Plädoyer für die luxemburgische Staatsbürgerschaft, Plädoyer für die doppelte Staatsbürgerschaft

Laurent Mosar, Berichterstatter zum Staatsbürgerschaftgesetz:”Die doppelte Staatsbürgerschaft ist ein wesentliches Instrument einer gelungenen und resolut umgesetzten Integrationspolitik.”

Mit Ausnahme des ADR haben sich alle Parteien in ihren Wahlprogrammen 2004 für die Ermöglichung der doppelten Staatsbürgerschaft ausgesprochen. Auch die CSV. Nach eingehenden internen Diskussionen sind wir zum Schluss gekommen, dass die doppelte Staatsbürgerschaft ein wichtiges, ja ein wesentliches Instrument einer gelungenen und resolut umgesetzten Integrationspolitik ist.

Jene Argumente, die von den Gegnern der doppelten Staatsbürgerschaft ins Feld geführt werden, sind leicht zu entkräften. Denn die Argumentation zugunsten einer zweifachen Staatsangehörigkeit ist robust und tragfähig. Sie basiert auf einer Erkenntnis, die etwas mit staatlicher und europäischer Moderne zu tun hat: nämlich jener, dass man im 21. Jahrhundert durchaus bürgerliche – im rechtlichen Sinn des Begriffes – Loyalität zu zwei Staaten empfinden kann, und die loyale Verbindung mit diesen Staaten auch durch die gemeinsame Trägerschaft der respektiven Staatsbürgerschaften formalisiert werden kann.

Doppelte Staatsbürgerschaft- mehrfache Staatsangehörigkeit

Luxemburg kennt die doppelte Staatsbürgerschaft zu diesem Zeitpunkt formal nicht. Eigentlich geht es bei einer Änderung der Gesetzeslage auch nicht um die Einführung einer doppelten, sondern um die Ermöglichung einer mehrfachen Staatsangehörigkeit. Theoretisch und praktisch wird nämlich nur die Verpflichtung zur Aufgabe bestehender Staatsbürgerschaften vor der Annahme der luxemburgischen abgeschafft. Also ist es durchaus möglich, dass ein Antragsteller, der bereits mehr als einen nicht luxemburgischen Pass besitzt, nach der Naturalisation Bürger von mehr als zwei Staaten ist. Die übergroße Mehrheit der betroffenen Personen wird nach einer Änderung des anwendbaren Gesetzes jedoch lediglich zwei Nationalitäten besitzen: aus diesem Grunde wird generell, und auch in diesem Beitrag, die Terminologie der doppelten Staatsbürgerschaft verwendet.

Die Erlangung der luxemburgischen Staatsangehörigkeit durch Naturalisation ist unter der bestehenden Gesetzgebung mit der Aufgabe der ursprünglichen Nationalität(en) verbunden, es kann nur Luxemburger werden, wer vorher seinen anderen Pass abgegeben hat. Natürlich ist diese Regel in der Praxis längst umspielt worden: wer würde schon im Detail nachvollziehen wollen (oder können), ob ein Anwärter auf die luxemburgische Einbürgerung tatsächlich förmlich auf jede andere Staatsangehörigkeit verzichtet hat, bevor er seinen Luxemburger Pass in Empfang nimmt? Und wie wäre diese Regel im Übrigen kompatibel mit den gesetzlichen Bestimmungen jener Länder wie Portugal, die besagen, dass jemand, der als Portugiese geboren wurde, bis zu seinem Lebensende Portugiese bleibt, auch wenn er eine andere Staatsbürgerschaft annimmt – der Betreffende also gar nicht auf seine ursprüngliche Nationalität verzichten kann?

Natürlich wird die luxemburgische Basisregel umgedreht ebenfalls praktiziert, was bedeutet, dass ein Luxemburger auf seine luxemburgische Nationalität verzichten muss, bevor er eine andere Staatsbürgerschaft annehmen kann. Für jene Luxemburger, die aus beruflichen oder familiären Gründen während langen Jahren und vielleicht für immer in einem fremden Land leben, ist diese Bestimmung besonders hart: um den Pass ihres Aufenthaltslandes erlangen zu können, müssen sie die formale Verbindung zu Luxemburg, die luxemburgische Staatsangehörigkeit, aufgeben. Im Jahr 2004 ist die CSV der Ansicht, dass man derart Drastisches nicht mehr von einem Menschen verlangen darf. Genau so, wie jemand auch Luxemburger sollte sein können, müssen wir es Luxemburgern ebenfalls ermöglichen, auch Bürger eines weiteren Staates zu sein.

Eine moderne Ausgestaltung des Nationalitätskonzepts

Natürlich entspricht die doppelte Staatsbürgerschaft einer modernen Ausgestaltung des Nationalitätskonzepts. Im 19. Jahrhundert wäre sie nicht ohne weiteres denkbar gewesen, obwohl es auch in vergangenen Jahrhunderten immer wieder Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit gegeben hat. Die Regel konnten diese Fälle natürlich nicht sein: allein die konfliktuierenden militärischen Verpflichtungen, die sich aus doppelter Staatsangehörigkeit in Zeiten regelmäßiger bewaffneter zwischenstaatlicher Konflikte ergeben hätten, ließen im Regelfall multiple staatliche Loyalitätsbeziehungen nicht zu. Das ist heute anders.

Luxemburgs Bevölkerung hat sich im Verlauf der Zeit ebenfalls geändert. Fast 40 Prozent der hier zu Lande lebenden Menschen sind nicht Luxemburger, Tendenz steigend. Erlaubte man diesen Menschen die Gewinnung der luxemburgischen Staatsangehörigkeit unter Beibehaltung ihrer ursprünglichen Nationalität, wäre sicher der Integration in Luxemburg gedient. Schlussendlich ist es durchaus nachvollziehbar, dass insbesondere viele europäische Unionsbürger ihre staatsbürgerliche Vergangenheit nicht aufgeben wollen, um Luxemburger zu werden – und daraus kaum praktische Vorteile zu ersehen, da ihre rechtliche Situation mit derjenigen der Luxemburger ohnehin nahezu identisch ist. Es wäre zweifellos wünschenswert, wenn sich die hier lebenden EU-Ausländer in hoher Zahl dazu entschließen würden, Luxemburger zu werden, besonders die hier geborenen Vertreter der zweiten und dritten Einwanderergeneration, aber auch jene europäischen Mitbürger, die davon ausgehen, dass sie einen erheblichen Teil ihres Lebens in Luxemburg verbringen wollen, ohne sich nicht sicher zu sein, dass sie überhaupt noch einmal in ihr erstes Heimatland zurückkehren wollen.

Staatsbürgerschaft: kein exklusives Konzept mehr

Für die Kohäsion der luxemburgischen Gesellschaft kann es nur von Vorteil sein, wenn die Luxemburger Staatsangehörigkeit als wichtiges und anerkanntes Verbindungsmittel zwischen geborenen Luxemburgern und lange hier lebenden Anwärtern auf die luxemburgische Nationalität betrachtet würde. Und dies kann sie nur, wenn zu ihrer Erlangung nicht die Aufgabe einer vorherigen Identität vorausgesetzt wird. Die wenigsten Menschen sind bereit, jenen Teil von sich aufzugeben, der mit einem tief empfundenen staatlichen Zugehörigkeitsgefühl verbunden ist. Man sollte es auch nicht von ihnen verlangen – Staatsbürgerschaft in unserer Zeit ist kein exklusives Konzept mehr.

Nur unter Erfüllung bestimmter Bedingungen

So, wie es die Naturalisation an sich natürlich nicht außerhalb bestimmter Regeln geben kann, ist auch die doppelte Staatsbürgerschaft für die CSV nicht ohne die Erfüllung einer Reihe von Bedingungen vorstellbar. Diese könnten nach unserem Dafürhalten leicht andere sein, als jene zur Naturalisation bei Aufgabe der ursprünglichen Staatsangehörigkeit: die Erlangung einer weiteren, einer zweiten Nationalität ist ein besonderer Vorgang, und sollte auch als solcher geregelt sein. Dabei geht es nicht um Abschreckung, sondern um besonders erwiesene Integration und Identifizierung mit Luxemburg und den Luxemburgern. Neben den unerlässlichen Kenntnissen der luxemburgischen Sprache können wir uns vorstellen, dass Anwärter auf die doppelte Staatsbürgerschaft einer speziellen Mindestaufenthaltsdauer in Luxemburg zu respektieren hätten. So müsste eine besondere Bindung zu Luxemburg existieren, um unsere Nationalität zusätzlich zu einer anderen zu erwerben. Auch Missbrauch gilt es zu vermeiden: schließlich ist unsere Staatsangehörigkeit verbunden mit der Erlangung der europäischen Unionsbürgerschaft, die weit gehende Rechte in allen EU-Mitgliedsstaaten eröffnet.

Entsprechende Gesetzgebung muss alle praktischen Fragen lösen

Die doppelte Staatsbürgerschaft wirft eine ganze Reihe von praktischen rechtlichen Fragen auf, die in einer entsprechenden Gesetzgebung gelöst werden müssen. Diese Fragen betreffen beispielsweise das anwendbare nationale Recht im Falle einer Scheidung oder Erbschaft – oder auch die einem Kind zuzuerkennende Staatsbürgerschaft, dessen Eltern mehrere Pässe innehaben. Welche Staatsbürgerschaft(en) erhält zum Beispiel ein in Luxemburg geborenes Kind, dessen Vater Portugiese und Luxemburger, und dessen Mutter Kanadierin und Niederländerin ist? Diese Fragen gilt es zu klären, bevor die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglicht wird, da sich ansonsten erhebliche Probleme im Nachhinein ergeben würden. Doch wir sind entschlossen, ein Regelwerk zu erarbeiten, das sämtliche wesentlichen praktischen Fragen einer Lösung zuführt. Denn wir glauben an die doppelte Staatsbürgerschaft als wichtigen Integrationsfaktor für die luxemburgische Gesellschaft der Zukunft, weil wir an die Erlangung der luxemburgischen Staatsbürgerschaft als Ausdruck einer gelungenen Integration in unserem Land glauben.

Der Autor ist Laurant Mosar, Berichterstatter zum Staatsbürgerschaftgesetz