Chancen

Das aktive und passive Wahlrecht, die Bekleidung öffentlicher Ämter, gleicher Zugang zu Bildung und Erziehung, das Recht auf Arbeit und beruflichen Aufstieg, gleicher Lohn für gleiche Arbeit sind heute auch für Frauen Realität. Auch wenn dies von jüngeren Generationen als elementare Selbstverständlichkeit empfunden wird , so bedurfte es doch eines langen, dornigen Weges, den man immer wieder in Erinnerung bringen muss, um diese Zielsetzungen zu verwirklichen.

Erinnern wir uns nur an einige Bestimmungen unserer Zivilgesetzgebung, die vor nun erst 30 Jahren (!) abgeändert wurden: – die Frau ist angehalten bei ihrem Mann zu wohnen, und ihm dahin zu folgen, wohin er es für gut befindet, – der Frau obliegt es nicht über ihren eigenen Besitz zu verfügen, ohne die Zustimmung ihres Mannes. Dies galt ebenfalls für die persönlichen Einkünfte der Frau, falls es ihr überhaupt erlaubt war erwerbstätig zu sein, – über die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder hat einzig und allein der Mann Entscheidungen zu treffen, – eine Verpflichtung einzugehen oder einen Vertrag zu unterschreiben ist nicht erlaubt: den Minderjährigen, den geistig gestörten, jenen denen Zivilrechte gerichtlich aberkannt waren… und den verheirateten Frauen, Wahrlich, eine lange Reihe, von heute noch kaum vorstellbaren Zumutungen! Und doch! Vor dem Gesetz sind Mann und Frau nun gleichgestellt. In der täglich gelebten Realität unserer Gesellschaft – am Arbeitsplatz, in Politik, im Wirtschafts- und Sozialwesen – bleiben viele Vorurteile abzubauen, manche Hürden zu überwinden, bis hin zu einer tatsächlichen Chancengleichheit. Immer noch gibt es unerklärliche Ungerechtigkeiten, einige davon versteckt oder unbewusst toleriert.

Obwohl in den Ländern der EU die Anzahl der Frauen, die einer bezahlten Arbeit nachgehen, innerhalb der letzten Jahre eindeutig zugenommen hat, so kommt man, auch nach den rezentesten Ermittlungen nicht an der Tatsache vorbei, dass im europäischen Durchschnitt Frauen immer noch rund 25 Prozent weniger verdienen als Männer. Arbeit, die vorwiegend von Frauen verrichtet wird, gilt als minderwertig. In Führungsgremien bleiben Frauen eine Seltenheit. Diese Tatsache hat zuletzt wieder einmal die in Berlin unter der Schirmherrschaft unseres Premierministers Jean-Claude Juncker stattgefundene internationale Konferenz “Welt-Frauen-Arbeits-Kongress” bestätigt.

“Nichts gefruchtet hätten die Anstrengungen der Frauen, den ihnen zustehenden Anteil an Spitzenposten zu holen” war eine prägende Aussage. Es fehle nicht an leistungsbereiten Frauen, meinte die frühere deutsche Frauenministerin Rita Süssmuth, aber “je größer der Verteilungskampf, desto geringer der Anteil von Frauen. Ihre Kompetenz wird in Krisenzeiten schlicht nicht abgefragt”.

In Luxemburg kennen wir, Gott sei Dank, keine Krisenzeiten, im Gegenteil! Mehr denn je sind wir gefordert, Bedingungen zu schaffen, die es unserm Land ermöglichen sein ganzes menschliches Potenzial voll einzusetzen, auch das nicht zuletzt zum Wohl unserer eigenen Kinder.

Eine Gesellschaft, die überleben will, braucht Kinder, sei es nur um den Generationenvertrag zu erfüllen und das Überleben unserer ausgeprägten Sozialsysteme vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Prioritär gilt es deshalb dahin zu wirken, dass Kinder nicht mehr als Problem einer Gesellschaft gesehen werden.

Zentrale Herausforderung der Politik muss es demnach sein, Familie und Arbeitswelt miteinander zu vereinbaren, für Frauen und Männer, ohne die festgefrorene übliche Rollenzuweisung. Leider bleibt diese Tatsache immer noch mehr Wunsch als Wirklichkeit. “Wenn es um Frauen in der Gesellschaft geht, ist das nicht nur Frauensache, das ist auch Männersache!”, betonte unser Premierminister. Möge er endlich gehört werden.

Erna Hennicot-Schoepges Parteipräsidentin