Ein Kommentar von Parteipräsident François Biltgen über rezente Entwicklungen innerhalb der Europäischen Union.
Wir wollen ein Europa der Bürger. Wir wollen ein Europa, zu dem die Bürger sich bekennen. Deshalb brauchen wir ein soziales Europa.
Daher haben bereits die Gründerväter der Europäischen Gemeinschaften Sozialbestimmungen in die Verträge einfließen lassen. Hier besteht jedoch immer noch Nachholbedarf, weil das soziale Europa dem wirtschaftlichem Europa hinterherhinkt; trotz Sozialcharta, trotz Europäischer Beschäftigungsstrategie, trotz Sozialagenda.
In vielen Ländern glauben die Menschen, dass ihnen Europa – und besonders das erweiterte Europa – Arbeitslosigkeit und Abbau der Sozialstandards bescheren könnte. Dies wird natürlich durch einen anhaltenden ultraliberalen Dialog verstärkt.
Dabei gibt es das soziale Europa, zumindest in wesentlichen Ansätzen. Nur müssen wir uns dazu bekennen. So zum Beispiel zum “magischen Dreieck” und den damit verbundenen Strukturreformen, der Beschäftigungsstrategie und der Sozialen Kohäsion, deren Richtlinien 1997 in Luxemburg und 2000 in Lissabon beschlossen wurden.
Europa hat nämlich ein soziales Modell, das wohl vielfältig ist, sich jedoch vom nordamerikanischen deutlich unterscheidet: durch den Sozialdialog und durch die Festlegung von Mindeststandards.
Natürlich sind die Sozialkompetenzen der Union nicht ausreichend. Doch wir kommen weiter, wenn auch mit kleinen Schritten. Die Charta der Grundrechte, die ja in der neuen EU-Verfassung Gesetzeskraft erhält, wird das soziale Europa sicherlich noch stärker nach vorne bringen. Doch zusätzliche Schritte sind notwendig.
Kämpfen wir nunmehr dafür, dass in der zukünftigen EU-Verfassung die Mehrheitsregel auch bei Sozialfragen die Einheitsregel ersetzt.
Denn es genügt nicht, Europa mehr Kompetenzen zuzuerkennen. Europa muss auch imstande sein, diese Kompetenzen auszuüben. Dass es z.B. keine Mindeststandards für den individuellen Kündigungsschutz gibt, ist nicht zuletzt auf die Einstimmigkeitsregel zurückzuführen. Die EU kritisiert – zu Recht – übertriebenen Kündigungsschutz, insofern dieser die Beschäftigungspolitik in Frage stellt. Im Gegenzug wäre es jedoch wichtig, wenn die EU verbindliche Mindeststandards festhalten würde, um den Arbeitnehmer nicht zur reinen Ware zu verdammen.
Denn der Arbeitnehmer ist ein Bürger Europas.
François Biltgen
CSV-Präsident