Eist Land brauch Immigratioun!

Die parlamentarische Spezialkommission, die sich mit Einwanderung befasst, verabschiedet dieser Tage ihren Zwischenbericht. Dieser Bericht ist das Ergebnis einer intensiven Informations- und Dokumentierungsarbeit dieser Kommission, die während ihren Beratungen im Verlauf der letzten Monate Regierungsmitglieder, Experten und eine große Zahl von Organisationen der Zivilgesellschaft angehört und sich mit ihren Ansichten zum Phänomen der Einwanderung vertraut gemacht hat. Der Zwischenbericht dient jetzt als Basis der weiteren Arbeiten der Kommission, die bis in den Herbst andauern werden und unter anderem weitere Anhörungen beinhalten werden. Abschließend findet eine Orientierungsdebatte zum Thema im Parlament statt. Bei dieser Gelegenheit werden die Leitlinien der zukünftigen Einwanderungspolitik festgelegt. Eins ist aber bereits jetzt klar: unser Land braucht Einwanderung! Der wirtschaftliche Erfolg Luxemburgs während der letzten beiden Jahrzehnte und die entsprechend starke Expansion des Arbeitsmarktes sind in ihrer Anziehungskraft mehr als aussagekräftig: von den fast 300.000 Arbeitsplätzen, die unser Land zu diesem Zeitpunkt zählt, sind nur knapp zwei Drittel von hier im Lande wohnenden Menschen besetzt – und fast eines dieser beiden Drittel besteht aus ausländischen Mitbürgern. Die restlichen 100.000 Arbeitsplätze würden unbesetzt bleiben, gäbe es nicht die Pendler, die aus dem mehr oder weniger nahen Grenzgebiet nach Luxemburg kommen. Das Reservoir der Arbeitslosen im Grenzgebiet, wenn man es etwas weiter fasst, scheint zwar nahezu unausschöpflich – in einem Umkreis von 150 Kilometern um Luxemburg sind mehr Menschen arbeitslos, als das Großherzogtum Einwohner hat! – doch der Schein trügt. Die Herausforderung Das Saarland, zum Beispiel, wird in 40 Jahren ein 700.000-Einwohner-Land sein – und gegenüber seiner heutigen Bevölkerung von rund einer Million Menschen 300.000 Einwohner weniger zählen. Die Bevölkerung in allen Regionen um Luxemburg weist ähnlich rückläufige Tendenzen aus. Und der luxemburgische Arbeitsmarkt expandiert weiter. Fazit: die luxemburgische Wirtschaft wird zunehmend Menschen beschäftigen müssen, die auch in Luxemburg wohnen. Und dies werden keine Luxemburger sein. Die Zahl der Inhaber eines luxemburgischen Passes stagniert unter 300.000. Seit langen Jahren. Und die Aussichten auf eine dramatische Erhöhung dieser Zahl sind trübe – das demographische Verhalten der Luxemburger ist nicht dazu angetan, deren Zahl in nächster Zeit spürbar zu erhöhen. Das Rad der Zeit Solange die Wirtschaft unseres Landes wächst – und das tut sie, den aktuell möglichen Voraussichten gemäss, bis auf weiteres – werden Arbeitsplätze geschaffen. Seit Ende der neunziger Jahre rund 10.000 pro Jahr. Und genau die Wirtschaft, die in erheblicher Zahl Arbeitsplätze schafft, erhält und verstärkt auch unseren Wohlstand – auf den kaum jemand verzichten will. Es ist unmöglich, das Rad der Zeit zurückzudrehen, oder die Wirtschaft in eine Rezession zu strangulieren, die schlussendlich allen im Lande weh tun würde. Von der dann definitiv eintretenden Unfinanzierbarkeit der sozialen Sicherungssysteme ganz zu schweigen – und zwar aller Versicherungen, also neben der Rentenkassen auch der Kranken- und der Pflegeversicherung. Man muss den Tatsachen also ins Auge sehen. Lamentieren hilft genauso wenig, wie der von ADR und ähnlich gepolten Anhängern der Agrargesellschaft geforderte Marsch zurück auf den Acker. Wenn unser Land lebens- und zukunftsfähig sein soll, dann braucht es Menschen, die seine Zukunft finanzieren – und dies werden in bemerkenswerter Zahl Menschen sein, die nicht als Luxemburger ins Land kommen. Neue Konzepte Wir müssen Einwanderung organisieren, damit sie in ruhigen Bahnen verlaufen kann. Dazu gehört eine drastisch verstärkte Integrationspolitik, genauso wie Konzepte für den Zusammenhalt der Gesamtbevölkerung und die Kommunikation zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Der Dialog und das Verständnis der Religionen spielen in diesem Kontext eine wichtige Rolle. All diese Elemente miteinander zu verknüpfen und daraus ein einwanderungspolitisches Konzept zu kristallisieren, das tragfähig ist und von den Menschen in Luxemburg akzeptiert wird, ist eine gewaltige Aufgabe. Doch von ihrem Erfolg hängt maßgeblich die Zukunft unseres Landes ab. Deshalb sind wir auch verpflichtet, sie mit Erfolg zu meistern. Im Parlament, in der Regierung, in den Organisationen, Verbänden und Kirchen – aber auch in der Bevölkerung im allgemeinen. Luxemburg wird in einigen Jahren anders aussehen. Aber es wird das gleiche Land sein, nur mit etwas mehr Menschen.

Marcel Glesener

Abgeordneter