Der Süden braucht ein kohärentes Verkehrskonzept

Im vergangenen Jahrhundert wurde die Gestaltung des Südens vorwiegend durch die Entwicklung der Großindustrie geprägt. Die Ortschaften ringsum die Eisenhütten haben sich zusehends ausgedehnt und stellten die meisten Beschäftigten der Hüttenwerke. Der Weg zur Arbeit wurde zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt. Die aus entfernt gelegenen Ortschaften stammende Beschäftigte unserer Hütten benutzten fast ausschließlich die öffentlichen Transportmittel, um zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen.

Mobilitätsgewohnheiten der Bevölkerung Mit der Krisis im Stahlsektor und dem Abbau der Beschäftigten in der Großindustrie haben sich immer mehr Klein- und Mittelbetriebe im Süden angesiedelt. Ihr Standort lag nicht unbedingt an den Verbindungsachsen des öffentlichen Transports.

Gleichzeitig ist die Zahl der aus den Südgemeinden stammende Beschäftigte der Betriebe und Verwaltungen unserer Hauptstadt drastisch angestiegen. Parallel dazu haben sich die Mobilitätsgewohnheiten der Bevölkerung mit der Zunahme der hier zu Lande immatrikulierten Personenwagen tiefgreifend verändert. Die Zahl, der in Luxemburg gemeldeten Fahrzeuge, stieg von 219 000 im Jahr 1990 auf 320 000 im Jahr 2000. Das stellt einen Anstieg von 46% dar. Der Weg zur Arbeit wird immer seltener mit dem Zug oder Bus zurückgelegt. Die Einkäufe in den Großeinkaufsflächen werden per Wagen besorgt. Trotz des großzügigen Angebots im Bereich des Schülertransports seitens öffentlicher Hand fahren immer wieder Eltern ihre Kinder mit dem Privatauto zur Schule. All dies hat zu einer Explosion des Straßenverkehrs geführt. Verbindungs- und Umgehungsstraßen sowie Autobahnen mussten angelegt werden um den zunehmenden Verkehr zu bewältigen.

Ein regelrechtes Verkehrschaos Hinzu kommt der gewaltige Anstieg der Zahl der Grenzgänger die tagtäglich in unser Land zur Arbeit kommen. In den letzten 20 Jahren ist deren Anzahl von knapp 15 000 auf über 100 000 angestiegen. Die überwiegende Mehrheit kommt aus dem benachbarten Frankreich und Belgien. Die meisten von ihnen benutzen das Privatauto. Über die Autobahnteilstücke Esch, Düdelingen und Arlon gelangen sie nach Luxemburg. Die Escher Autobahn benutzten 2001 im Tagesdurchschnitt 45 050 Fahrzeuge, was im Vergleich zu 1996 einen Anstieg von 20,7 % darstellt. Noch ausgeprägter ist die Zunahme des Verkehrs auf der Düdelinger und Arloner Autobahn. Auffangparkplätze mussten im Einzugsgebiet der Stadt Luxemburg angelegt werden. Dabei kann man feststellen, dass jede Verbesserung zu Gunsten des Privatautos zu einer Zunahme des Straßenverkehrs geführt hat. Auf den Autobahnen herrscht morgens in Richtung Luxemburg und abends aus der Hauptstadt heraus ein regelrechtes Verkehrschaos. Um die Staus zu vermeiden, weichen immer mehr Autofahrer auf Schleichwege aus. Dies bedingt wiederum eine Zunahme des Verkehrs im Innern der Ortschaften, und das auf Kosten der Lebensqualität der betroffenen Einwohner.

eine gewaltige Herausforderung Die Erschließung der Industriebrachen soll dem Süden des Landes zu einem neuen Aufschwung verhelfen und das soziökonomische Gleichgewicht zwischen Hauptstadt und Minett verbessern. Viele Aktivitäten im Bereich der Dienstleistungen, der Kultur und der Erziehung sollen hier angesiedelt werden. Stichwort: Belval-West mit einem neuen Lyzeum sowie Forschungseinrichtungen und Fakultäten der “Uni Lëtzebuerg” im Rahmen der Cité des Sciences. Aktivitäten die Menschen bewegen. Die Erschließung der Brachen stellt eine einmalige Gelegenheit zur nachhaltigen Entwicklung der ganzen Südregion dar. Sie bedeutet aber auch eine gewaltige Herausforderung, besonders was die Regelung des Verkehrs anbelangt. Mehr Aktivitäten bedeuten ein Plus an Verkehr. Hier muss ein kohärentes Konzept erstellt werden in dem öffentlicher Transport und individueller Verkehr, zu Fuß, mit dem Rad oder dem Wagen harmonisch ineinander übergehen und nebeneinander bestehen können. Ein Konzept das einerseits eine optimale Mobilität der Menschen gewährleistet, ohne aber die Lebensqualität der Bewohner unserer Ortschaften zu beeinträchtigen. Ein Konzept im Interesse sämtlicher Gemeinden, in dem die Vorteile der einen nicht zu Lasten der anderen erzielt werden. Dabei muss man wissen, dass nicht jeder persönliche Wunsch berücksichtigt werden kann. Das beste Konzept nutzt aber nichts, wenn es nicht von der Bevölkerung akzeptiert wird. Jeder muss dazu beitragen, dass unsere Lebensqualität nicht unserer Bequemlichkeit zum Opfer fällt.

Folgen wir dem Motto, nimm du den Bus, damit ich bequemer mit dem Wagen fahren kann, kann das beste Konzept nicht den erwünschten Erfolg haben.

Norbert Haupert Abgeordneter