Sterben humanisieren

Binnen zehn Jahren wurde in den Niederlande die aktiven Euthanasie schrittweise legalisiert. Dass das niederländische Parlament und nach
Binnen zehn Jahren wurde in den Niederlande die aktiven Euthanasie schrittweise legalisiert. Dass das niederländische Parlament und nach ihm das belgische Parlament, die aktive Sterbehilfe nunmehr ausdrücklich legalisiert haben, ist demnach keine Überraschung. Die Entscheidung hat jedoch in vielen Ländern eine neue Debatte ausgelöst. Europa, Deutschland, Frankreich Tatsache ist, dass die Niederlande und Belgien in punkto Lebensrecht aus dem europäischen Konsens ausscheren. So hat beispielsweise die Parlamentarische Versammlung des Europarates erst im vergangenen Jahr mit überwältigender Mehrheit eine Erklärung gegen die aktive Euthanasie verabschiedet.

In Deutschland läuft unter dem Impuls der sozialdemokratischen Justizministerin eine Kampagne gegen die Legalisierung der aktiven Euthanasie. Diese Kampagne wird von Politikern aller Couleur ­ inklusive von führenden Persönlichkeiten der Grünen ­ unterstützt. In Österreich besteht ein parteiübergreifender Konsens gegen die Legalisierung der aktiven Euthanasie. In Frankreich mehren sich ebenfalls die Stimmen gegen eine Legalisierung der aktiven Euthanasie. So haben sich beispielsweise die französische Ethikkommission, und neuerlich ebenfalls die Vereinigung der frankophonen “anesthésistes-réanimateurs” gegen eine solche Legalisierung ausgesprochen. Gewarnt wird vor den Gefahren des Missbrauchs. Es ist von der Senkung von Hemmschwellen und weiterem mehr die Rede. Der Wunsch der Betroffenen Mehrere Studien belegen zudem, dass die Betroffenen ­ d.h. todkranke Menschen ­ nicht nach aktiver Euthanasie fragen, wenn ihnen durch Palliativpflege ­ also Schmerztherapie ­ adäquate Hilfeleistungen zuteil wird. Und selbst bei den einigen wenigen Patienten, die aktive Euthanasie verlangen- (es handelt sich gemäss einer rezenten Befragung in Deutschland um weniger als 3%) – ist der Wunsch nicht permanent vorhanden ­ der Schrei nach Euthanasie ist bei diesen Menschen meistens ein Schrei nach Hilfe. Nicht ein Schrei nach dem Tod. Aktive Lebenshilfe Erfahrene Palliativmediziner kommentieren die niederländische Entscheidung mit den Worten, die Weichen seien nunmehr falsch gestellt. “Wir müssen den Menschen bewusster und eindeutiger klar machen, dass wir mit der Palliativmedizin aktive Lebenshilfe anbieten können”, so die Palliativärzte.

Die ärztlichen Erfahrungsberichte unterstreichen dass unheilbar Kranke, die zunächst Sterbehilfe fordern, ihre Meinung ändern, wenn sie wissen, dass sie schmerztherapeutisch optimal versorgt werden können und ihnen Zuwendung am Krankenbett zuteil wird. Eine moderne Palliativmedizin ist heute schon in der Lage ist, Schmerzen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren und somit unnötiges Leiden zu verhindern. Auch der Einwand vieler, durch eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe könnte ein gesellschaftliches Klima entstehen, wo aktive Euthanasie zum Mittel der Wahl bei schwerstkranken oder lebensmüden Menschen erklärt wird, muss ernst genommen werden. “Wo die Euthanasie per Gesetz legalisiert und ihre Praxis geregelt ist ­ wenn auch unter eingeschränkten Bedingungen -, da setzt sich auf lange Sicht ein Mentalitätswandel durch. Die Menschen beginnen zu akzeptieren, dass das Leben nicht mehr in allen Hinsichten einen absoluten Wert besitzt. Es entsteht ein Klima der Banalisierung ….. des Lebens und des Sterbens.”, so die CSV-Abgeordnete Marcelle Lentz-Cornette im Jahr 1999. Palliativmedizin aufwerten und ausbauen

Die Palliativmedizin muss in Luxemburg verstärkt aufgewertet und gefördert werden. Palliativmedizin steht für adäquate Schmerztherapie, angepasste Symptomkontrolle, Erhaltung der persönlichen Autonomie, Respekt des Patientenwillens, optimale und vertrauensvolle Pflege sowie Betreuung. Hier besteht der eigentliche Handlungsbedarf, denn je besser und effizienter die Strukturen der Palliativmedizin funktionieren und je größer das Wissen um die Palliativmedizin ist, umso weniger laut wird der Ruf nach aktiver Euthanasie. Eine echte Chance für die Palliativmedizin Die kritischen Stimmen zur niederländischen Gesetzgebung bedauern nicht umsonst, dass dort gut 20 Jahre über Euthanasie gesprochen wurde, die Alternativen dazu ­ wie die Palliativpflege beispielsweise, jedoch nie thematisiert wurden.

Die Palliativmedizin muss eine echte Chance bekommen, auch wenn der Weg schwierig und aufwändig sein wird.. Die Gesellschaft, in der wir leben, müsste es sich doch selbst wert sein, sich die optimalst mögliche Sterbebegleitung zu leisten. Der rückhaltlose Schutz chronisch kranker und pflegebedürftiger Patienten, sowie die adäquate menschliche und medizinische Begleitung Sterbender ist sowohl Aufgabe als auch Verpflichtung. “Sterben humanisieren”, darum geht es.

Jean-Louis Schiltz

Generalsekretär der CSV