Herr Hollande, Erster Sekretär der sozialistischen Partei, heute in einem Interview mit einer französischen Zeitung erklärte. Dies tat er wohl nicht aus Freundschaft zu mir, sondern um Herrn Sarkozy eins auszuwischen.
Pierre Leyers: Muss der Generaldirektor des IWF immer aus Europa stammen? Es gibt ein Arrangement, das besagt, dass die amerikanische Regierung den Präsidenten der Weltbank, die europäischen Regierungen den Generaldirektor des Internationalen Währungsfonds benennen.
Jean-Claude Juncker: Nachdem jetzt ein Präsident der Weltbank bestimmt wurde und ein Kandidat für den IWF vorgeschlagen wurde, ist es voraussichtlich das letzte Mal, dass diese Vereinbarung noch gilt. Die aufstrebenden Länder, wie etwa China und Indien, müssen selbstverständlich künftig bei der Erneuerung beider Funktionen einen Platz zugewiesen bekommen, der ihrer realen Bedeutung Rechnung trägt.
Quelle: Wort, 11. Juli 2007, Pierre Leyers