Wir brauchen eine soziale Bewegung für die Welt

Ein Kommentar zum Grundsatzprogramm der CSV.
Zu Gast im Land: Paul Weimerskirch (CSV)

Das Grundsatzprogramm der CSV wird überarbeitet. Keineswegs werden jedoch die Grundoptionen, die seit Jahren die Politik der CSV prägen über Bord geworfen. Ebenso wird kein neues Menschen- und Gesellschaftsbild entworfen.

Politik der sozialen Gerechtigkeit

Wir stehen nach wie vor zum Prinzip des solidarischen Miteinanders, der subsidiären Hilfestellung, des Verantwortung tragenden persönlichen Einsatzes und zur Nachhaltigkeit. Wir wollen auch weiterhin unsere Politik der sozialen Gerechtigkeit als Alternative zum einseitigen schrankenlosen Individualismus und Kollektivismus umsetzen. Grundwerte, die erst im Zusammenspiel ihre volle Bedeutung gewinnen.

Es geht darum, die in den letzten Jahrzehnten geänderten gesellschaftlichen, ökonomischen und sozialen Entwicklungen sowie Strukturen, an diesen Werte und Haltungen neu zu orientieren.

Neue Technologien verändern die Arbeitswelt. Sowohl institutionell wie auch politisch und geographisch vollzieht Europa einen gewaltigen Umbruch. Liberalisierungstendenzen, Deregulierungsforderungen und Monopolisierungsbestrebungen bestimmen das Wirtschaftsleben. Wer den Mensch nicht am Altar des neuen, schrankenlosen Kapitalismus opfern will, muss reagieren, muss Antworten formulieren und Standpunkte einnehmen.

Die Globalisierung – Gespenst oder Chance

Das Wort “Globalisierung” ist heute in aller Munde. Die umwälzenden Veränderungen des weltweiten Wirtschaftslebens, die eben unter dem vereinfachenden Schlagwort “Globalisierung” immer stärker die öffentliche Diskussion prägen, bleiben nicht ohne Wirkung auf das Zusammenleben der Menschen.

So verlangt die rasant fortschreitende Globalisierung nicht nur die Beachtung der universalen Menschenrechte, sondern auch die Vereinbarung universaler Menschenpflichten. Die Politik darf sich nicht ins Schlepptau der Ökonomie begeben. Die Globalisierung, der viele Menschen, jedoch auch politische, gesellschaftliche und religiöse Gruppen scheinbar ohnmächtig und teilweise resignativ gegenüberstehen, fordert vor allem die Politik heraus.

Als Beispiel darf die gegenwärtige Entwicklung und Krise der internationalen Finanzmärkte genannt werden, die längst von der Realwirtschaft abgekoppelt sind und sich mehr oder weniger verselbstständigt haben. Wenn Globalisierung nicht dazu führen soll, dass in der “Eine-Welt-Gesellschaft” ganze Regionen wirtschaftlich und politisch untergehen oder die Dynamik der Wirtschaft zu einem globalen Kasino- und Spekulationskapitalismus entartet ist eine soziale Globalisierung dringend erforderlich.

Keine halbherzigen Lösungen

Nachdrücklich gilt es, eine in erster Linie an den Bedürfnissen der Armen orientierten Politik zu gestalten. Die Entwicklungshilfepolitik muss als echte Chance gesehen und verstanden werden. Halbherzige Lösungen sind nicht zielführend. Die Armutsbekämpfung darf nicht zum Anhängsel der Außenpolitik verkommen. Wir brauchen eine soziale Bewegung für die eine Welt.

Um die sozialen Folgen des ungehemmten Kapitalismus zu mildern, wurde die soziale Marktwirtschaft entwickelt. Dabei fällt in einem marktwirtschaftlichen System dem Staat die Rolle zu, auf sozialen Ausgleich hinzuwirken, in der den Schwachen geholfen werden kann, und die Starken bei aller solidarischen Umverteilung und Hilfestellung nicht geschwächt werden sollen. Die soziale Marktwirtschaft gilt heute in vielen Länder der Europäischen Union als Basis einer gesunden Wirtschafts- und Sozialordnung. Ist die soziale Marktwirtschaft auch in Zeiten der Globalisierung zukunftsfähig?

Nicht als Lippenbekenntnis, sondern als Aufforderung

Ja, denn die Globalisierung braucht mehr denn je die sozialen Leitplanken. Neben den Prinzipien des Freihandels und des Wettbewerbs muss die soziale Dimension als Pfeiler weltweit verankert werden. Ein neues Gleichgewicht zwischen globaler Marktwirtschaft, internationalen Formen des Sozialausgleichs und der nationalen Stabilität muss angestrebt und fest geschrieben werden. Dies nicht als Lippenbekenntnis, sondern als echte Aufforderung um Frieden und soziale Gerechtigkeit in der Welt zu schaffen, denn der Friede ist gewissermaßen eine Frucht der Gerechtigkeit. Es gibt dafür sicherlich keine allgemein gültigen Patentrezepte. Doch die Politik muss alles tun um dieses Ziel zu erreichen.

Un-Generalsekretär Kofin Annan brachte es am 4. Februar dieses Jahres vor dem Weltsozialforum in Porto Alegre auf den Punkt: “Jene, die die Macht und die Mittel haben – Politik und Wirtschaft – müssen zeigen, dass Ökonomie, richtig angewandt, und Gewinne, richtig investiert, sozialen Nutzen nicht nur für wenige, sondern für viele und letztlich auch für alle bringen kann.”

Aus diesem Blickwinkel betrachtet, hat sich die CSV zur Aufgabe gemacht, das Grundsatzprogramm zu überarbeiten, zu qualifizieren.

Leitlinie ist der Mensch und das Prinzip “Jidder Eenzelen zielt”.

Paul Weimerskirch

(Aus d’Lëtzebuerger Land 11.10.2002)