Laurent Mosar: „Ich will der Hauptstadt eine neue Dynamik geben“

Interview zum Abschluss der Wahlkampagne mit dem CSV-Spitzenkandidaten und Bürgermeisteranwärter
In der Hauptstadt des Großherzogtums steht bei den Gemeindewahlen von übermorgen Sonntag möglicherweise eine historische kommunalpolitische Veränderung an. Diese Bastion der Liberalen seit langen Jahrzehnten wird nämlich zielstrebig und mit Nachdruck von den Christlich-Sozialen umkämpft, die in der Person des erfahrenen Zentrumsabgeordneten und amtierenden Ersten Schöffen Laurent Mosar (47) einen ernsthaften Herausforderer und Anwärter auf das Bürgermeisteramt aufbietet. Kurz vor dem Wahltermin zogen wir mit ihm eine Bilanz der Kampagne, um zugleich aber auch auf seine programmatischen Schwerpunkte einzugehen.

D’Wort: Wegen der Sommerferien fiel die Wahlkampagne ziemlich kurz aus. Wie beurteilen Sie unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes die politische Auseinandersetzung der letzten Wochen?

Laurent Mosar: Da muss man zwei Unterschiede machen. Es stimmt, dass die eigentliche Kampagne verhältnismäßig kurz war. Aber die richtige Kampagne fing für mich und meine Mannschaft bereits nach den Parlamentswahlen vom Juni vergangenen Jahres an, als der CSV-Nationalrat beschloss, ich sollte die Spitzenkandidatur in der Hauptstadt übernehmen. Im Endspurt wurde die Kampagne ganz engagiert mit vielen Wahlversammlungen in allen Stadtvierteln geführt. Die Versammlungsteilnehmer waren durchwegs stark interessiert und stellten viele Fragen. Insofern habe ich ein ganz optimistisches Gefühl, wenn die Kampagne am Samstagabend zu Ende geht.

D’Wort: Als Herausforderer und erklärter Anwärter auf den Bürgermeisterposten könnten Sie diesmal eine historische Wende im Rathaus am “Knuedler” herbeiführen. Wie sehen Sie die Hauptkonkurrenz mit an ihrer Spitze dem Tandem Polfer-Helminger?

Laurent Mosar: Da kann ich nur wiederholen, dass die CSV eigentlich die einzige Partei in der Hauptstadt ist, die mit offenen Karten spielt.

Nimmt man die Oppositionsparteien, so ziehen diese ausschließlich mit deralleinigen Ambition in die Wahlen, in den Schöffenrat zu kommen.

Bei der DP verhält es sich so, dass die einzige Aussage jene ist, der mit den meisten Stimmen solle Bürgermeister werden. Dieser Sachverhalt verleitet mich zur Aussage, dass derjenige, der DP stimmt, eigentlich eine Katze im Sack kauft, weil niemand weiß, wer letztlich als Bürgermeister herauskommt.

D’Wort: Während der Wahlkampagne kristallisierten sich mehrere Schwerpunkte – allen voran Sicherheit, Transport und Lebensqualität – heraus. Wo liegt für Sie, ganz allgemein gesehen, die erste Priorität?

Laurent Mosar: Eigentlich gibt es für mich sieben Prioritäten, die ich auch kurz erwähnen möchte.

Erstens geht es darum, das Angebot an bezahlbarem Wohnraum massiv heraufzusetzen, und zwar in Zusammenarbeit mit den anderen öffentlichen Institutionen. Allerdings kann ich mir auch vorstellen, dass private Promotore in Zukunft im Auftrag der Gemeinde bezahlbaren Wohnraum besorgen.

Klassisch für die CSV ist die zweite Priorität, nämlich die im Interesse der berufstätigen Eltern auszubauende und zu verbessernde außerschulische Betreuung der Kinder.

Beim dritten Punkt handelt es sich um einen Bereich, bei dem die CSV bisher in der Hauptstadt nie die Verantwortung über das Ressort hatte. Es geht um verstärkte Anstrengungen zur Schaffung attraktiver Spielplätze in allen Stadtvierteln.

Besonders am Herzen liegt mir die Stadtbelebung. Daher schlage ich auch vor, schnellstmöglich nach den Wahlen zusammen mit dem Geschäftsverband, dem City-Manager und dem City Tourist Office eine Task Force einzusetzen, die kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen vorschlagen soll, um wieder jenes Leben in die Stadt Luxemburg zu bringen, das diese eigentlich verdient.

Von Wichtigkeit ist auch mein fünfter Punkt, nämlich die Rolle, die ältere Menschen in der Stadt spielen sollen. In diesem Bereich plädieren wir für die Schaffung freiwilliger Seniorenjobs für ältere Mitbürger zwecks besserer Nutzung von deren Erfahrungen.

Bezüglich der öffentlichen Sicherheit sehen wir eine verstärkte Präsenz der Polizei in den Stadtvierteln als Priorität an.

Nicht zuletzt aber soll die tägliche Kommunikation des Bürgers mit der Stadtverwaltung verbessert werden, z.B. durch ein “Knoutertelefon” und einen drahtlosen Internet-Anschluss auf dem gesamten Stadtgebiet.

D’Wort: “Eng sécher Hand fir ons Stad” lautet Ihr Wahlslogan, womit wohl auch die allgemeine öffentliche Sicherheit gemeint ist. Wie steht es um diese auf dem Gebiet der Hauptstadt und welche Akzente wollen Sie in diesem Bereich setzen?

Laurent Mosar: Vorweg möchte ich festhalten, dass die Sicherheit eigentlich viel besser ist, als sie oft dargestellt wird. Dies bestätigte nicht zuletzt kürzlich eine internationale Studie. Wenn ich als jüngstes Beispiel die “Schueberfouer” nehme, so bleibt festzuhalten, dass sie eine Rekordzahl an Besuchern verzeichnete, die Zahl der auf dem Glacis begangenen Delikte jedoch wesentlich zurückging.

Für mich geht es hier eher um ein subjektives als um ein objektives Unsicherheitsgefühl. Wahr bleibt aber, dass es schwerpunktmäßig Probleme gibt, die sich hauptsächlich im Bahnhofsviertel und in den Stadtparks zeigen. Diesbezüglich wird laut den begrüßenswerten Aussagen des Justizministers eine von uns schon lange geforderte Maßnahme umgesetzt: die Aufstellung von Video-Überwachungskameras.

Im Gegensatz zur DP sind wir der Meinung, dass mehr Polizisten das Problem absolut nicht lösen. Vielmehr treten wir dafür ein, dass die bereits vorhandenen Polizisten mehr auf dem Terrain eingesetzt werden und weniger Verwaltungsarbeit im Büro der Kommissariate verrichten. Übertrieben finden wir die Forderung der DP auch deshalb, weil gewusst ist, dass so oder so in den nächsten Jahren höchstens 60 Polizisten pro Jahr engagiert werden. Laut den Aussagen des Polizeigeneraldirektors ist aus Gründen der Einführung und der Betreuung nicht mehr drin. Übertrieben ist das DP-Begehren auch, weil es in der Praxis bedeuten würde, dass jeder Polizist, der in den nächsten vier bis fünf Jahren eingestellt wird, in die Hauptstadt kommen müsste.

Anmerken möchte ich aber auch, dass ein Teil der Probleme, die von den Bürgern als Unsicherheitsfaktoren angesehen werden, nicht unbedingt auch solche sind. Nehmen wir z.B. die Obdachlosen, die viele Bürger im Stadtbild stören. Da handelt es sich aber um ein Problem, das nicht mit mehr Polizei zu lösen ist, sondern mittels Sozialmaßnahmen durch die Schaffung von Auffangstrukturen. Beim Drogenmilieu haben wir es auch mit präventiven Maßnahmen zu tun. Die Strafverfolgung sollte erst an dritter Stelle kommen.

D’Wort: Eines der großen Probleme der Stadt Luxemburg ist der Verkehr, an dessen Aufkommen diese zeitweilig zu ersticken droht. Mit welchem Konzept wollen Sie eine Lösung dieser Problematik herbeiführen?

Laurent Mosar: Absolute Priorität hat für uns der schienengebundene Verkehr, und zwar aus dem ganz einfachen Grund, dass wir mit dem Busbetrieb an unsere Grenzen gestoßen sind. Durch das Projekt “mobilitéit.lu” kommt es zur überaus wichtigen Anbindung des Kirchberg-Plateaus, doch muss es in Richtung Südwesten weiter gehen durch die Anbindung der “Porte de Hollerich” sowie von Cessingen und Cloche d’Or.

Drittes Problemfeld ist mit seinen hunderten von Schulbussen pro Tag der Limpertsberg, der nicht zuletzt auch wegen der Universität an die von Kirchberg kommende Verkehrsverbindung angeschloßen werden müsste.

Last but not least bleibt das Stadtzentrum, wo wir prioritär für eine unterirdische Trassenführung plädieren.

Verstärkt soll jedoch auch der nicht motorisierte Transport unterstützt werden, und zwar durch einen weiteren Ausbau und eine sicherere Gestaltung der Radfahrerwege.

Es muss jedoch auch dafür gesorgt werden, dass das Auto weiter in die Stadt kommen kann, weil erwiesenermaßen noch immer sehr viele Menschen individuell anreisen wollen.

D’Wort: Wohnen und Bauen in der Hauptstadt ist für den Normalbürger zu einem unerschwinglichen Luxus geworden. Mit welchem Konzept wollen Sie in diesem Bereich gegensteuern?

Laurent Mosar: Zu diesem für uns absolut prioritären Punkt haben wir eine Reihe von Maßnahmen gegen die Spekulation vorgeschlagen. Ausschlaggebend für die Kostenexplosion ist nämlich nicht das Bauen selbst, sondern vielmehr die Entwicklung der Grundstückspreise.

Erstens soll systematischer auf den langfristigen Pachtvertrag (Bail emphytéotique) zurückgegriffen werden, weil dadurch der Grundstückspreis neutralisiert wird und der Häuserpreis wesentlich niedriger gehalten werden kann.

Zweitens plädieren wir dafür, dass bei der Einbeziehung von “Zones d’aménagement différé” in den allgemeinen Bebauungsplan der Terrainbesitzer 25 Prozent des Grundstückes zu seinem Gestehungspreis an die Gemeinde abtreten soll, die dann hier zu vernünftigen Preisen Bauland anbieten kann.

Schnellstmöglich sollen auch die rund 5 000 Baulücken, von denen sich viele im Besitz der Gemeinde befinden, bebaut werden.

Unbedingt vorgehen müssen wir gegen die Zweckentfremdung von privatem Wohnraum zu Bürozwecken. Mittels einer jährlichen Taxe sollen jene Eigentümer sanktioniert werden, die bereits seit Jahren in diesem Punkt gegen das kommunale Bautenreglement verstoßen. Es muss hier zusammen mit der Reform der Mietgesetzgebung zu einem Gesamtpaket kommen.

D’Wort: Was gedenken Sie im Interesse der Stadt Luxemburg als attraktives Geschäftszentrum zu unternehmen?

Laurent Mosar: Dieser Punkt liegt mir sehr am Herzen. Zuerst müssen wir darauf bedacht sein, dass wieder mehr Menschen in die Stadt wohnen kommen, wo jedenfalls Wohnraum vorhanden ist. Eine große Chance bietet diesbezüglich die neue Universität mit der zu erwartenden Studentenschaft. Als großes Problem erweist sich allerdings der Mangel an Parkplätzen im Stadtzentrum für die ohne Garagen gebauten Wohnhäuser. Deshalb schlagen wir in unserem Programm den Ausbau des Parking “Knuedler” für die im Stadtzentrum wohnenden Bürgerinnen und Bürger vor.

Zusammen und im Dialog mit den Geschäftsleuten muss für eine elastischere Gestaltung der Öffnungszeiten gesorgt werden. Als zusätzlicher Anreiz sollten die Parkgebühren bereits ab 17 – statt bisher 19 – Uhr gesenkt werden.

Nicht zuletzt aber fehlt es in der Stadt Luxemburg ganz einfach an einem großen Anziehungspunkt für die Kundschaft. So schwebt uns vor, an der Stelle des frei werdenden Centre Hamilius ein f Geschäftszentrum mit international renommierten Marken entstehen zu lassen, das jedoch auch hauptstädtischen Geschäftsleuten zugänglich sein soll.

d’Wort, 7. Oktober 2005
Interview: Joseph Lorent