Leitartikel von CSV Präsidentin Erna Hennicot-Schoepges

Leitartikel von CSV Präsidentin Erna Hennicot-Schoepges Vor dem Nächsten, vor seiner Person, seiner Lebensart, seiner Religion und unabhängig von seiner sozialen Stellung ist, laut Charta der Menschenrechte, elementare Voraussetzung eines friedlichen Zusammenlebens. Sogar eine Richterin a. D. sollte sich daran erinnern, wenn sie öffentlich als Frauenrechtlerin auftreten will.

Starkes Stück Es ist wahrhaftig ein starkes Stück, was vor einer Woche in einem RTL-Interview ausgestrahlt wurde. Kein Wunder, dass die Reaktion nicht ausblieb, und so hagelte es Proteste, und die Telephonleitungen des Frauenministeriums waren dieser Tage stark beansprucht.

War es denn wirklich nötig, jene Frauen, die eine andere Entscheidung als ihre berufliche Karriere getroffen haben, derart zu beleidigen? Liegt nicht gerade da der Hase im Pfeffer, dass wenn es um die Gewichtung von Arbeitsleistungen geht, die Hausarbeit unterbewertet ist. Unsere ganze Wirtschaft käme ins Wanken, wenn die von den Hausfrauen geleistete Arbeit von heute auf morgen bezahlt werden müsste.

Stellen sie sich vor, was es kosten würde, wenn jedes gebügelte Hemd und jede gewaschene Hose nach den gängigen Tarifen entlohnt werden müssten! Keine Statistik Der Marktwert der Hausarbeit wird in keiner Statistik aufgeführt; dabei ist gerade dieses Arbeitsvolumen eine Pufferzone in der Wirtschaft. Wieviele ganztätige Arbeitsplätze Hausarbeit schafft, und wieviele Wirtschaftskraft aus dem Bezahlen jetzt unentgeltlich geleisteter Arbeit entstehen könnte, wäre in der Tat eine Berechnung wert.

Seit jeher habe ich mich als CSF- und als CSV-Präsidentin dagegen gewehrt, eine undifferenzierte Sprache zu gebrauchen und ausser Haus berufstätige Frauen und Vollzeithausfrauen gegeneinander auszuspielen.

Ausgewogene Frauenpolitik Nichts ist einer ausgewogenen Frauenpolitik schädlicher als diese mangelhafte Kenntnis der Sensibilität beider Gruppen. Berufstätige Frauen haben auch Hausarbeit zu erledigen – und ohne Hausfrauen könnte unsere Gesellschaft so wie sie heute ist, nicht funktionieren. Denn noch immer gibt es nicht genug Kindertagesstätten und gerade die jungen Mütter wissen zu schätzen, wenn sie in ihrem direkten Umfeld nicht berufstätige Frauen bemühen können, um zeitweise – oder in Notsituationen – einzuspringen. Bei Krankheit und Behinderung wird der Einsatz von Hausfrauen auch finanziell anerkannt durch die Pflegeversicherung und den Anspruch auf Rentenzeiten.

Wir leben nun mal in einer freien Welt in der jeder in Eigenverantwortung sein Leben gestalten kann. Wir sind meilenweit entfernt von dem kommunistischen Staat für den unsere Richterin seinerzeit militierte, und der alle Kinder in das Kollektiv und alle Frauen zur Arbeit beorderte. Ihre Aussagen sind auch vor diesem Hintergrund zu bewerten.

Unberechtigte Behauptung Frauenministerin Marie-Josée Jacobs hört des Öftern die unberechtigten Behauptung, sie trete nur für die berufstätigen Frauen ein und vernachlässige die anderen. Dem ist jedoch nicht so, denn ohne Frauenministerium wären wir in den schwierigen Fragen um faire Renten nicht weitergekommen. Der CSV-Vorschlag, die Erziehungsleistung nicht berufstätiger Frauen mit 3 000 Franken pro Kind bei den Renten anzuerkennen, ist der beste Beweis dafür.

Die CSV hat sich übrigens auch auf ihrem letztjährigen Nationalkongress klar und deutlich für das Beibehalten der “droits dérivés” (d. h. abgeleitete Renten- und Krankenversicherungsrechte) ausgesprochen. Wir wissen dass derzeit etwa 48% der Frauen einer bezahlten Berufstätigkeit nachgehen. 52% sind Hausfrauen – freiwillig und mit Überzeugung – oder zwangsweise, weil es keine andere Lösung gab. Alle haben das gleiche Anrecht auf Respekt.

Generell sollten wir uns sehr gut merken, dass eine Gesellschaft so ist, wie sie mit ihren Frauen umgeht. Die Taliban haben es vordemonstriert. Die Zwischenkriegsjahre des letzten Jahrhunderts haben uns gezeigt, wie die Glorifizierung der Mutterrolle darin gipfelte, “Söhne fürs Vaterland” zu gebären.

Inzwischen hat sich mit der Gestaltung Europas die Gleichberechtigung von Mann und Frau zum politischen Programm entwickelt. Das heißt auch, dass Frauen, ganz gleich welche Arbeit sie verrichten, ein Recht auf Anerkennung haben.

Und das ist unsere Politik für die Zukunft.

Erna Hennicot-Schoepges Parteipräsidentin