Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament Joseph Daul im Kurzinterwiev zur Lösung der europäischen Verfassungskrise. Joseph Daul weilte kürzlich auf Einladung der CSV in Luxemburg
Der französische Politiker ist Vorsitzender der EVP-ED-Fraktion im Europaparlament. Daul gehört der Partei von Präsident Nicolas Sarkozy an, mit dem er in Europafragen eng zusammenarbeitet.
Wort: Herr Daul, beim EU-Gipfel geht es darum, einen Ausweg aus der Verfassungskrise zu finden. Worauf müssen die Staats- und Regierungschefs in Brüssel besonders aufpassen?
Dass sie sich aufs Wesentliche konzentrieren. Es geht um den Inhalt des Vertragswerks. Deshalb warne ich davor, um Begriffe oder Symbole zu streiten. Worauf es ankommen wird, ist letztlich die Substanz der vertraglichen Grundlage. Diese darf nicht verwässert werden. Besonders wichtig ist es natürlich, auch die Position der 18 Länder zu respektieren, die dem Europäischen Verfassungsvertrag in der vorliegenden Fassung bereits zugestimmt haben. Dessen ist sich übrigens auch unser Präsident Nicolas Sarkozy vollends bewusst. Seine offene Haltung möchte ich an dieser Stelle klar unterstreichen. Frankreich legt großen Wert auf eine Lösung, die alle Positionen vereint.
Eine Frage, die sich stellt, ist die der Grundrechtecharta. Von bestimmter Seite wird versucht, diesen Teil aus dem Vertrag zu kippen. Was halten Sie von dieser Entwicklung?
Die Grundrechtecharta ist in meinen Augen eine Notwendigkeit. Die Vorgaben der Charta gehören zu dem Vertragswerk, wie auch immer man dieses nennen wird. Sehen Sie, die europäischen Regierungschefs haben die Charta schließlich unterzeichnet. Das verpflichtet. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass der Europäische Rat einen Weg finden wird, die Grundrechte vertraglich abzusichern. Das hat in letzter Instanz nämlich auch etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun.
Ein neuer Vertrag setzt eine neue Prozedur der Ratifizierung voraus. Könnte es in Frankreich gegebenenfalls zu einem zweiten Referendum kommen?
Nein, ganz sicher nicht. Nicolas Sarkozy hat vor den Präsidentschaftswahlen klar gesagt, wie er sich die Ratifizierung eines neuen EU- Vertrags vorstellt. Ein Referendum hat er dabei von vornherein ausgeschlossen. Ein neuer Vertrag wird im Parlament und im Senat zur Abstimmung gebracht. Die politischen Machtverhältnisse im Land sind so, dass Nicolas Sarkozy diesen vorgegebenen Weg beschreiten kann.
Quelle: Wort, 14. Juni 2007, Marc Glesener
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